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#Wo bleibt die Moral?

Wo bleibt die Moral?

Vor fast zwanzig Jahren sprach der Politikwissenschaftler Francis Fukuyama in dieser Zeitung von einem „heilsamen Schock des 11. Septembers“, der die Vereinigten Staaten „nach innen stärker und einiger machen und international zu konstruktiverer Beteiligung veranlassen könnte“. Was ist von dieser prekären Einschätzung und dem Wunsch nach mehr amerikanischem Engagement in internationalen Konflikten geblieben, der schon damals stark umstritten war?

Jan Wiele

Ausgerechnet zum zwanzigsten Jahrestag des 11. September soll nun der Truppenabzug aus Afghanistan komplett abgeschlossen sein: ein symbolisches Datum zum Ende einer Ära, das Prȁsident Biden mit dem Erreichen der gesetzten Ziele begründet. Der republikanische Senatsfraktionschef Mitch McConnell nannte das bizarr: Anscheinend wolle die Biden-Administration den Gedenktag begehen, indem sie Amerikas Gegnern Afghanistan „als Geschenk verpacke und es ihnen direkt zurückgebe“.

Wo bleibt die Kritik?

Jenseits des amerikanischen politischen Spektrums, in dem man eher über eine Gefahr durch neuen internationalen Terrorismus aus einem destabilisierten Afghanistan als um die dortige Bevölkerung besorgt ist, hört man bislang kaum größere Kritik an Bidens Entscheidung. Für viele scheint klar, dass es nun andere strategische Schauplȁtze für Amerika gibt. Talkshow-Moderatoren und Comedians wie Stephen Colbert, Seth Meyers und Trevor Noah begrüßen die Entscheidung, sie taugt ihnen gar für Witzeleien – vor einiger Zeit noch undenkbar angesichts dieses Themas. Wie aber steht es um die moralische Lesart dieses einschneidenden Datums, wie um die Frage nach der Verantwortung, die sich angesichts des daraus folgenden Verschwindens der gesamten Nato-Präsenz aus Afghanistan ergibt?

Im Treaty Room des Weißen Hauses: Wo sein Vorgänger George W. Bush den Beginn von „Amerikas längstem Krieg“ begründete, beendet Joe Biden diesen nun - mit einer Trauerrede.


Im Treaty Room des Weißen Hauses: Wo sein Vorgänger George W. Bush den Beginn von „Amerikas längstem Krieg“ begründete, beendet Joe Biden diesen nun – mit einer Trauerrede.
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Bild: AFP

Dass Joe Bidens Entscheidung überraschend käme, kann keiner sagen. Schon Präsident Obama wollte weniger Auslandseinsätze, und Präsident Trump sagte im Sommer 2020 vor Offizieren an der Militärakademie in West Point: „Wir sind nicht der Weltpolizist.“ Sein Nachfolger Biden hatte schon im Wahlkampf ganz offen auf die Frage geantwortet, ob er sich verantwortlich fühlen werde, wenn infolge eines Truppenabzugs in Afghanistan dort bald wieder verstärkt Menschenrechte verletzt würden, insbesondere solche von Frauen. „Ob ich Verantwortung trage? Keine“, sagte er damals laut der „Washington Post“. Seine Verantwortung bestehe darin, „die nationalen Eigeninteressen Amerikas zu schützen und unsere Frauen und Männer nicht in Gefahr zu bringen, jedes einzelne Problem der Welt mit Gewalt zu lösen“.

Verantwortlungslos und egoistisch?

Damit macht Biden nun Ernst: Auch er will kein Weltpolizist mehr sein. Die Folgen davon bezeichnete ein Mitglied des Verhandlungsteams der afghanischen Regierung bei den Friedensgesprächen in Doha allerdings als das „Verantwortungsloseste und Egoistischste“, was Amerika seinen afghanischen Partnern habe antun können. Was droht, wenn die Taliban in Afghanistan wieder an die Macht kommen, ist wohl jedem klar.

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