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#AOK reißt Krankenkassenfinanzen tief ins Minus

AOK reißt Krankenkassenfinanzen tief ins Minus

Im Gesundheitswesen gibt es derzeit fast nur ein Themenfeld, die Bewältigung der Corona-Pandemie, die Lage in den Krankenhäusern, die Würdigung der Pflegekräfte. In den Hintergrund gerät dabei die unsichere Finanzierung der künftigen Versorgung. In den Kranken- und Pflegekassen klaffen gewaltige Lücken, die nur mit viel Mühe gestopft werden können: mit erhöhten Beiträgen, dem Rückgriff auf Reserven, vor allem aber aus Steuermitteln. Der ohnehin hohe Bundeszuschuss zur gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) verdoppelt sich 2022 auf 28,5 Milliarden Euro.

Doch die Hiobsbotschaften reißen nicht ab. Allein der Platzhirsch am Markt, die Allgemeinen Ortskrankenkassen (AOK), melden für das zurückliegende Jahr ein nie dagewesenes Defizit. Es ist sogar höher als die Rekordunterdeckung aller Kassen zusammen zu Beginn der Zweitausenderjahre. 2002 und 2003 überstiegen in sämtliche Versicherungen zusammengenommen die Ausgaben die Einnahmen um rund 3,4 Milliarden Euro. Dann folgten fünfzehn Jahre, in denen es vorwiegend Überschüsse gab, bis 2019 die Rechnung wieder ins Minus drehte. 2020 sah es mit minus 2,7 Milliarden Euro besonders übel aus. Doch das ist nichts gegen die Horrorzahlen der AOK für 2021, die der F.A.Z. vorliegen.

Diesen vorläufigen Daten zufolge betrug die Finanzierungslücke im vergangenen Jahr sage und schreibe 4,1 Milliarden Euro. Das waren noch einmal 1,5 Milliarden Euro mehr, als die AOK in den ersten drei Quartalen ausgewiesen hatte. Und es bedeutete eine Vervierfachung des AOK-Defizits von 2020. Zum Vergleich: 2019 hatte das Finanzloch des Verbunds nur 121 Millionen Euro betragen, 2018 und 2017 waren sogar satte Überschüsse von mehr als einer Milliarde Euro angefallen.

Andere Kassen ebenfalls im Minus

Die anderen Verbände, etwa jene der Ersatz-, Betriebs- und Innungskrankenkassen, haben ihre Zahlen noch nicht veröffentlicht. Bis zum dritten Quartal lagen aber auch sie im Minus, mit Ausnahme der kleinen Landwirtschaftskassen und der großen Ersatzkassen. Das Gesamtsystem hatte damals minus 3,2 Milliarden Euro ausgewiesen. Selbst wenn der Ersatzkassenverband seine geringen Überschüsse von 70 Millionen Euro im vierten Quartal ausgebaut haben sollte, sind angesichts der überwältigend schlechten AOK-Daten keine grundlegenden Verbesserungen in den GKV-Finanzen zu erwarten. 2021 könnte damit als eines der schlechtesten oder vielleicht sogar als das schlechteste Jahr überhaupt in die GKV-Geschichte eingehen.

Neben der AOK hat auch die kleine Knappschaft ihre Jahreszahlen präsentiert. Bei ihr fiel ein Defizit von 104 Millionen Euro an, etwas weniger als 2020 mit damals 138 Millionen. Knappschafts-Geschäftsführerin Bettina am Orde stellt klar, dass die Belastungen nicht an der Corona-Pandemie lagen. Es habe, im Gegenteil, eine „pandemiebedingte Zurückhaltung der Versicherten bei der Inanspruchnahme von Versicherungsleistungen“ gegeben, sagte Orde am Freitag.

Vielmehr habe der Fehlbetrag mit der Vermögensabgabe zu tun, also dem Rückgriff in die Reserven. Diesen hatte die zurückliegende Bundesregierung mit Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) den Kassen auferlegt, um die GKV-Finanzen zu stabilisieren. Der Grund dafür war, dass die Kassenrücklagen ein Mehrfaches der gesetzlich vorgeschriebenen Mindestreserve betrugen, die Spahn nachvollziehbarer Weise zunächst einmal abschmelzen wollte, bevor er andere Finanzierungswege beschritt, etwa Beitragserhöhungen.

AOK „überproportional“ belastet

Orde bemängelte, dass solche Kassen besonders tief in die Tasche hätten greifen müssen, „die in der Vergangenheit sparsam mit Versichertengeldern umgegangen waren“. Die Knappschaft habe 187 Millionen Euro an den Gesundheitsfonds abführen müssen. Über alle Kassen hinweg betrug die Vermögensabgabe 8 Milliarden Euro. Orde forderte: „Die Krankenkassen brauchen umgehend eine verlässliche Finanzierungsgrundlage und Planungssicherheit für die kommenden Jahre.“

Als stark gebeutelt empfinden sich auch die Ortskrankenkassen, die ebenfalls Sondereffekte als Erklärung für das schlechte Abschneiden ins Feld führen. Die AOK-Gemeinschaft sei „überproportional“ von der Auflösung der Finanzrücklagen belastet worden, nämlich mit 4,2 Milliarden Euro, sagte die neue Vorstandsvorsitzende des AOK-Bundesverbands Carola Reimann. Des Weiteren habe sich die Neuordnung des so genannten Risikostrukturausgleiches (RSA) auf die AOK-Familie besonders negativ ausgewirkt.

Der RSA ist eine Art Finanzausgleich unter den Kassen, der sicherstellen soll, dass Versicherungen mit überdurchschnittlich vielen kranken Menschen keine Wettbewerbsnachteile erleiden. Die Reform muss der AOK zufolge aber überarbeitet werden, da sie „erhebliche Risikoselektionsanreize“ biete. Diese gingen „besonders zulasten sozialpolitisch schutzbedürftiger und vulnerabler Menschen“.

Was die künftige Kassenlage angeht, warnte Reimann: „Nun sind unsere Rücklagen zu großen Teilen aufgebraucht.“ Gleichzeitig sei nach der Corona-Welle „in nächster Zeit mit kräftigen Nachholeffekten und einem Anstieg der Ausgaben zu rechnen“. Darauf müsse die neue Bundesregierung reagieren, so die Verbandschefin: „Angesichts unserer geschwächten Finanzbasis und einer verschlechterten Wettbewerbsposition erwarten wir von der Politik deutliche Signale zur finanziellen Stabilisierung.“

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