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#Zweck und Vorwand

„Zweck und Vorwand“

Stiftungen haben eine gänzlich unmenschliche Eigenschaft. Sie sind unsterblich. Einmal errichtet sind sie in aller Regel nicht totzukriegen. Nur dann, wenn die Erfüllung ihrer Zwecke endgültig nicht mehr infrage kommt oder diese das Gemeinwohl gefährden, sind ihre Organe oder die staatliche Stiftungsaufsicht verpflichtet, sie aufzuheben. Als besonders widerständig erweist sich derzeit die Stiftung Klima- und Umweltschutz Mecklenburg-Vorpommern. Gegründet unter dem Vorwand ökologischer Ziele war ihr wirklicher Zweck ein anderer: die Sicherung des Pipeline-Ausbaus Nord Stream 2 unter Umgehung möglicher US-Sanktionen. Dazu unterhielt sie einen eigenen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb.

Wer die Idee zur Stiftung hatte, ist umstritten. Viel spricht dafür, dass sie aus dem tiefen Osten kam. Das Bundesland investierte das Grundstockvermögen: symbolische 200 000 Euro. 20 Millionen Euro kamen von der Schweizer Nord Stream 2 AG, einem Unternehmen, hinter dem Gazprom steht und somit mehrheitlich der russische Staat. Landtag und Landesregierung feierten das Projekt. Stiftungsexperten rümpften hingegen die Nase. Staatsstiftungen gelten aus allerlei Rechtsgründen als fragwürdig. Nach Russlands Überfall auf die Ukraine herrscht allenthalben Katerstimmung. Die noch immer nicht transparenten Umstände der Errichtung der Stiftung, deren vorgespielte Gemeinnützigkeit, die unklaren steuerlichen Konsequenzen der Vereinnahmung der russischen Gelder sowie nicht zuletzt die engen Moskauverbindungen ihres Vorsitzenden, des ehemaligen Ministerpräsidenten Erwin Sellering, lassen sie in trübem Licht erscheinen. Ministerpräsidentin Manuela Schwesig will sie schnell wieder auflösen. Ihr Vorgänger wehrt sich dagegen.

Ökologie als Camouflage

Im Kampf um ihr Überleben hat die Stiftung ein Gutachten in Auftrag gegeben. Am vergangenen Freitag wurde es präsentiert. Seine Autorin ist die Bochumer Rechtswissenschaftlerin Katharina Uffmann. Ihre Ergebnisse kommen für Sellering wie bestellt. Uffmann in Summe: Eine Auflösung oder Aufhebung der Stiftung als Reaktion auf den Angriffskrieg Russlands ist nicht zulässig. Die Satzung gibt dem Vorstand kein Auflösungsrecht. Die Stiftungsaufsicht darf nicht einschreiten, weil von Unmöglichkeit der Erfüllung des Stiftungszwecks keine Rede sein kann. Der für Uffmann „eindeutige“ Zweck der Stiftung – Umwelt-, Klima- und Naturschutz – lässt sich nach wie vor verfolgen. Gemeinwohlgefährdend oder sittenwidrig war und ist da nichts.

Die Nord Stream 2 AG ist ein normales Unternehmen. Ohnehin sind Zuwendungen vor dem Krieg geflossen. Mit dem Fall des verurteilten Kindesmörders Magnus Gäfgen, dem 2006 die Errichtung einer Kinderschutzstiftung wegen der negativen Konnotation seiner Person versagt wurde, ist der Nord-Stream-Fall demnach nicht zu vergleichen (womöglich deshalb nennt ihn Uffmann stets „Markus Gäffken“). Durch die Anerkennung der Stiftung als rechtsfähig hat die zuständige Stiftungsbehörde – so Uffmann – festgestellt, dass deren Zwecke das Gemeinwohl nicht gefährden. Nachträgliche Umstände, die diese Entscheidung in einem anderen Licht erscheinen lassen, gibt es nicht. Der Krieg jedenfalls tut nichts zur Sache.

Wer die Scholastik liebt, kann so argumentieren. Resultate, die in Wahrheit nicht überzeugen, nennen Rechtskundige gern „vertretbar“. Tatsächlich drängt sich jedoch ein Gedankenexperiment auf. Man stelle sich vor, die Stiftung solle heute mit dem Wissen um die wahren Zusammenhänge neu errichtet werden. Wäre es da von der Hand zu weisen, dass die ökologischen Zwecke bloß Camouflage der Russlandpolitik der Landesregierung und mithin eine Form von Scheingeschäft waren? Dürfte man noch immer Geld für die Unterstützung eines Projektes annehmen, das keineswegs eine rein privatwirtschaftliche Initiative war, sondern Teil einer geopolitischen Strategie, die es Russland ermöglichen solle, die Ukraine als Durchleitungsland für Gas nach Europa zu umgehen und damit buchstäblich auszubluten? Würde sich nicht gar der Verdacht einer sittenwidrigen Komplizenschaft mit Putins verbrecherischer Politik der Vernichtung ganzer Staaten und politischer Bestechlichkeit aufdrängen?

Man staunt, dass all dies nicht genügen soll, um den Stecker bei einer Stiftung zu ziehen, die ein Wechselbalg Putins ist, und das nur deshalb nicht, weil es erst jetzt zutage tritt. Man hätte schon früher besser hinschauen müssen. Für die nächsten Tage ist ein weiteres Gutachten angekündigt. Die Landesregierung hat es in Auftrag gegeben. Es soll die Aufhebung der Stiftung legitimieren. Das dürfte unschwer gelingen.

Der Autor ist Notar in Hamburg und Honorarprofessor an der Universität Kiel.

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