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#Das Feinstein-Dilemma

Es ist durchaus im Sinne der Gründerväter, dass sich im amerikanischen Senat ältere Semester versammeln. James Madison, der spätere Präsident, argumentierte in den „Federalist Papers“, dass das Mindestalter von 30 Jahren helfen werde, weisere Entscheidungen zu treffen, als die zuweilen ungestümen Mitglieder im Repräsentantenhaus es gemeinhin tun. Die zweite Kammer des Kongresses wurde so in gewisser Weise als Veredelungsgremium konzipiert. Im 118. Kongress beträgt das Durchschnittalter der Senatoren 65,3 Jahre – im 117. Kongress waren es 64,8 Jahre. Es ist mithin der älteste Senat in der amerikanischen Geschichte. Das hat Folgen, welche die Verfassungsväter nicht bedacht hatten.

Majid Sattar

Politischer Korrespondent für Nordamerika mit Sitz in Washington.

In dieser Woche kehrte Mitch McConnell zurück nach Washington – nach Wochen der Zwangspause. Der 81 Jahre alte republikanische Minderheitsführer aus Kentucky war im März bei einem privaten Dinner gestürzt, hatte sich den Kopf verletzt und eine Rippe gebrochen. Eine seiner ersten Entscheidungen nach seiner Rückkehr war es, das Anliegen Chuck Schumers, des demokratischen Mehrheitsführers, zu blockieren, Dianne Feinstein vorübergehend im Justizausschuss zu ersetzen. Die Senatorin aus Kalifornien fehlt seit Februar in der zweiten Kammer. Die 89 Jahre alte Demokratin erholt sich immer noch von einer Gürtelrose. Schumer wollte übergangsweise ihren Posten in dem Ausschuss anderweitig besetzen.

McConnell sieht Ausschuss nicht gelähmt

Feinsteins Fehlen führt nämlich dazu, dass der Justizausschuss derzeit nicht seiner Aufgabe nachkommen kann, Joe Bidens Kandidaten für Richterämter zu bestätigen oder Vorladungen auszusprechen, etwa in der Untersuchung, ob Verfassungsrichter Clarence Thomas mit Luxusreisen, die ein republikanischer Milliardär finanzierte, gegen Ethikregeln verstoßen hat. McConnell begründete seine Weigerung damit, dass Feinsteins Fehlen den Ausschuss nicht lähme. Es würden lediglich solche Kandidaten nicht bestätigt, die so extrem und unqualifiziert seien, dass kein einziger Republikaner für sie stimmen könne.

Die Demokraten werden inzwischen nervös. Insbesondere im linken Flügel gibt es Forderungen, Feinstein, das älteste Mitglied des zweiten Kammer, möge ihr Mandat niederlegen, um es Gavin Newsom, dem Gouverneur von Kalifornien, zu ermöglichen, bis zur regulären Senatswahl einen Übergangssenator zu ernennen. Der progressive Flügel fürchtet um seine Agenda: Die New Yorker Abgeordnete Alexandria Ocasio-Cortez, prominentes Mitglieder des linken Flügels im Repräsentantenhaus, sprach aus, was viele in ihrem Lager denken: Wenn es nicht absehbar sei, wann Feinstein wieder ihren Pflichten nachkommen könne, sollte man sich fragen, ob man so fortfahren könne. Der Abgeordnete Ro Khanna, ein Demokrat aus Kalifornien, wurde deutlicher: Er forderte Feinstein zum Rücktritt auf. Schumer telefonierte mit der Senatorin. In dem Gespräch nannte sie zwar kein Rückkehrdatum. Doch äußerte Schumer hernach, er sei zuversichtlich, dass die Senatorin bald wieder in Washington sei.

Feinstein will 2024 Politikkarriere beenden

Feinstein vertritt den bevölkerungsreichsten Bundesstaat seit 1992 in Washington. Sie hat sich große Verdienste erworben und etwa erheblich zu der Aufarbeitung der Folterpraktiken unter anderem der CIA in Folge des Antiterrorkrieges beigetragen. Seinerzeit sagte sie im Plenum des Senats, diese hätten die amerikanischen Werte befleckt. In den vergangenen Jahren mehrten sich aber Stimmen, der kognitive Verfall der kränkelnden Politikerin werde zu einem politischen Problem. Im Februar kündigte sie an, nach der Wahl 2024 aus der Politik auszuscheiden. Ihr Posten ist heiß begehrt: Die Abgeordneten Adam Schiff, Barbara Lee und Katie Porter haben schon ihre Hüte in den Ring geworfen. Genau das macht die Angelegenheit so kompliziert.

Newsom hatte zwischenzeitlich angekündigt, im Falle von Feinsteins Rücktritt bis zur regulären Wahl eine afroamerikanische Übergangssenatorin zu ernennen. Gedacht hatte er offenbar an die Abgeordnete Lee. Dem Senat gehört seit dem Ausscheiden der heutigen Vizepräsidentin Kamala Harris keine Afroamerikanerin an. Mit der Ernennung Lees würden freilich Fakten geschaffen – sie hätte einen Startvorteil für die Nachfolge. Nancy Pelosi, die Abgeordnete aus San Francisco und vormalige Sprecherin des Repräsentantenhauses, wandte sich gegen eine Mandatsniederlegung durch Feinstein. Pelosi unterstützt Schiff in den Vorwahlen um den Posten im kommenden Jahr. Als Harris Anfang 2021 aus dem Senat ausschied, ernannte Newsom Alex Padilla zu ihrem Nachfolger, der im November 2022 regulär gewählt wurde – als erster Latino, der Kalifornien im Senat vertritt.

Die Republikaner nutzen das Feinstein-Dilemma und die komplizierte Quotenlogik der Demokraten, um eine pragmatische Übergangslösung zu verhindern. So können sie von eigenen Problemen ablenken. Etwa von der Frage, welchen Präsidentschaftskandidaten sie 2024 unterstützen. Als McConnell, Donald Trumps Intimfeind, dieser Tage gefragt wurde, ob er sich damit wohl fühle, dass der führende Bewerber seiner Partei strafrechtlich belangt werde, antwortete der Senator weise: Er habe sich zwar den Kopf gestoßen, aber so stark dann doch nicht. „Netter Versuch.“

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