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#Wo der CDU-Vorsitzende mit Impfgegnern demonstriert

Wo der CDU-Vorsitzende mit Impfgegnern demonstriert

Jeden Tag ärgert sich Ulrich Schadeberg über den Kasten mit dem „Corona-Unsinn“ vor seinem Haus. Darin hängen Zettel, die vor der Impfung warnen, vor „Panikmache“ und „Zensur“. Schadeberg schaut ratlos hinüber zum Gartenzaun des Nachbarn: „Ich krieg das gar nicht in meinen Kopf rein!“, ruft er schnaufend in die kalte Luft. Schadeberg war sein Leben lang Arzt in Freiberg, er hatte die ganze Stadt im Wartezimmer, aber manchmal versteht er seine Mitbürger einfach nicht. Er versteht die Frau nicht, die mit einem „Judenstern“ an der Jacke zum Bäcker geht. Er versteht den Mann nicht, der in der Bank anfängt zu pöbeln, weil er eine Maske aufziehen soll. Und er versteht die Leute nicht, die jeden Montag zusammen mit Verschwörungstheoretikern und Neonazis durch die Straßen ziehen. So viel Wut und so wenig Verstand: „Was ist denn mit denen los?“

Livia Gerster

Redakteurin in der Politik der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung.

Schadeberg zuckt mit den Achseln und weist den Weg ins Haus. Von jeder Treppenstufe blickt ein hölzerner Nussknacker herab, auf dem Sims wachen Engel mit Kerzlein in den Händen, zwischen den kleinen Chorsängern qualmen die Räuchermännchen, und mittendrin schneidet Magdalena Schadeberg den Stollen an. Auch sie war Ärztin, und auch sie hat keine Antworten auf die Fragen ihres Mannes. Es gebe ja tolle Animationen im Fernsehen, erzählt sie. Die zeigten genau, wie der Impfstoff wirkt. „Vielleicht fehlt manchen die Vorbildung?“ Ulrich wiegt den Kopf: „Man muss ja nicht wissen, was T-Zellen sind, es reicht doch, den Experten zu vertrauen!“

Jeden Morgen sieht er in der Lokalzeitung Heiratsannoncen, in denen Ungeimpfte einander suchen, und wundert sich. Die Leute wüssten wohl nicht mehr, was sie Impfungen zu verdanken hätten! Ulrich Schadeberg weiß es, denn er war Arzt für „Haut und Liebe“, wie er strahlend sagt. Und da hatte er viel mit Pockennarben zu tun. Dank der Impfung sähen Hautärzte so etwas nicht mehr. Auch an Fälle von Kinderlähmung kann er sich gut erinnern. Aber, was die Leute da zusammenfabulierten von G 8 und Bill Gates, das müssen wohl diese „Fake News“ sein. Davon liest Ulrich Schadeberg in der Zeitung.

Als könne jederzeit etwas Unheimliches hervorbrechen

Nur, wo kommt das her, und warum sind die Leute hier so anfällig dafür? Ulrich und Magdalena Schadeberg haben die DDR auf- und untergehen sehen, und wenn Ulrich Schadeberg heute aus dem Fenster schaut, dann sieht er die blühenden Landschaften, von denen einst Helmut Kohl sprach. „So schön war Freiberg noch nie!“ Er versteht nicht, wie man das nicht sehen kann. Magdalena weiß noch genau, wie sie das erste Mal in den Edeka ging und nichts fand, weil alles so bunt war. „Ich fühl mich immer noch wie im Schlaraffenland“, sagt sie in ihrem zarten Sächsisch und lacht glockenhell. Aber es gibt auch die anderen Erinnerungen, an Massenarbeitslosigkeit, an die Treuhand und die Glücksritter aus dem Westen.

Ulrich und Magdalena Schadeberg


Ulrich und Magdalena Schadeberg
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Bild: Robert Gommlich

Einmal beschlich Magdalena mitten in der Einheitsbegeisterung ein merkwürdiges Gefühl. Sie sah im Fernsehen, wie Helmut Kohl vor der zerstörten Frauenkirche in Dresden stand zwischen lauter schwarz-rot-goldenen Fahnen. Wieder riefen die Leute „Wir sind ein Volk“, aber diesmal klang es anders. „Nicht mehr freundlich und selbstbewusst, sondern irgendwie hart.“ Als könne da jederzeit etwas Unheimliches hervorbrechen. Später dann brach es auch hervor. Als ein Mob einen Bus mit Flüchtlingen in Clausnitz attackierte, nicht weit entfernt von Freiberg, „da bin ich so erschrocken“, sagt Magdalena, „da hatte ich zum ersten Mal richtig Angst vor uns selber“.

Mit einem Mal steht Ulrich Schadeberg auf. „Ich habe ja der Kanzlerin einen Brief geschrieben“, sagt er energisch und kommt kurz darauf mit der Antwort aus dem Kanzleramt zurück. Da steht, dass sich „die Bundeskanzlerin sehr über Ihre anerkennenden und wertschätzenden Worte gefreut“ habe. Stolz streicht Ulrich Schadeberg das Papier glatt, und Magdalena sagt: „Das Wichtigste ist, dass die Chefs kompromissbereit bleiben.“ Das ist ihre Lehre aus dem Kalten Krieg, und dafür waren die Schadebergs der Kanzlerin immer dankbar.

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