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#David Wineland: Jäger der Quantenkatze

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Mit bahnbrechenden Verfahren hat er den Weg für bessere Atomuhren und für Quantencomputer geebnet. Heute feiert der Physik-Nobelpreisträger David Wineland seinen achtzigsten Geburtstag.

Die Pioniere der Quantenphysik hatten einen Traum. Sie wollten mit einzelnen Atomen experimentieren, um so die seltsamen Aussagen ihrer Theorie zu überprüfen. Da es aber an technischen Möglichkeiten mangelte, mussten sie mit Gedankenexperimenten vorlieb nehmen. Erwin Schrödinger etwa sperrte eine hypothetische Katze in eine Kiste zusammen mit einer Höllenmaschine: Der Zerfall eines einzelnen radioaktiven Atomkerns löst einen Mechanismus aus, der das Tier tötet. Ist die Katze, die mit dem radioaktiven Atomkern quantenmechanisch verschränkt ist, nun tot oder lebendig, so fragte der österreichische Physiker. Sowohl als auch, war seine Antwort. Denn das Tier befindet sich quantenphysikalisch betrachtet in beiden Zuständen zur selben Zeit, solange man es nicht beobachtet. Erst wenn die Kiste geöffnet wird, besteht Klarheit darüber, ob die Katze noch lebt.

Es ist Experimentalphysikern wie dem Amerikaner David Wineland zu verdanken, dass Schrödingers Katze kein reines Phantasiekonstrukt geblieben ist und man heute die Regeln der Quantenphysik an einzelnen Atomen präzise testen kann. Der 1944 in Wauwatosa, Wisconsin, geborene Physiker entwickelte am National Institute of Standards and Technology (NIST) in Boulder, Colorado, wo er bis 2017 fast 42 Jahre lang forschte, kleine Apparate, in die er einzelne oder mehrere Ionen einsperren und mit Laserlicht nach Belieben präzise manipulieren konnte.

Drei fluoreszierende Berylliumionen, gefangen und quantenmechanisch verschränkt in einer Teilchenfalle. Ändert ein Ion seinen Zustand, dann spüren das sofort seine Nachbarn.


Drei fluoreszierende Berylliumionen, gefangen und quantenmechanisch verschränkt in einer Teilchenfalle. Ändert ein Ion seinen Zustand, dann spüren das sofort seine Nachbarn.
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Bild: NIST

Sein Rüstzeug hatte der frisch promovierte Wineland bei dem deutschstämmigen Hans Georg Dehmelt an der University of Washington in Seattle in den frühen 1970er-Jahren erworben. Dehmelt hatte die ersten Versuche unternommen, geladene Teilchen mit magnetischen und elektrischen Feldern einzufangen und festzuhalten. Es gelang ihm mit seinen Mitarbeitern, ein einzelnes Elektron für eine Rekordzeit von zehn Monaten in der Schwebe zu halten. Wineland, der 1975 zum NIST wechselte, hat in Boulder die erlernten Speicherverfahren ständig verfeinert.

Quantenkatze im Zwitterzustand

Die ausgeklügelten Techniken haben Wineland neue Möglichkeiten eröffnet, Aussagen der Quantenphysik experimentell zu überprüfen und zu studieren. So ist es ihm und seinen Mitarbeitern gelungen, ein einfach geladenes Berylliumion eine Art Zwitterexistenz aufzuzwingen, wobei es sich gleichzeitig in zwei Quantenzuständen befindet – ein Verhalten, das Schrödinger 1935 in seinem Gedankenexperiment beschworen hatte. Doch das war nur der erste Schritt. Das Ion wurde durch weitere Laserpulse in eine spezielle Pendelbewegung versetzt, bei dem es seltsamerweise gleichzeitig in zwei entgegengesetzte Richtungen schwang.

Typische Ionenfalle, mit der Wineland und seine Kollegen die geladenen Berylliumatome in der Schwebe halten.


Typische Ionenfalle, mit der Wineland und seine Kollegen die geladenen Berylliumatome in der Schwebe halten.
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Bild: Nist

Was mit einem einzelnen Ion möglich war, haben Wineland und seine Kollegen auch mit mehreren gefangenen Berylliumionen gleichzeitig verwirklichen können. Jedes Teilchen ließ sich mit einem entsprechenden Laserpuls anregen und in einen Überlagerungszustand befördern. Durch sanfte kurze Stöße zwischen den Teilchen übertrugen sich Quantenzustände von einem Nachbarn zum nächsten. Dadurch zeigten die Teilchen ein verschränktes Verhalten. Bestimmte man den Zustand eines Ions, lag augenblicklich auch der Zustand des verschränkten Partners fest, ohne dass diese in direktem Kontakt standen – ein Phänomen, das Albert Einstein einst als spukhafte Fernwirkung bezeichnete.

Die Arbeiten von Wineland und seinen Kollegen sind nicht nur von theoretischem Interesse. Die Physiker haben optische Atomuhren entwickelt, die die schnellere optische Schwingung statt der Mikrowellenschwingung eines isolierten Ions nutzen. So würde Winelands im Jahr 2005 prästiertes Chronometer seit dem Urknall vor 13,8 Millirden Jahren nur fünf Sekunden vor- oder nachgehen.

Auch bei der Entwicklung eines Quantencomputers, der auf der Überlagerung von quantenmechanischen Zuständen gespeicherter Ionen beruht und deshalb deshalb viele Rechenschritte parallel und deshalb viel schneller ausführen kann als ein klassischer Rechner, hat Wineland mit seinen Kollegen in Boulder an vorderster Front geforscht. Doch Wineland hat stets mehr das Prinzipielle interessiert, als der praktische Nutzen seiner Arbeiten. Für seine wegweisenden Forschungen ist Wineland im Jahr 2012 mit dem Physik-Nobelpreis ausgezeichnet worden.

Zur Überraschung seiner Kollegen verließ Wineland im Jahr 2017 schweren Herzens seinen Arbeitgeber in Boulder, dem er vier Jahrzehnte treu gewesen war und wechselte an die University of Oregon in Eugene – aus rein familiären Gründen, wie er betonte. Heute feiert Wineland, der als fleißiger und geduldiger Chef gilt und der – wenn immer es die Zeit zulässt – alleine oder mit seinen Kollegen aufs Rennrad steigt, seinen achtzigsten Geburtstag.

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