Wissenschaft

#Hirnflexibilität erhöht Wirksamkeit von Cochlea-Implantaten

„Hirnflexibilität erhöht Wirksamkeit von Cochlea-Implantaten

Cochlea-Implantate ermöglichen es tauben Menschen zu hören. Wie schnell und wie gut das Implantat jedoch die Hörfähigkeit verbessert, ist individuell sehr unterschiedlich. Eine Studie mit Ratten weist nun darauf hin, dass Unterschiede in der Anpassungsfähigkeit des Gehirns darüber bestimmen, wie schnell das Gehirn die Signale des Implantats integrieren kann. Stimulierten die Forscher bei Ratten mit Cochlea-Implantat die Aktivität einer Hirnregion, die für die Neuroplastizität wichtig ist, konnten die Tiere bereits nach wenigen Tagen akustische Aufgaben lösen. Weitere Studien sollen klären, inwieweit ähnliche Strategien auch bei Menschen das Ansprechen auf Cochlea-Implantate verbessern können.

Bei Menschen, die gehörlos geboren wurden oder vollständig ertaubt sind, bieten gewöhnliche Hörgeräte, die Schall lediglich verstärken, keinen Nutzen. Sofern ihr Hörnerv aber intakt ist, kommt für sie ein Cochlea-Implantat in Frage. Diese Hörprothese stimuliert den Hörnerv direkt über implantierte Elektroden. Im Rahmen eines Hörtrainings nach der Implantation trainieren die Betroffenen ihr Gehirn darauf, die neuen Signale zu deuten und als Geräusche, Töne und Sprache wahrzunehmen. Dabei gibt es allerdings große individuelle Unterschiede. Während manche Menschen bereits wenige Stunden nach Erhalt des Geräts Sprache verstehen, brauchen andere Jahre dafür. Obwohl bereits bekannt ist, dass Menschen, die erst kürzlich ertaubt sind, meist am schnellsten mit dem Implantat zurechtkommen, sind die genauen Mechanismen, wie sich das Gehirn an das Implantat anpasst, noch unbekannt.

Ratten mit Cochlea-Implantat

Ein Team um Erin Glennon von der New York University in den USA hat nun bei Ratten erforscht, welche Mechanismen bei der Gewöhnung an das Cochlea-Implantat eine Rolle spielen und wie sich die Wirksamkeit erhöhen lässt. Dazu trainierten die Forscher normal hörende Ratten zunächst auf eine Aufgabe, die genaues Hören erforderte: Hörten die Tiere einen bestimmten Ton, mussten sie einen Knopf drücken, um Futter zu erhalten. Drückten sie den Knopf fälschlicherweise bei einem anderen Ton, wurden weitere Versuche für eine Weile gesperrt – und damit auch ihre Belohnung.

Nachdem die Ratten diese Aufgabe zuverlässig meistern konnten, zerstörten die Forscher ihr Gehör und setzten ihnen ein Cochlea-Implantat ein. Zusätzlich platzierten sie eine feine Glasfaser im Locus coeruleus der Tiere. Dabei handelt es sich um eine Hirnregion im Hirnstamm von Säugetieren, die den anregenden Botenstoff Noradrenalin produziert und freisetzt und auf diese Weise zur Neuroplastizität beiträgt. Mit Hilfe von Fluoreszenzmarkern sorgten die Forscher dafür, dass diese Region bei Aktivität leuchtet. Durch die nach außen führende Glasfaser konnten sie auf dieser Weise die Aktivität des Locus coeruleus verfolgen.

Schnelleres Lernen dank Hirnstimulation

Nach dieser Operation trainierten die Forscher die Ratten erneut darauf, die zuvor gelernte Aufgabe zu erfüllen. Einige Tiere konnten die Aufgabe mit Hilfe des Implantats bereits nach einem Tag wieder lösen, andere dagegen brauchten mehr als zwei Wochen. Es zeigten sich damit ähnliche individuelle Unterschiede wie bei menschlichen Cochlea-Implantat-Trägern. Gleichzeitig stellten die Forscher fest, dass der Locus coeruleus offenbar tatsächlich am Lernprozess beteiligt war: Zunächst war die Region am aktivsten, wenn die Ratten nach einer korrekten Reaktion das Futter erhielten. Nachdem die Tiere jedoch gelernt hatten, den Ton mit der Belohnung zu verbinden, entstand die Aktivitätsspitze des Locus coeruleus bereits beim Erklingen des Tons. Je eher diese Veränderung eintrat, desto schneller konnten die Ratten zuverlässig richtige von falschen Tönen unterscheiden.

„Wir stellten daher die Hypothese auf, dass sich die Gewöhnung an das Cochlea-Implantat beschleunigen ließe, wenn wir den Locus coeruleus zu einem frühen Zeitpunkt des Trainings künstlich aktivieren, sobald der richtige Ton erklingt“, erklären die Forscher. Und tatsächlich: Stimulierten Glennon und ihr Team den Locus coeruleus bei einer neuen Gruppe von Ratten immer dann, wenn der richtige Ton erklang, waren alle auf diese Weise behandelten Tiere nach spätestens drei Tagen in der Lage, die Aufgabe zuverlässig korrekt zu lösen.

Weiter Weg zur Anwendbarkeit bei Menschen

„Unsere Ergebnisse deuten darauf hin, dass die Verbesserung der Neuroplastizität im Locus coeruleus die Wirksamkeit von Cochlea-Implantaten beschleunigen und verstärken kann“, sagt Glennons Kollege Robert Froemke. Als nächstes plant das Team, Möglichkeiten zu finden, wie sich diese Hirnregion auch bei Menschen stimulieren lässt, um womöglich eine bessere Anpassung des Gehirns an ein Cochlea-Implantat zu ermöglichen.

Die Herausforderung besteht dabei zum einen darin, nicht-invasive Möglichkeiten der Stimulation zu finden. Zum anderen muss zunächst geklärt werden, inwieweit sich die Ergebnisse von den Ratten überhaupt auf Menschen übertragen lassen. Während die Ratten im Experiment lediglich einfache Töne voneinander unterscheiden mussten, sind die Anforderungen bei Menschen deutlich höher, etwa, wenn sie differenzierte Sprachmuster erkennen oder sich in einer lauten Umgebung auf einen bestimmten Gesprächspartner fokussieren wollen. Weitere Studien sind erforderlich, um die daran beteiligten Prozesse genauer zu verstehen.

Quelle: Erin Glennon (New York University, USA) et al., Nature, doi: 10.1038/s41586-022-05554-8

Wenn Ihnen der Artikel gefallen hat, vergessen Sie nicht, ihn mit Ihren Freunden zu teilen. Folgen Sie uns auch in Google News, klicken Sie auf den Stern und wählen Sie uns aus Ihren Favoriten aus.

Wenn Sie an Foren interessiert sind, können Sie Forum.BuradaBiliyorum.Com besuchen.

Wenn Sie weitere Nachrichten lesen möchten, können Sie unsere Wissenschaft kategorie besuchen.

Quelle

Ähnliche Artikel

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Schaltfläche "Zurück zum Anfang"
Schließen

Please allow ads on our site

Please consider supporting us by disabling your ad blocker!