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#Ausstellung zur Ruhrbesetzung in Essen

Es war, als wäre der Krieg zurückgekehrt. Im Januar des Jahres 1923 besetzten fünf französische Divisionen sowie mehrere belgische Einheiten das Ruhrgebiet. Die ehemaligen Kriegsgegner des Deutschen Kaiserreiches zogen mit Infanterie, Kavallerie, Panzer, Fahrradverbänden sowie mehreren mit Maschinengewehren ausgerüsteten Einheiten ins industrielle Herz der Weimarer Repu­blik. Die „Schweizer Illustrierte Zeitung“ brachte auf dem Titelblatt ihrer Ausgabe vom 20. Januar 1923 ein Foto, das einen französischen Panzer im Essener Stadtzentrum zeigt. Er ist umringt von Soldaten, von denen einer sich lässig an den Koloss lehnt, beide Hände aufs Metall gelegt, fast so, als wolle er den Panzer umarmen.

Etwa 130 Menschen kamen während der Ruhrbesetzung ums Leben. Sie wurden erschossen oder fielen Unfällen oder Anschlägen zum Opfer. Albert Leo Schlageter, ein ehemaliger nationalistischer Freikorps-Angehöriger, wurde wegen mehrerer Sprengstoffanschläge von einem französischen Militärgericht zum Tode verurteilt und hingerichtet. Die Nationalsozialisten ernannten Schlageter später zum „ersten Soldaten des Dritten Reiches“ und entfesselten einen regelrechten Schlageter-Kult.

Unfälle häuften sich, Sabotageakte kamen hinzu

Die Ruhrbesetzung, die bis 1925 andauern sollte, traf ein mächtiges, aber bereits geschwächtes Industriegebiet, das ein knappes Jahrzehnt voller Entbehrungen hinter sich hatte. Spätestens seit 1916, so Heinrich Theodor Grütter im Katalog zur Ausstellung „Hände weg vom Ruhrgebiet! Die Ruhrbesetzung 1923 bis 1925“, herrschten kriegsbedingte Hungersnöte, denen mehr als 70.000 Menschen zum Opfer fielen – mehr, als im Zweiten Weltkrieg durch Bombenangriffe im Ruhrgebiet ums Leben kamen. Grütter, der Direktor des Essener Ruhr Museums, spricht von einer jahrelangen „permanenten Ausnahmesituation“, in der die Reparationsforderungen von französischer und belgischer Seite als maßlos empfunden wurden. Die Besetzung, mit der Deutschland zur Zahlung der im Versailler Vertrag vereinbarten Reparationen gezwungen werden sollte, kam nicht unerwartet. Aber sie hatte Folgen unvorhergesehenen Ausmaßes.

Plakat gegen die Besetzung des Ruhrgebiets aus dem Jahr 1923


Plakat gegen die Besetzung des Ruhrgebiets aus dem Jahr 1923
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Bild: Deutsches Historisches Museum

Nachdem die Regierung den passiven Widerstand ausgerufen hatte, wurden Bürgermeister und Kommunalbeamte, die sich einer Zusammenarbeit mit den Besatzern verweigert hatten, ausgewiesen, ebenso Mitarbeiter von Polizei, Zoll, Finanzbehörden und Reichsbahn, insgesamt etwa 140.000 Menschen. Sie kurzfristig zu ersetzen war unmöglich. Vor allem die Reichsbahn, die von den Franzosen in Eigenregie betrieben wurde, erwies sich als unlösbares Pro­blem.

Die herbeigeholten französischen Eisenbahner waren von dem komplizierten Gleissystem überfordert, Unfälle häuften sich, Sabotageakte wie etwa die Sprengung der Hochfelder Rheinbrücke am 30. Juni 1923, bei der neun belgische Soldaten sowie mehrere Zivilisten getötet wurden, kamen hinzu. Der ungarische Schriftsteller Sándor Márai notierte im Februar 1923 während einer Ruhrgebietsreise: „Auf dem Essener Bahnhof standen verlassene Züge im Regen, die Franzosen konnten nicht mit dem komplizierten Weichensystem umgehen, die Kohlenzüge waren eingefroren, die Armada der bajonettbewaffneten senegalesischen Neger wurde mit den sabotierenden deutschen Eisenbahnern nicht fertig, das Weichensystem des Essener Bahnhofs versteht nur, wer dort aufgewachsen ist; mich tröstet, dass schon ein Weichensystem stärker sein kann als die Macht.“

Entweder wehrlose Opfer oder ehrlose Verräterinnen

Die Ausstellung im Ruhr Museum beleuchtet in sechs Kapiteln und mit über zweihundert Objekten die politischen Hintergründe der Ruhrbesetzung, sie schildert den Alltag der Bevölkerung, ihre Verarmung, die durch die bald einsetzende Hyperinflation dramatisch beschleunigt wird, und sie erzählt vom Propagandakrieg, der von beiden Seiten mit großem Aufwand betrieben wird. Während Franzosen und Belgier ihr Vorgehen als gerecht, angemessen und dem Versailler Vertrag entsprechend darstellen wollen, schlägt die deutsche Seite oft unverhohlen nationalistische und auch rassistische Töne an: Dass seit Kriegsende auch etwa 25.000 sogenannte „Kolonialsoldaten“ aus Nordafrika, Madagaskar, dem Senegal und Vietnam im Rheinland stationiert waren, wurde als „Schwarze Schmach“ gebrandmarkt.

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