Nachrichten

#Der britische Vertrag ist auch nicht besser

Der britische Vertrag ist auch nicht besser

Ende Januar lieferten sich die Europäische Union und Astra-Zeneca einen erbitterten Streit. Der Konzern hatte den EU-Staaten mitgeteilt, dass er viel weniger Impfdosen liefern würde als zugesagt, und das mit Produktionsschwierigkeiten in einem belgischen Werk begründet. Das Vereinigte Königreich war davon nicht betroffen, es bekam weiter seine Dosen. Konzernchef Pascal Soriot gab dafür eine frappierende Begründung ab: Man habe den Europäern nur zugesagt, dass man „bestmögliche Anstrengungen“ unternehmen werde, um den Vertrag zu erfüllen. „Der Grund war, dass Brüssel mehr oder minder zum selben Zeitpunkt beliefert werden wollte wie die Briten – obwohl die drei Monate früher unterzeichnet hatten“, sagte Soriot in einem Interview. Brüssel habe einfach „Pech gehabt“, weil es zu spät gekommen sei.

Thomas Gutschker

Thomas Gutschker

Politischer Korrespondent für die Europäische Union, die Nato und die Benelux-Länder mit Sitz in Brüssel.

Wirklich? Die aufsehenerregende Behauptung lässt sich jetzt überprüfen. Der amerikanische Fernsehsender CNN hatte nach dem britischen Informationsfreiheitsgesetz Einsicht in den Vertrag verlangt. Postwendend bekam er vom britischen Industrieministerium einen Link zugesandt. Der führte zu einer Internetseite der Regierung, die zuletzt am 27. November aktualisiert worden war. Dort stand und steht: der 54 Seiten lange Vertrag, den London mit Astra-Zeneca geschlossen hat. Vorher hatte ihn niemand gefunden. Die Regierung hatte sogar „Sicherheitsgründe“ geltend gemacht, um zu erklären, warum er nicht veröffentlicht werden könnte. Dabei war das längst geschehen.

Briten schlossen Vertrag zwei Tage später

Wie im Vertrag mit der Europäischen Union sind in dem Text alle Passagen geschwärzt, die Geschäftsgeheimnisse betreffen, etwa die Preisgestaltung. Klar ist jedoch: Der britische Vertrag wurde nicht etwa drei Monate früher geschlossen als der mit der EU, sondern zwei Tage später, am 28. August 2020. Soriot muss sich auf etwas anderes bezogen haben, mutmaßlich auf eine Absichtserklärung der britischen Regierung. Am 21. Mai hatte das Unternehmen mitgeteilt, es habe die ersten Zusagen für 400 Millionen Impfdosen bekommen. Soriot dankte seinerzeit der amerikanischen und der britischen Regierung „für ihre beträchtliche Unterstützung, um die Entwicklung und Produktion des Impfstoffs zu beschleunigen“.

Eine Absichtserklärung ist aber noch kein Vertrag. Mitte Juni hatten auch Deutschland, Frankreich, Italien und die Niederlande ihren Willen bekundet, 400 Millionen Impfdosen zu kaufen. Als der Konzern das verkündete, ließ er in einem Nebensatz wissen, dass die amerikanische und die britische Regierung „gleichartige Vereinbarungen“ getroffen hätten. Die europäischen Verhandlungen wurden dann von der EU-Kommission übernommen und am 26. August mit der Unterzeichnung des Vertrags über ein Vorkaufsrecht für 400 Millionen Dosen abgeschlossen. Weder die britische Regierung noch Astra-Zeneca können aus ihrem späteren Vertrag also eine zeitlich begründete Vorzugsbehandlung ableiten.

54 Euro für eine Impfdosis

Irreführend war auch Soriots Behauptung, man habe sich wegen der schnelleren Briten gegenüber den Europäern nur zu „bestmöglichen Anstrengungen“ verpflichtet. Nun zeigt sich, dass beide Verträge exakt dieselbe Klausel enthalten, an etlichen Stellen. Sie wird nahezu wortgleich formuliert: Astra-Zeneca verpflichtet sich in der Entwicklung und industriellen Produktion des Impfstoffs dazu, alles zu tun, was ein Unternehmen gleicher Größe und Ausstattung leisten kann. Für den Hersteller ist das eine – durchaus übliche – Absicherung gegen Vertragsstrafen. Ungewiss ist, ob der britische Vertrag im geschwärzten Text gleichwohl eine Klausel enthält, dass das Königreich bevorzugt beliefert wird. Allerdings argumentiert die EU, selbst das würde sie nicht betreffen, weil ihr Vertrag keine solche Einschränkung enthalte. Der Sprecher der EU-Kommission wollte sich deshalb am Freitag gar nicht erst auf Kasuistik einlassen: „Was für uns zählt, ist unser Vertrag.“

Mit Astra-Zeneca hatte die EU ihren ersten Vertrag geschlossen. Erst Mitte November folgte der zweite mit dem deutsch-amerikanischen Konsortium Biontech-Pfizer, das dann zuerst liefern konnte. Warum hätten die Verhandlungen so lange gedauert, wurde die Kommission oft gefragt. In diesem Fall waren die Vereinigten Staaten tatsächlich vier Monate schneller. Brüssel verwies zur Erklärung darauf, dass es den Konzern nicht aus der Haftung für Gesundheitsschäden entlassen wollte. In der Anfangsphase spielte wohl auch der hohe Preis eine Rolle, den Biontech-Pfizer verlangte.

Er betrug, wie die „Süddeutsche Zeitung“ mit Bezug auf ein Angebotsschreiben von Mitte Juni berichtet, 54,08 Euro pro Dosis. Die EU-Staaten hätten somit für die angebotene Menge von 500 Millionen Dosen die stolze Summe von 27 Milliarden Euro zahlen müssen. Das erklärt, warum viele Staaten lange skeptisch waren. Allerdings wurden die Preisverhandlungen noch im Sommer abgeschlossen. Der Endpreis soll 15,50 Euro pro Dosis betragen – ungefähr so viel zahlen auch die Vereinigten Staaten.

Wenn Ihnen der Artikel gefallen hat, vergessen Sie nicht, ihn mit Ihren Freunden zu teilen. Folgen Sie uns auch in Google News, klicken Sie auf den Stern und wählen Sie uns aus Ihren Favoriten aus.

Wenn Sie an Foren interessiert sind, können Sie Forum.BuradaBiliyorum.Com besuchen.

Wenn Sie weitere Nachrichten lesen möchten, können Sie unsere Nachrichten kategorie besuchen.

Quelle

Ähnliche Artikel

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Schaltfläche "Zurück zum Anfang"
Schließen

Please allow ads on our site

Please consider supporting us by disabling your ad blocker!