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#Chaos bei Briefwahl in Spanien

Spanien steckt vor der Parlamentswahl am 23. Juli in einer Patt­situation: Keine der beiden Volksparteien PSOE und PP kann ohne Koalitionspartner regieren. Beide malen Schreckbilder dieser Koalitionspartner an die Wand, warnen hier vor den „Rechtsextremen“ der Vox-Partei, dort vor „Terroristen“ (aus der baskischen Bildu-Partei) und „Separatisten“ (von der katalanischen ERC).

Doch jenseits der groben Parolen ist ein Thema hochgekocht, das so trivial ist, dass man es kaum glauben mag. Die Rede ist von der Briefwahl. Weil der Sozialist Pedro Sánchez nach den verlorenen Kommunal- und Regionalwahlen Ende Mai die Flucht nach vorn antrat und vorgezogene Neuwahlen ausrufen wollte, landete er beim Wahltermin 23. Juli, einem ungewöhnlichen Tag. Viele Menschen würden da eigentlich gern am Strand liegen, sind also auf Briefwahl angewiesen. Doch gerade im Juli und im August machen auch Postangestellte Urlaub, und die Abwesenheitspläne sind längst getippt und abgespeichert.

Die Sánchez-Regierung gab also undurchdachte Fristen und komplizierte Verfahren bekannt, und das Chaos nahm konkrete Gestalt an: Nicht nur müssen Briefwähler ihre Briefwahlunterlagen durch persönliches Erscheinen und Vorzeigen des Personalausweises beim Postamt beantragen; sie müssen auch darauf warten, dass sie ihnen nach Hause geschickt werden. Sind sie gerade daheim, wenn der Briefträger klingelt, haben sie Glück und können in den eigenen vier Wänden zur stolzesten Prozedur demokratischer Gemeinwesen schreiten; haben sie das Ausfüllen hinter sich, dürfen sie den Umschlag allerdings nicht in den Briefkasten werfen, sondern müssen noch einmal zur Post: Nur persönliche Abgabe zählt.

Wann kommt der Briefträger?

Bei der lieben Post wiederum dürfte nicht nur eine Schlange auf sie warten, es fehlt dort auch an Personal, schließlich ist Juli. „Die Post holt Leute von der Straße und stellt sie hastig ein, um das Problem in den Griff zu kriegen“, sagte eine Postmitarbeiterin der F.A.Z., die nicht namentlich genannt werden will. „Aber die Neuen sind unerfahren, sie machen Fehler, und das Drama vergrößert sich.“

Groß war das Drama ohnehin schon wegen der ursprünglichen Fristen. Spätestens am 19. Juli, so das erste Reglement, sollten die ordnungsgemäß beantragten Briefwahl­unter­lagen bei den Briefwählern ein­getroffen sein. Der 19. Juli war aber auch der letzte Abgabetermin des ausgefüllten Wahlzettels beim Postamt. Das Szenario, das so in spanischen Köpfen entstand, lässt sich leicht ausmalen: Menschen, die zu Hause hocken und auf die Türklingel lauschen, den Briefträger abpassen, eilig ihr Zeugs ausfüllen und dann zum Postamt hechten, um fristgerecht wählen zu können. Wenn das Postamt noch geöffnet hat! Eine Bekannte aus der Stadt Soria erzählte, sie habe allein beim Abholen der Briefwahlunter­lagen anderthalb Stunden Schlange gestanden. „Was später passiert, weiß kein Mensch.“ Muss noch eigens erwähnt werden, dass jeder, der Briefwahlunterlagen beantragt hat, nicht mehr in Präsenz an der Wahl teilnehmen darf, auch wenn ihn die erforderlichen Unterlagen nicht erreicht haben?

Die Bürger wollen wählen – und die Post spart

Es war ein gewisser Trost, dass die Regierung und Correos – so der Name der spanischen Post – Anfang der Woche großzügigere Fristen einräumten und damit eingestanden, miserabel gerechnet zu haben. Vorne also gab’s zwei Tage mehr Luft, hinten einen. Der Stichtag für die letzte Abgabe bei Briefwahl ist jetzt Donnerstag, der 20. Juli. Aus dem Schneider ist man damit aber noch lange nicht, denn wegen des Termins mitten in der heißesten Zeit des Jahres mit Temperaturen zwischen 35 und 40 Grad, an manchen Orten auch darüber, wird nichts so sein wie sonst. „Die kommende Wahl wird die höchste Briefwahlbeteiligung in der Geschichte haben“, sagte Regino Martín, Vertreter der Gewerkschaft Comisiones Obreras und zuständig für den Postbereich, im spanischen Fern­sehen.

Die Gewerkschaft ist irgendwelcher Sympathien für die Konservativen unverdächtig. Umso überraschender, wie hart sie das Kuddel­muddel bewertet. Man sei schon bei 2,5 Millionen registrierten Briefwählern, sagte Martín: Jeder fünfzehnte wahlberechtigte Spanier will seine Stimme per Briefwahl abgeben. Um den ganzen Prozess logistisch zu stemmen, seien 18.000 Postmitarbeiter nötig, ob in der Zustellung oder hinter dem Schalter. Zur Verfügung stünden aber nur 11.000. Dieses Defizit lasse sich nicht auffangen. „Es kommt mir ungeheuerlich vor“, sagte Martín, „dass die Post Geld sparen will, während die Bürger ihr Wahlrecht ausüben wollen.“ In einem anderen Interview sagte er, die Regierung wolle die Gewerkschaften „täuschen“ und die Post sei gar nicht daran interessiert, dass der Vorgang störungsfrei über die Bühne gehe.

Manche sagen, verlorene Stimmen nützten der Regierung, denn „eher die Reichen machen im Sommer Urlaub“, sodass der Verlust an Briefwahlstimmen die Konservativen härter treffe als den Gegner. Das müssen wir offenlassen. In der Affenhitze taumelt Spanien dem großen Tag entgegen. Der Postgewerkschafter nannte ihn „das Fest der Demokratie“.

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