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#Zur Fragestunde von Anne Will und Angela Merkel

Zur Fragestunde von Anne Will und Angela Merkel

Die Bundeskanzlerin hat vergangene Woche die Bürger um Verzeihung gebeten. Sie tat es für eine falsche Entscheidung, die übereilt, übernächtigt und offenbar ohne ausreichende Rücksprache mit Staats- und Verwaltungsrechtlern getroffen wurde. Diese Entscheidung für eine Osterruhe mit zwei zusätzlichen Feiertagen hatte sie allerdings nicht alleine getroffen. Und es war im Zusammenhang misslungener Entscheidungen im Kampf gegen die Pandemie auch gewiss nicht der gravierendste Irrtum. Um wie viel Verzeihung müssten im Vergleich dazu denn beispielsweise diejenigen bitten, die beim Bestellen von Impfstoff so zurückhaltend waren?

Jürgen Kaube

Bei Anne Will, mit der sie am Sonntagabend in einen Dialog über die zurückliegenden Woche eintrat, bezeichnete die Bundeskanzlerin die „Verunsicherung“, in die das Land gestürzt worden sei, als den Grund dafür, um Verzeihung gebeten zu haben. Doch das war der schwächste Punkt des Dialogs. Denn welche Verunsicherung gab es denn überhaupt? Die nicht zu wissen, wann die Leute vor Ostern einkaufen sollen? Gewiss ein existentielles Problem ersten Ranges. Aber doch vielleicht zu bewältigen. Ist nicht vielmehr die Blauäugigkeit oder Indifferenz oder Untätigkeit des vergangenen Sommers und Herbstes etwas, das auf der Liste der verzeihungsbedürftigen Einstellungen ganz oben steht?

So ein Stückchen: Angela Merkel war es bei Anne Will auch darum zu tun, die vermeintlichen Fortschritte der Impfkampagne zu würdigen.


So ein Stückchen: Angela Merkel war es bei Anne Will auch darum zu tun, die vermeintlichen Fortschritte der Impfkampagne zu würdigen.
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Bild: NDR/Wolfgang Borrs

Merkels Gespräch war eines, das sich gegen naive Einstellungen richtete. Das Testen alleine helfe nicht. „Testen und bummeln“, wie es in Berlin heiße, der Glaube daran fehlt ihr. Sie deutete an, dass selbst zweimaliges Testen an den Schulen nur ein Mindestgebot sei.

Auch mit den Unternehmen scheint sie in puncto verpflichtendes Home-Office allmählich die Geduld zu verlieren. Das Infektionsschutzgesetz müsse eventuell so überarbeitet werden, dass bundeseinheitliche Standards durchgesetzt werden. Doch auch das müsse nicht nur durch den Bundestag, sondern auch durch den Bundesrat. Dort sähe sich Angela Merkel auch eigenen Parteifreunden gegenüber, dem experimentierfreudigen Ministerpräsidenten aus dem Saarland beispielsweise.

Ruhig, sachlich, abgeklärt, Anne Will.


Ruhig, sachlich, abgeklärt, Anne Will.
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Bild: NDR/Wolfgang Borrs

Merkel sieht nicht alle ihrer Kollegen auf der Höhe des Ernstes, den die Lage gebietet. Sie nennt zunächst selbstverständlich keine Namen, denn es wären Nahestehende darunter. Doch wenn der Ernst der Lage so bedeutend ist, kann die Schonung von Ministerpräsidenten dann das letzte Wort sein? An dieser Stelle wird Merkel doch sehr deutlich: Greift sie durch, wird sie autoritär gescholten, greift sie nicht durch, wird Unentschlossenheit beklagt.

Der einen ihr Lauterbach (SPD), ist der anderen ihr Hans (CDU). Für Merkel entbehrt die saarländische Strategie ihres Parteikollegen einer stabilen Zahlengrundlage. Auch Tübingen und Rostock geben für sie derzeit den Weg vor, so sehr Merkel die kommunale Politik Boris Palmers (Grüne) lobt. Selbst Armin Laschets großzügiger Umgang mit dem Begriff „Notbremse“ findet sie nicht hilfreich. Die Rollenverteilung, in der das Kanzleramt für die Strenge und die Bundesländer für die Lockerheit zuständig sind, passt ihr nicht. Das Gespräch mit Anne Will war auch ein skizzenhaftes Seminar über politische Entscheidungsprozesse. Es ist immer mehr zu berücksichtigen als das, was Kommentatoren des Geschehens für wünschbar halten.

Die Einsicht in ihre vielfältigen Rücksichtnahmen führt nicht automatisch dazu, die gewählten Optionen für richtig zu halten. So bringt Merkel vor, das „Konzentrieren auf sich selbst“ sei keine gute Strategie. Doch dass es Leben sind, die es kostet, wenn die Solidarität hochgehalten wird, kam in der Verteidigung der EU durch Merkel nicht vor. Eine Antwort darauf, weshalb in Großbritannien etwas möglich ist, was auf dem Kontinent nicht geht, gab die Bundeskanzlerin nicht.

So war das vor fünfeinhalb Jahren. Die Raute stimmt. Angela Merkel und Anne Will im Oktober 2015.


So war das vor fünfeinhalb Jahren. Die Raute stimmt. Angela Merkel und Anne Will im Oktober 2015.
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Bild: dpa

Gefragt nach dem sinkenden Vertrauen in die Bundesregierung, versetzte Merkel einerseits, die Leute seien müde. Andererseits verwies sie auf andere Länder, denen es auch nicht besser gehe, sondern oft eher schlechter. Doch in der Pandemie und wenn es ums Sterben geht, ist geteiltes Leid nicht halbes Leid. Vielleicht sind es auch gar nicht die Zahlenwerte, die das Vertrauen sinken lassen. Anne Will listete zu Recht das Hin und Her der Entscheidungen auf, die widersprüchlichen Haltungen, die zögerliche Auszahlungen, die Bereicherung von Unionsabgeordneten und vieles mehr.

Die Bundeskanzlerin hatte in ihrer Erklärung vom vergangenen Mittwoch außerdem gesagt, sie übernehme die Verantwortung für die falsche Entscheidung vom Montag. Eine Antwort auf die Frage, was genau das heißen soll, blieb bei Anne Will aus.

Denn die Frage danach wurde gar nicht gestellt. Wie so oft, wenn Verantwortung für etwas übernommen wird. Ehedem waren mit Verantwortungsübernahmen oft Rücktritte verbunden. Das gilt zur Zeit nicht. Die letzten beiden Kabinette Angela Merkels gehören zu den rücktrittslosesten in der Geschichte der Bundesrepublik. Herr Spahn und Herr Scheuer bilden gerade sogar eine Task-Force. Wenn auf ihre Entfernung verzichtet wird, hängt das aber mit dem Umstand zusammen, dass es sich um das letzte Kabinett Merkels handelt. Für unsachliche Gesichtspunkte wie die Beurteilung ihres Personals, hat Merkel gar keine Zeit mehr.

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