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#Zwei Prozent als neue Untergrenze?

„Zwei Prozent als neue Untergrenze?“

Wenn’s ums Geld geht, wird es schwierig – das ist eines der Naturgesetze in der NATO, wo alle Entscheidungen im Konsens getroffen werden müssen. Deshalb ist die Debatte nicht ohne, welche die Verteidigungsminister am Mittwoch begonnen haben: Wie viel sollen die Mitgliedstaaten in der Dekade nach 2024 für Verteidigung aufwenden?

Thomas Gutschker

Politischer Korrespondent für die Europäische Union, die Nato und die Benelux-Länder mit Sitz in Brüssel.

Im Jahr 2014, nach der russischen Annexion der Krim und der Besetzung von Teilen der Ostukraine, war vereinbart worden, dass die Staaten „darauf abzielen, sich innerhalb von zehn Jahren auf den Richtwert von zwei Prozent (ihres Bruttoinlandsprodukts) zuzubewegen, um ihre NATO-Fähigkeitenziele zu erreichen und Fähigkeitslücken der NATO zu schließen“. Beim Gipfel-Treffen in Vilnius Mitte Juli soll eine neue Selbstverpflichtung beschlossen werden. Über den notwendigen Ehrgeiz gibt es allerdings unterschiedliche Vorstellungen.

Für Deutschland ist das eine besonders heikle Diskussion, weil es immer noch weit von der Zwei-Prozent-Marke entfernt ist. In keinem Jahr sind die deutschen Verteidigungsausgaben auch nur in deren Nähe gekommen. Für 2022 wurden sie von der NATO im Juni auf 1,44 Prozent geschätzt. Tatsächlich dürften sie wohl bei 1,6 Prozent liegen, da vom 100 Milliarden Euro Sondervermögen acht Milliarden Euro ausgegeben wurden. In diesem und im nächsten Jahr soll es tatsächlich gelingen, wird von deutscher Seite beteuert. Allerdings heißt es auch, dass danach der Verteidigungsetat deutlich steigen müsse, um das längerfristig durchzuhalten.

„Müssen mehr ausgeben“

Vor diesem Hintergrund unternahm Pistorius am Mittwoch eine Art Präventivschlag. Er teile die Einschätzung, dass die zwei Prozent künftig die Untergrenze sein müssten, sagte er, als er frühmorgens zu den Beratungen im NATO-Hauptquartier eintraf. „Sich allein dem Zwei-Prozent-Ziel annähern zu wollen, wird nicht reichen“, erläuterte er. „Das muss die Basis sein für alles Weitere.“ In der Regierung abgesprochen war das nicht. Man sei dazu noch „in der Abstimmung“, und werde die „sicherlich bald abschließen“.

Darauf angesprochen, verwies der SPD-Politiker auf die laufenden Verhandlungen über den Haushalt und die nationale Sicherheitsstrategie. Um die zwei Prozent zu erreichen, müsste das Budget von derzeit 55,6 Milliarden Euro (nach NATO-Standards) um einen zweistelligen Milliardenbetrag steigen. Zumindest das wichtigste Regierungsmitglied scheint der Minister aber auf seiner Seite zu haben: „Das ist meine Position und die des Kanzlers.“

Auch NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg warb nach den Beratungen der Minister dafür, die zwei Prozent nicht mehr als Obergrenze, sondern als Untergrenze festzuschreiben. „Wenn es richtig war, sich 2014 zu Ausgaben von zwei Prozent zu verpflichten, dann ist es jetzt noch richtiger“, sagte er. Es gebe einen großen Krieg in Europa, daneben werde man weiter durch Terrorismus bedroht und durch den Aufstieg Chinas herausgefordert. „Es ist offensichtlich, dass wir mehr ausgeben müssen.“ Ein Beschluss fiel dazu am Mittwoch noch nicht, aber es ist in der Tat die wahrscheinliche „Landungszone“ für den Gipfel in Vilnius.

Im vorigen Jahr haben nach vorläufigen NATO-Schätzungen zehn Staaten das Zwei-Prozent-Ziel erreicht: Griechenland (3,76 Prozent), die USA (3,47), Polen (2,42), Litauen (2,36), Estland (2,34), das Vereinigte Königreich (2,12), Lettland (2,10), Kroatien (2,03), die Slowakei (2,0) und Rumänien (1,99). Frankreich kam auf 1,9 Prozent. Es wird erwartet, dass diese Gruppe weiter wächst, weil viele Staaten ihre Ausgaben deutlich erhöht haben. Estland etwa erreicht nach Angaben seines Verteidigungsministers im laufenden Jahr 2,8, im nächsten sogar 3,2 Prozent.

Schutz der Unterwasser-Infrastruktur

Mehrere Staaten haben deswegen intern dafür geworben, das neue Ziel auf drei Prozent zu setzen. Dem stehen allerdings die Interessen jener Länder entgegen, für die schon zwei Prozent unerreichbar scheinen. Luxemburg, Spanien und Belgien sind die Schlusslichter in der Statistik, sie wenden seit Jahren weniger als 1,2 Prozent für Verteidigung auf. Kanada steht mit 1,27 Prozent ebenfalls nicht gut da. Allerdings argumentieren sie ähnlich wie Deutschland, dass es nicht nur auf Cash ankomme, sondern auch auf die tatsächlichen Beiträge zu NATO-Einsätzen und die militärischen Fähigkeiten. Natürlich sind die bei Deutschland, Spanien und Kanada viel größer als bei den baltischen Staaten, die nicht einmal eine Luftwaffe haben.

Am Mittwoch ging es auch um ein Thema, bei dem Deutschland und Norwegen zuletzt die Initiative ergriffen hatten. Ende November baten die Regierungschefs beider Länder die NATO, eine Koordinierungsstelle für den Schutz der Unterwasser-Infrastruktur einzurichten. Damit reagierten sie auf die durch Explosionen verursachten Lecks in drei der vier Stränge der Ostsee-Pipeline, die Russland mit Deutschland verbindet.

Die Verteidigungsminister beauftragten die Militärs, konkrete Vorschläge zum Schutz solcher Leitungen auszuarbeiten. Verbessert werden soll die Zusammenarbeit der NATO-Länder, der Industrie und des Zivilsektors. Es geht zudem um den Einsatz von Unterwasserdrohnen zur Überwachung. Einen umfassenden Schutz werde es freilich nie geben, schränkten Diplomaten ein. Allein in der Nordsee liegen 9000 Kilometer Pipelines. Die Leitung der neuen Koordinierungsstelle wird einem Deutschen übertragen: dem pensionierten Generalleutnant Hans-Werner Wiermann, der zuletzt Generaldirektor des Internationalen Militärstabs der Allianz war.

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