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Amerikaner auf der Flucht

„Es bleiben nur zwei Reaktionen, wenn du in dich vor einer Gefahr ängstigst: Steh deinen Mann und kämpfe, oder nimm alle Kraft zusammen und renn!“ Es gibt Amerikaner und Amerikanerinnen, die ernsthaft erwägen, ihr Land nach einem möglichen Wahlsieg Donald Trumps zu verlassen, aber noch gibt es mehr, die dazu aufrufen, unbedingt dazubleiben und alles Erdenkliche für die Abwahl Donald Trumps zu tun. Man kann nicht sicher sein, wie sie zum Jahresende denken und was sie tun werden, wenn das schiefgehen sollte. Als George W. Bush in den Krieg zog, spekulierten New Yorker Freunde, ob sie nicht nach Deutschland kommen sollten – er ein Nachfahre deutscher Auswanderer, sie aus einer jüdischen Familie stammend. Nun entpuppt sich Bush junior im Rückblick als erträglicher Konservativer im Vergleich zu seinem Nachnachfolger, der alles daransetzt, die auf ihn gemünzten Faschismus-Analogien zu bestätigen.

Das Eingangszitat stammt von einer Audrey M. Edwards, geboren 1947 in Tacoma im Staat Washington. Am Abend der Wahl Trumps zum 45. Präsidenten der Vereinigten Staaten hat sie den Entschluss, wegzurennen, verwirklicht und ist ins Pariser Exil gegangen. Ihre Karriere hat sie im Community News Service begonnen, einer von Afroamerikanern und Puertoricanern geleiteten Nachrichtenagentur. 1981 war sie Herausgeberin des „Essence“-Magazins, wechselte ins Immobiliengeschäft, unterrichtete Journalismus an New Yorker Unis, tauchte in Fernsehshows auf und beschrieb Erfolgsmuster schwarzer Frauen. Sie selbst war das beste Exempel für Aufstiegsmöglichkeiten, die sich seit den 1960er Jahren geboten haben. Warum also abhauen? Weil sie mit nun über siebzig Jahren nicht miterleben wollte, wie ein Rassist (und Sexist) im Weißen Haus mit einer Meute gewalttätiger Anhänger im Schlepptau diese Errungenschaften ruinieren würde.

Amerikanische Bürger überlegen schon laut

Audrey Edwards weiß um ihre Privilegien. Ähnlichkeiten ihrer Laufbahn mit der von Trump sind unverkennbar, auch wenn sie nie dessen Prominenz und Hochmut erreicht hat. „Historisch gesehen, war Weglaufen ein revolutionärer Schachzug und eine wertvolle Fähigkeit in der schwarzen Gemeinschaft. Damals hatten wir gute Gründe, zu rennen: um unser Leben zu retten. Reclaim our spirits: Be free“, schrieb sie 2017 in einem Blog. Jetzt hat sie ihre Erfahrungen als Expat in Paris aufgeschrieben (American Runaway: Black and Free in Paris in the Trump Years, August Press).

Andere amerikanische Bürger überlegen schon laut: Jericho Brown, 1976 in Louisiana geborener, vielfach preisgekrönter Black Poet (The Tradition, 2019), startete eine Twitter-Rundfrage, in welchem Land eine schwarze und queere Person in einer Gesellschaft schwarzer Queerer am sichersten leben könnte. Eine Kolumnistin der „New York Times“, Jennifer F. Bolan, lernt Litauisch, weil Litauen der Ort ist, der am nächsten zu Ostpreußen liegt, wo ihre Vorfahren gelebt haben. Titel ihrer Kolumne: Eine ganze Generation überlegt abzuhauen.

Wohin als schwarzer, queerer Mensch? Lyriker Jericho Brown ließ Twitter abstimmen.


Wohin als schwarzer, queerer Mensch? Lyriker Jericho Brown ließ Twitter abstimmen.
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Bild: Picture-Alliance

Das ist übertrieben, aber die Fluchtreflexe demonstrieren, wie Bürgerkriegsszenarien das Land in eine diffuse Angst und manche in eine ganz konkrete Furcht versetzt haben. Das nicht zu Alarmismus neigende Blatt „USA Today“ brachte nach der Serie von Polizeimorden eine Reportage über Zielorte von Afroamerikanern, die das Land aus Frust und auf der Suche nach besserer Arbeit oder weniger gefährdetem Leben verlassen haben. Sie reichten von der Karibik über Europa bis nach Afrika. Auch in jüdischen Familien erinnert man sich an den Spruch, man sitze auf gepackten Koffern.

Audrey Edwards’ mit leichter Hand geschriebene Pariser Notizen, auf den Spuren berühmter Vorläufer von Josephine Baker, Richard Wright und James Baldwin, Gertrude Stein und Ernest Hemingway und vielen anderen zeigen, dass sich die Fluchtrichtung seit den 1930er Jahren umgedreht hat, wobei die Rassismus-Debatte in den Vereinigten Staaten auch zu europäischer Selbstreflexion Anlass gibt. Edwards’ Exil ist ganz untypisch für die aktuellen Flüchtlingsbewegungen weltweit, und ihre bisweilen oberflächlichen Beobachtungen demonstrieren, mit welchen Stereotypen im Kopf Amerikaner immer noch in die Alte Welt kommen. Ganz ist sie Amerika ohnehin nicht entkommen. Zu präsent ist dessen Populärkultur, zu naheliegend ein Zusammenschluss zu „Schwarzen Salons“ an der Seine und Frauen-Märsche gegen die Internationale der Misogynen. Ihr Bericht ist ein unterhaltsames Zeitdokument und ein Menetekel, was einem alles blühen kann. Testfrage: Wohin würde man im Fall des Falles selbst gehen?

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