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#Den Wessis das Kommando nehmen?

Den Wessis das Kommando nehmen?

Ein bisschen Polemik ist noch übrig. Der Wahlkampfspruch der Linken, der in Sachsen-Anhalt Aufregung erzeugte, kam zwar auf Plakaten nie zum Einsatz. Die roten T-Shirts, die die Spitzenkandidatin Eva von Angern an diesem Vormittag auf einem Parkplatz in Quedlinburg aus dem Kofferraum zieht, schmückt der alte Slogan aber noch: „Nehmt den Wessis das Kommando“. Auf dem Bild zur ursprünglichen Kampagne war unter dem Spruch ein kleines Mädchen zu sehen, das einen Berner Sennenhund an der Leine hält. Man fragte sich, wer hier mit wem spazieren geht.

Auf den Plakaten, die nun in Sachsen-Anhalt hängen, gibt sich die Linke geradezu staatsmännisch. „Wir im Osten“ heißt es auf einem. Daneben ist von Angern zu sehen, in Schwarzweiß und mit gefalteten Händen. Zu ihr passt Polemik kaum. Die gebürtige Magdeburgerin zählt in ihrer Partei zu den Reformern, beschreibt sich selbst als „pragmatisch“ und wird in Sachsen-Anhalt parteiübergreifend für ihre abwägende, eher zurückhaltende, aber zugewandte Art geschätzt. Zu den Vertrauten der Politikerin zählt Thüringens westdeutscher Ministerpräsident Bodo Ramelow.

Eine Debatte angestoßen

Auf die Frage, wie sie zu der Kampagne stehe, sagt Eva von Angern: „Die schlaflosen Nächte hätte ich mir ganz gern erspart.“ Dann lacht sie, das tut sie oft. Immerhin habe man sehr erfolgreich auf ein sehr reales Thema aufmerksam gemacht: das der mangelnden Präsenz Ostdeutscher in Spitzenpositionen. Es betrifft nicht nur Sachsen-Anhalt. In ganz Deutschland stammen etwa von 108 Universitätsrektoren nur zwei aus dem Osten, bei den 183 Dax-Vorständen sind es laut einer MDR-Umfrage ebenso wenige. Unter den 28 beamteten Staatssekretären in der Bundesregierung gibt es keinen einzigen Ostdeutschen. Auch bei den Spitzenpositionen in Justiz und Verwaltung herrscht immer noch ein Ungleichgewicht.

Mit Themen wie diesen versucht die Linke in Sachsen-Anhalt ihre einstige Stammklientel zu erreichen. Doch die ältere Generation, die sich davon besonders angesprochen fühlte, macht einen immer kleineren Anteil der Wähler aus. Als Sprachrohr der Unzufriedenen inszeniert sich außerdem die AfD, die am Sonntag abermals mehr als zwanzig Prozent erreichen könnte. 2016 gelang ihr der Einzug in den Landtag aus dem Stand mit mehr als 24 Prozent; die Linke rutschte von knapp 24 auf gut 16 Prozent.

Eva von Angern setzt sich besonders für Kinder und Jugendliche ein. „Das ist der wichtigste Bodenschatz, den wir in Sachsen-Anhalt haben“, sagt die 44 Jahre alte Rechtsanwältin, selbst Mutter dreier Kinder. Im Netzwerk ihrer Partei zur Bekämpfung von Kinderarmut hat sie wichtige Bande geknüpft, etwa zum Ko-Vorsitzenden der Bundestagsfraktion, Dietmar Bartsch. Er ist in Quedlinburg dabei.

Zusammen besichtigen die Politiker ein Kind-Eltern-Zentrum der Arbeiterwohlfahrt (AWO). Kai-Gerrit Bädje ist seit 2005 Geschäftsführer des AWO-Kreisverbands Harz und berichtet von seinen Erfahrungen mit den besonders Bedürftigen der Gesellschaft – von der Versorgung bei den Tafeln, von der zunehmenden Vernachlässigung vieler Kinder, vor allem in der Pandemie, von den drei Babys drogenabhängiger Eltern, die seine Mitarbeiter in letzter Zeit durch den Entzug gebracht haben. „Das nimmt zu, und zwar länderübergreifend“, sagt von Angern, die auch im Landesfrauenrat mit diesen Themen zu tun hat. „Das musst du unbedingt mit in die Fraktion nehmen, Dietmar.“ Mit Kritik an der schwarz-rot-grünen Landesregierung, auf deren Mittel die SPD-nahe AWO angewiesen ist, hält sich Bädje zurück. Für den Fachkräftemangel in der Pflege müsse man aber endlich einen Ansatz finden. Viele junge Menschen lassen sich zwar in Sachsen-Anhalt ausbilden, gehen dann aber weg.

Auf der Suche nach einem Bündnis

Vergangene Woche hat die Linke ein Sofort-Programm für die kommende Legislaturperiode vorgelegt. Es sieht unter anderem Soforthilfen für die Kommunen vor und kostenfreie Kitas. Die Schuldenbremse soll „fortwährend“ ausgesetzt werden. „Natürlich lassen sich diese Pläne am besten in einem Mitte-links-Bündnis realisieren“, sagt Eva von Angern. Ein solches gab es in Sachsen-Anhalt aber überhaupt nur einmal. Von 1994 bis 2002 arbeitete die SPD hier unter dem Namen „Magdeburger Modell“ erstmals mit der PDS zusammen. Der damalige Ministerpräsident Reinhard Höppner regierte mit einer Minderheit, die von der PDS toleriert wurde.

Bis vor wenigen Jahren gab es vor allem unter Bürgerrechtlern der Grünen und der SPD Bedenken gegen eine Zusammenarbeit mit der PDS-Nachfolgepartei. Heute haben solche Vorbehalte keine Bedeutung mehr, alte SED-Kader sind in der Linkspartei kaum mehr aktiv. Eine Regierungsmehrheit liegt allerdings in weiter Ferne. „Hier ist noch ganz viel drin“, versichert dagegen von Angern auf dem Weg zum nächsten Termin bei der Quedlinburger Lebenshilfe. Die Umfragen sehen es anders. Ihnen zufolge kommt die Partei am Sonntag auf zehn bis elf Prozent.

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