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#„Bei Superspreadern nützen auch Lüften und Masken nichts mehr“

„Bei Superspreadern nützen auch Lüften und Masken nichts mehr“

Er würde ja, sagt Ingenieur Martin Kriegel, für diesen Winter auch gerne wieder das empfehlen, was seine Kollegen und er in den fast zwei Jahren Pandemie immer propagiert haben: mehr Lüften und Maske aufsetzen. Doch angesichts der hohen Infektionszahlen müsse man ehrlicherweise sagen: „Wir können damit keine Infektion verhindern, höchstens das Risiko abmindern. Doch jetzt gilt es, Infektionen zu verhindern.“

Für Kriegel, der das Hermann-Rietschel-Institut der TU Berlin leitet, Fachgebiet Energie, Komfort und Gesundheit in Gebäuden, ist es eine einfache Rechnung: Man weiß seit langem, das etwa 20 Prozent der Infizierten, die sogenannten Superspreader, für 80 Prozent des Infektionsgeschehens verantwortlich sind. „Und mit diesen explodierenden Inzidenzen nimmt auch die Zahl der Superemitter zu.“ Dazu komme, dass die Gesundheitsämter die Kontakte kaum noch schnell genug verfolgen könnten.

„Da müsste schon ein Orkan durchfegen“

Es gibt somit zu viele dieser Personen, die eine derart hohe Viruslast tragen, dass damit in Innenräumen das Risiko für Nicht-Infizierte drastisch erhöht ist. Denn auch Geimpfte können sich infizieren – und Viren weitergeben. Sitzt man also in einem Raum mit einem Superspreader, gibt es kein Entkommen vor den überdurchschnittlich vielen mit Viren belasteten Aerosolpartikeln. „Da kann man lüften oder filtern, so viel man will. Die Luftmengen, die diese derart hohen Konzentrationen verdünnen, bekommt man nicht in die Räume hinein: weder mit Fensterlüftung, Klimaanlagen oder mobilen Luftfiltern. Da müsste schon ein Orkan durchfegen.“ Masken reduzierten zwar das Risiko ebenfalls, aber auch sie kämen da an ihre Grenzen. Bei Niedrig­inzidenzen hingegen und somit verhältnismäßig wenigen Superemittern könne man es mit den gängigen, nicht-medizinischen Präventivmaßnahmen, mit AHA-Regeln sowie mit Lüften, „laufen lassen“: Auf diese Weise sei das Infektionsgeschehen kontrollierbar. „Doch die Zeiten sind vorbei.“

Entscheidend für eine Ansteckung im Innenraum ist die inhalierte Dosis: Sie setzt sich zusammen aus der Dauer des Aufenthalts und der Anzahl der viren­beladenen Aerosolpartikel in der Luft. Je höher die Virenlast beim Infizierten, umso mehr Viren gelangen in die Luft, und umso schneller hat man die kritische Dosis eingeatmet – und umso schwächer wirken Masken und Lüften.

Ausbrüche sind aktuell unvermeidbar

Kriegel hat die Wirksamkeit der Maßnahmen im Verhältnis zur zunehmenden Virenlast vor kurzem auf einer Sitzung des Krisenstabs der Bundesregierung vorgestellt. Angenommen wird bei der Delta-Variante eine mittlere Virenlast von 10⁸ Viruskopien pro Milliliter Sekret, das der Mensch allein durch Atmung „aerosolisiert“, also in winzig kleine Aerosolpartikel zerstäubt und in die Luft abgibt. Hier sind laut Kriegels Institut im Innenraum FFP2-Masken oder erhöhtes Lüften „gerade noch ausreichend“, um das Risiko der An­steckung ausreichend klein zu halten.

Doch steigt die Viruslast im Körper des Infizierten auf 10⁹ Viruskopien pro Milliliter, müssen die Maßnahmen schon gebündelt werden: FFP2-Maske, Lüften – und vor allem eine Reduzierung der Dauer des Aufenthalts um zum Beispiel 50 Prozent. Nur so kann demnach das Risiko reduziert werden, damit es nicht zu einem „Ausbruch“ kommt: Der wird als Ansteckung von mehr als zwei Personen definiert. Doch diese Bündelung der Maßnahmen ist in vielen Bereichen, in Schule und Arbeitsleben etwa, kaum zu bewerkstelligen. „Und ab 10¹⁰ Viruskopien pro Milliliter, so viel und mehr verbreiten Superemitter, ist Hopfen und Malz verloren. Da kann man keinen Ausbruch mehr verhindern.“ Es irritiert Kriegel daher, wenn oft noch die Vorstellung verbreitet werde, „mit Luftfilter, Lüften und Masken“ könne man auch in der aktuellen Situation immer noch die Innenräume vor einem Ausbruch schützen.

Testen reicht jetzt nicht mehr aus

Um sich die Risiken vor Augen zu führen, ist es nach Kriegels Ansicht „ungemein wichtig“, die Räume genau zu benennen, in denen statistisch ge­sehen die höchsten Dosen an viren­belasteten Aerosolen eingeatmet werden. Kriegels Institut hat das relative Risiko unterschiedlicher Räume dar­gestellt: Beim Supermarktbesuch mit Maske nimmt man, basierend auf der durchschnittlichen Länge des Aufenthalts, der Geschäftsgröße und einer typischen Lüftungsrate, einen Wert von 1 für die Dosis an. Man könne daraus folgern, dass angesichts der Virus-Konzen­tration sich dort ein Mensch infizieren kann.

Mit am höchsten ist im Vergleich dazu die inhalierte Dosis während eines Arbeitstages im Büro mit mehreren Personen ohne Maske – das Risiko wird mit 32 veranschlagt, also 32 mal so hoch wie im Supermarkt. Auch ein Schultag ohne Maske ist im Vergleich zum Supermarkt mit einem zwanzigfach erhöhten Risiko verbunden, da die Dosis zwanzig Mal so hoch ist. Beim Restaurantbesuch für 1,5 Stunden hingegen wird – im Durchschnitt – eine mittlere Dosis von 6 erreicht. „Das ist in der momentanen Situation viel zu hoch. Denn es hieße, dass sich dort im Schnitt sechs Personen bei einem Superemitter anstecken.“ Bars oder Clubs bieten ein in etwa so hohes Risiko wie Büros – doch lautes Unterhalten und Tanzen erhöhen die Aerosolexposition um ein Vielfaches.

Das oberste Ziel bei Schutzkonzepten für aerogene Erreger ist nach Kriegels Worten nach wie vor: die Quelle der Emissionen „zu eliminieren“. „Die infizierte Person darf gar nicht erst in den Raum hinein.“ Daher müsse vor dem Betreten der Innenräume ein striktes Testgebot bestehen. Doch auch das reicht nach Kriegels Einschätzung jetzt nicht mehr aus, um die Infektionszahlen deutlich zu senken. „Diese Welle wird man nur mit Kontaktbeschränkungen eindämmen können.“

Anmerkung der Redaktion: Aufgrund eines technischen Darstellungsfehlers war die Zahl der Viruskopien in diesem Text zunächst mit 108, 109 bzw. 1010 angegeben, richtig ist 10⁸, 10⁹ bzw. 10¹⁰.

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