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Aus Liebe zum Land

Ein heißer Spätsommertag in München. Vor dem Kriegerdenkmal im Hofgarten, rechts die prächtige Bayrische Staatskanzlei, links der weitläufige Renaissancegarten. Auf einer Bank im Schatten sitzt Malek Mansour und erzählt von seinem ersten Ankommen in der Stadt. Anfang August war das, im deutschen Schicksalsjahr 2015: An den Gleisen standen da noch keine applaudierenden Menschen, noch hatte Bundeskanzlerin Merkel ihre berühmt-berüchtigten drei Worte nicht gesagt, noch war von ihr das Dublin-Verfahren nicht ausgesetzt worden. Einen knappen Monat zu früh also stand Malek Mansour mit fünf Euro in der Hand am Münchner Hauptbahnhof und kaufte sich davon erst einmal eine Bretzel. FC Bayern-Fan ist der Archäologiestudent aus Aleppo schon lange, auf die Allianz Arena hat er sich ganz besonders gefreut, aber stattdessen kommt er jetzt erst einmal in eine Erstaufnahmestelle mit mehr als dreitausend anderen Geflüchteten.

Seinen syrischen Pass gibt er bei den Offiziellen ab, die ihn im Eifer des organisatorischen Ausnahmezustandes verlegen. Enttäuscht vom Versagen der heilig geglaubten deutschen Bürokratie, muss er sechs Tage warten, bevor er zunächst in eine Karlsruher Konzertarena, dann in eine ehemalige Kaserne in Sigmaringen und schließlich in eine Sporthalle in Nürtingen verlegt wird. Bei der Essensausgabe lernt er dort seine spätere Freundin, bei der Deutschnachhilfe einen älteren Herren kennen, der in der FDP ist und ein inhabergeführtes Kaufhaus in der Nähe betreibt. Zwei Deutsche, die sich ehrenamtlich für die Eingemeindung der Geflüchteten einsetzen und zumindest in Mansours Fall sehr erfolgreich sind: Bald schon spricht er seine deutschen Worte schwäbisch aus, bekommt einen Aufenthaltsstatus, wohnt in einer kleinen Wohnung und trennt ordentlich den Müll.

Humbug und Hinterwäldler

Im März 2016 trifft er in einer Stadthalle auf jene Frau, die sein Leben durch ihre Politik verändert hat wie niemand anderes: Im Rahmen der baden-württembergischen Landtagswahl spricht Bundeskanzlerin Merkel in Nürtingen, und der staunende Malek Mansour sitzt im Publikum. Inzwischen „schafft“ er unbefristet in einer Bäckerei und hat zusammen mit seiner Freundin ein kleines Büchlein im Selbstverlag herausgebracht, das auf offenherzige Weise von den verschiedenen Stationen seiner Flucht erzählt. Es tut das in einer Sprache, die auf selbstbewusste Weise Redewendungen und Eigenarten des Deutschen benutzt, ohne streberhaft oder neunmalklug zu wirken: Begriffe wie „Humbug“, „Hinterwäldler“ oder „Ingrimm“ kommen bei Mansour genauso vor wie verschiedene Sprichworte: „Wenn du denkst, es geht nicht mehr, kommt irgendwo ein Lichtlein her“ oder „Wo auch immer du bist, sei die Seele deines Ortes“. Das Buch hat einen angenehmen Parlando-Ton, erzählt in einfachen, zugänglichen Worten von den wenig bekannten Details einer Flucht über die berüchtigte Balkanroute: Beispielsweise, dass die Schleuser dem, der das Schlauchboot steuert, die Gebühren erlassen oder es in deutschen Polizeistationen wirklich nach wie vor noch Leibesvisitationen am nackten Körper gibt.

Zum Bürger-Botschafter ernennen

Man sollte das Büchlein landesweit in Schulen verteilen und Mansour auch zu Lesungen und Gesprächskreisen einladen. Denn er verkörpert das Beste von dem, was mit dem Begriff „Flüchtling“ bezeichnet werden kann. Jetzt, wo Politik und Gesellschaft wieder mit bangem Blick auf den Nahen Osten und insbesondere auf Afghanistan schauen, wo Szenarien von neuen, umwälzenden Flüchtlingswellen entworfen werden, jetzt, wo die sogenannte Hilfsbereitschaft wieder sehr groß ist – um dann nach ein paar Monaten wieder sehr klein zu werden? –, jetzt sollte sich dieses Land mit Menschen wie Malek Mansour beschäftigen. Ihn zum Bürger-Botschafter ernennen, der anderen, ihm Nachfolgenden mit seiner unbedingten Disziplin und Eigenständigkeit als Vorbild dienen kann. Natürlich hat gelungene Integration immer etwas mit Bildung zu tun. Um ein Buch schreiben zu können, muss man Chancen auf eine pädagogische Prägung gehabt haben. Aber Mansour hat eben neben seinen Fähigkeiten auch Erfahrungen – Erfahrungen, die ihn mit einer ganzen Generation junger Menschen verbindet, die auf schwierige, zum Teil seelenschädigende Weise nach Deutschland gekommen sind und jetzt hier bleiben wollen. Sie sind angewiesen auf Fürsprecher – nicht nur im Milieu der alten, sondern auch der neuen Deutschen. Mansour wäre genau der richtige dafür.

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