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#„Wofür mache ich das alles noch?“

„Wofür mache ich das alles noch?“

Die Situation, sagt Patrick Rüther, der zusammen mit Tim Mälzer die Bullerei in Hamburg betreibt, erinnere ihn „extrem“ an das letzte Mal. Die Menschen seien wieder genauso ängstlich, ähnlich wenige wie im März gingen überhaupt noch essen. Ein neuer Lockdown sei geplant, hat die „Bild“ berichtet. Die Kanzlerin wolle diesmal einen „Lockdown light“, aber das ändert nichts für die Restaurants, Cafés und Kneipen. Sie sind so oder so betroffen. Genauso wie im März.

Sarah Obertreis

Viele von ihnen, warnen die Branche und ihre Kenner, werden das zweite Mal nicht überstehen. „Ich halte den Kopf gerade so noch über Wasser“, sagt Asker Kilic, dem das Mainzer Restaurant „Oma Else“ gehört. „Wenn wir jetzt wieder zumachen würden, wäre das eine Katastrophe“. Er glaubt, dass die Hälfte der Gastronomen einen zweiten Lockdown nicht überstehen würde. Klaus Gunschmann, der in München die Fox Bar, den Club Goldener Reiter, und die Kneipen Goldkettchen und Babe Bar betreibt, schließt sich der Schätzung an: „Die Hälfte meiner Kollegen, die sind jung, die haben nicht mehr als 5000 Euro auf dem Konto, die gehen dann pleite.“ Auch wenn der Sommer bei vielen Restaurants mit Außenflächen recht gut lief, hat es bei den meisten nicht gereicht, um wieder Reserven aufzubauen.

„Mit den Einnahmen aus dem Sommer mussten wir die Löcher vom Frühjahr stopfen“, sagt Shahram Fardin, der das Café Soda in der Münchner Maxvorstadt leitet. In München ist die Sperrstunde besonders hart: Statt um 23 Uhr wie in Mainz und den meisten anderen Risikogebieten müssen die Kneipen und Restaurants in München derzeit schon um 21 Uhr schließen. Gunschmann hat im Moment nur die Fox Bar geöffnet, seine zwei anderen Bars sind zu klein, um Abstand halten zu können, sein Club muss ohnehin geschlossen bleiben. Die Fox Bar laufe auf 20 Prozent, sagt er. Und: „Neun Uhr schließen zu müssen, das ist eine Frechheit.“ Das Café Soda von Shahram Fardin hat in normalen Zeiten bis drei Uhr nachts auf. „Ab zehn Uhr abends machen wir eigentlich den meisten Umsatz“, sagt Fardin.

100 Euro Umsatz an einem ganzen Abend

Am Morgen hat sich Fardin mit den anderen Gastronomen in der Türkenstraße unterhalten. Eine Restaurantinhaberin, erzählt Fardin, hätte den Abend zuvor 100 Euro Umsatz gemacht, andere hätten nicht mal das geschafft. Nur ein zweiter Lockdown könne es noch schlimmer machen. Fardin und Gunschmann haben in den vergangenen Monaten Gastronomien sterben sehen, die mehr als hundert Jahre lang ihre Besucher bewirtet hatten.

Nach einem halben Jahr Pandemie hat sich ein Gefühl der Machtlosigkeit unter den Gastronomen ausgebreitet. Fardin sitzt vormittags in seinem Büro und versucht wenigstens den Tag zu planen. Weiter zu denken bringe ja nichts. Gunschmann sagt: „Wir sind einfach immer die Blöden.“ Kilic von der „Oma Else“ fühlt wie die Motivation bei ihm und seinen Mitarbeitern schwindet. „Wofür mache ich das alles noch?“, fragt er. „Es hilft ja doch nichts.“

1500 Gastronomen wollen gegen die Länder klagen

Patrick Rüther, der sich stundenlang über die harte Haltung der Bundesregierung gegenüber der gesamten Gastronomie aufregen könnte, hat sich in den vergangenen Monaten noch besser vernetzt als er es davor schon war. Zusammen mit der Verbraucherschutzkanzlei Gansel Rechtsanwälte und anderen Gastronomen hat er Sammelklagen gegen die Bundesländer und inzwischen auch gegen Betriebsschließungsversicherungen initiiert.

Die Cafés, Restaurants und Bars, argumentieren die Anwälte von Gansel, hätten ein Sonderopfer gebracht in der Pandemie, dafür sollte es eine Entschädigung geben. Mehr als 1500 Gastronomen haben sich den Sammelklagen gegen die Länder angeschlossen. Im November soll es losgehen. Ein zweiter Lockdown, sagt Paul Czakert von der Kanzlei Gansel Rechtsanwälte, würde die Gräben zwischen den Gastronomen und den Ländern nur weiter vertiefen.

40,5 Prozent weniger Umsatz

Um 40,5 Prozent sei der Umsatz der Gastronomen von März bis August im Vergleich zum Vorjahreszeitraum gefallen, hat das Statistische Bundesamt am Montag mitgeteilt. Die Beschäftigtenzahlen in der Gastronomie seien um 17,6 Prozent gesunken.

Es sind nicht nur die unabhängigen Restaurants, Cafés und Bars, die angesichts dieser Zahlen aufbegehren, auch die Systemgastronomie hat sich am Dienstag zu Wort gemeldet. Die Hauptgeschäftsführerin des Bundesverbands Systemgastronomie, Andrea Belegante, ließ sich mit den Worten zitieren: „Es ist schlicht nicht mehr nachvollziehbar, weshalb die (System-)Gastronomie abermals an den Rand des wirtschaftlichen Zusammenbruchs gedrängt wird.“

Belagante vertritt unter anderen McDonald’s, die Pizzeria-Kette L’Osteria, die Café-Kette Starbucks und Nordsee. Sie argumentiert ähnlich wie es sämtliche Vertreter der Branche tun: Die Gastronomie sei kein Infektionsherd, vielmehr könnten in den Restaurants, Cafés und Bars kontrollierte Treffen und Begegnungen stattfinden.

Fardin vom Münchner „Café Soda“ wird sauer, wenn er an die Partys denkt, die in der Studentenvereinigung direkt über seinem Café stattfinden, nachts, wenn er schon längst schließen musste: „Ich sehe das doch immer, die sitzen da zu zwanzigst und besaufen sich. Trotzdem sagt man immer als Erstes, die Gastronomie muss zumachen.“ Fardin spricht von dem Sonderopfer seiner Branche, mit dem auch Gansel Rechtsanwälte argumentiert.

„Bei der Staatshaftung sehen wir gerade ein Umdenken“, sagt Anwalt Paul Czakert von der Kanzlei. Die Sperrstunde in Berlin sei schon gekippt worden und obwohl Entschädigungen für die Schließungen bisher abgelehnt worden seien: Aus neueren Gerichtsentscheidungen hätte man keine kategorische Ablehnung einer staatlichen Entschädigungspflicht herauslesen können. Es gebe also guten Grund, optimistisch zu sein.

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