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#Wo das Taufbecken der Ottonen stand

Der Stiftsberg von Quedlinburg war im frühen Mittelalter der Hauptsitz der Ottonen-Dynastie. Jetzt haben Archäologen bei Ausgrabungen in der Krypta der Stiftskirche die Halterung für ein Taufbecken aus dem zehnten Jahrhundert entdeckt. In diesem Becken wurden einst wahrscheinlich namhafte Mitglieder des ottonischen Herschergeschlechts getauft. Zudem ist dies der älteste Nachweis eines vierpassförmigen Taufbeckens nördlich der Alpen.

Der über der Stadt Quedlinburg thronenden Stiftsberg ist einer der zentralen Orte deutscher und europäischer Geschichte. Denn hier lag ab dem zehnten Jahrhundert eine Königspfalz der Ottonen. Schon König Heinrich I. hatte Quedlinburg ab 919 ausgebaut, 936 wurde er in der Pfalz von Quedlinburg bestattet. Sein Witwe Mathilde und sein Sohn Otto I. ergänzten das Schloss durch ein Damenstift, von dem heute noch die Stiftskirche erhalten ist. Diese Bauten gehörten heute zum Weltkulturerbe der UNESCO.

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Blick auf den Stiftsberg in Quedlinburg. © Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt/ Juraj Lipták

Vertiefung für Taufbecken im Boden der Krypta

Doch wie sich nun zeigt, gibt es selbst in diesem weltberühmten Ensemble noch Neues zu entdecken. Archäologen des Landesamts für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt haben im westlichen Bereich der Krypta der Quedlinburger Stiftskirche durchgeführt. Dabei deckten sie in der Mittelachse des Raumes ein für die Romanik und Gotik typisches Ornament auf – einen Vierpass. Die aus vier Kreisen zusammengesetzte Form bildete eine 50 Zentimeter tiefe und zwei Meter breite Vertiefung im Sandstein, deren Wände aufwendig mit Stücken aus Hochbrandgips ausgekleidet waren.

Doch wozu diente diese Vertiefung? Das Team aus Archäologen, Bauforschern, Kunstgeschichtlern und Restaurierungswissenschaftlern hat dies mit Hilfe modernster Dokumentations- und Analysemethoden untersucht. Ihr Ergebnis: Diese Vertiefung muss einst als Halterung und Unterlage für ein Taufbecken gedient haben. Dieses Becken ist zwar selbst nicht erhalten, bestand aber mutmaßlich aus hochwertigem Material, wie das Landesamt in seiner Mitteilung berichtet. Datierungen ergaben, dass dieses Bauelement aus dem zehnten Jahrhundert stammt.

Einzigartiger Fund

Damit stammen Taufbecken und Halterung aus den ältesten Jahrzehnten der mittelalterlichen Geschichte des Quedlinburger Stiftsbergs und aus der frühen Phase der Ottonen. Gleichzeitig handelt es sich dabei um den ältesten Nachweis eines vierpassförmigen Taufbeckens nördlich der Alpen. „Es gibt vieles, was die UNESCO-Welterbestadt Quedlinburg einzigartig macht, nun kommt mit dem aufgedeckten Taufbeckenstandort aus dem 10. Jahrhundert ein weiteres Alleinstellungsmerkmal hinzu“, erklärte Rainer Robra, Minister für Kultur von Sachsen-Anhalt, anlässlich eines Besuchs in der Krypta der Stiftskirche.

Spannend ist der Fund auch wegen seiner engen Verbindung zu den Ottonen. Zwar wurden Sterbeorte und -daten von Mitgliedern der herrschenden Familien in zeitgenössischen Schriftquellen häufig dokumentiert, Angaben zur Taufe sind jedoch faktisch nicht überliefert. Nach Angaben der Archäologen ist es jedoch denkbar, dass der 922 geborene Herzog Heinrich I. von Bayern am aufgedeckten Standort getauft wurde. Ebenso könnten hier Mathilde, die Tochter von Kaiser Otto dem Großen, und Adelheid I., die Tochter Ottos II., an dieser Stelle das erste und grundlegende christliche Sakrament empfangen haben.

Anders als heute üblich, wurde in der ottonischen Zeit nur einmal im Jahr getauft, diese Kollektivtaufe fand am Karsamstag statt. Dabei wurden die Säuglinge und Kleinkinder in Kreuzform, in das Wasser getaucht, mit zunächst nach Osten, dann nach Norden und abschließend nach Süden gerichtetem Kopf. Bei dem jetzt entdeckten Taufbecken entspricht dies den Richtungen des Vierpasses. Die Zeremonie wurde bei Kerzenschein und Weihrauch durchgeführt und durch liturgische Gesänge und Litaneien begleitet. Die Täuflinge behielten üblicherweise ihr weißes Taufkleid eine Woche lang an.

Quelle: Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt, Mitteilung

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