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#Der Pilgerort der Neuen Rechten

Das kleine Örtchen Schnellroda würde wohl kaum jemand kennen, wenn sich dort nicht vor zwanzig Jahren Götz Kubitschek niedergelassen hätte, ein Wortführer der „Neuen Rechten“. Kubi­tschek bezog damals in Schnellroda ein altes Rittergut und verlegte auch die Aktivitäten des wenige Jahre zuvor gegründeten „Instituts für Staatspolitik“ (IfS) ins Dreiländereck von Sachsen-Anhalt, Thüringen und Sachsen.

Reinhard Bingener

Politischer Korrespondent für Niedersachsen, Sachsen-Anhalt und Bremen mit Sitz in Hannover.

Das Bundesamt für Verfassungsschutz hat das IfS ebenso wie die Initiative „Ein Prozent“ und die AfD-Parteijugend Junge Alternative in dieser Woche vom „Verdachtsfall“ zur „gesichert rechtsextremistischen Bestrebung“ hochgestuft. Nach vierjähriger Prüfung bestehe kein Zweifel mehr, dass die drei Organisationen „verfassungsfeindliche Bestrebungen“ verfolgten, äußerte Verfassungsschutzpräsident Thomas Haldenwang.

Es ist kein Zufall, dass Haldenwangs Behörde das Institut in Schnellroda, „Ein Prozent“ und die AfD-Jugend in einem Atemzug nennt, denn alle drei beziehen sich auf dasselbe neurechte Gedankengut. Götz Kubitschek darf gegenwärtig als Vordenker dieser Strömung des deutschen Rechtsextremismus gelten. Er hat in Schnellroda einen politisch-publizistischen Mikrokosmos geschaffen, in dem viele Akteure aus der Szene verkehren.

Für einen Staat jenseits der pluralistischen Demokratie

Der thüringische AfD-Landesvorsitzende Björn Höcke äußerte vor einigen Jahren, dass er sein „geistiges Manna“ in Schnellroda beziehe. Verteilt wird das neurechte Manna zum Beispiel auf den Sommer- und Winterakademien des IfS, durch die Zeitschrift „Sezession“ sowie über Kubi­tscheks Verlag Antaios. Die maßgeblichen Personen in Schnellroda sind Götz Kubitschek, seine Ehefrau Ellen Kositza sowie Kubitscheks Weggefährte Erik Lehnert, der das IfS seit knapp zehn Jahren leitet. Zuvor hatte Karlheinz Weißmann diese Position inne.

Weißmann und Kubitschek schöpfen aus denselben geistigen Quellen. Zentraler Bezugspunkt beider ist die „Konservative Revolution“, eine antidemokratische Strömung der Weimarer Republik. Die Konservative Revolution wird insbesondere mit dem Juristen Carl Schmitt verbunden, der nach dem Krieg wegen seiner tiefen NS-Verstrickung aus dem Staatsdienst entlassen wurde, aber dennoch weiter mannigfaltig auf das westdeutsche Geistesleben einwirkte. Schmitt zog sich in seinen Geburtsort Plettenberg zurück und empfing dort zahlreiche Intellektuelle der Bundesrepublik, nicht nur solche aus dem rechten Lager. Der Rückzug ins ländliche Refugium Plettenberg und dessen Aufladung zur Pilgerstätte sind Motive, die sich bei Kubi­tschek in Schnellroda begegnen.

Daneben gibt es auch eine personelle Kontinuität. Denn der dezidiert rechte Traditionsstrang bei Carl Schmitt wurde durch Armin Mohler weitergeführt, der wiederum als geistige Vaterfigur für Karlheinz Weißmann wie für Götz Kubi­tschek wirkte. Die spätere Trennung zwischen Weißmann und Kubitschek markiert eine wichtige Binnendifferenzierung innerhalb der Neuen Rechten und steht im Zusammenhang mit den Anfangsjahren der AfD. Weißmann sympathisierte damals ebenso wie die rechtsgerichtete Zeitung „Junge Freiheit“ mit dem Kurs, den die junge Partei unter Bernd Lucke und hernach unter Frauke Petry einschlug.

Kubitschek, dessen Aufnahme in die Partei Lucke mit Nachdruck verhindert hatte, wollte die Partei ebenso wie Björn Höcke aber deutlich weiter rechts positionieren. Kubitschek belässt es nicht bei Kritik am Euro oder der Mi­gration. Er strebt ein Staatswesen jenseits der pluralistischen Parteiendemokratie an und knüpft die Zugehörigkeit dazu weniger an Staatsangehörigkeit, sondern vorrangig an Abstammung.

Neurechte Ideologie hat sich in der AfD durchgesetzt

Wie weit die politischen Ziele tatsächlich reichen, ist schwer zu fassen. Der sachsen-anhaltische Verfassungsschutz schrieb 2021, die von Kubitschek suggerierte Transparenz hinsichtlich der Ziele „war und ist Illusion“. Er grenzt sich zwar auf Nachfrage vom Nationalsozialismus ab. Aber schon Bernd Lucke erkannte, dass Kubitschek parallel dazu allein durch seine Kleidung andere Signale aussendet. Wer die Schnellrodaer Agenda verstehen will, muss deshalb zwischen den Zeilen lesen, die Geschichte der verwendeten Begriffe prüfen und auch den Hintergrund vermeintlicher Äußerlichkeiten ausleuchten. Die Selbstversorger-Attitüde der Eheleute Kubitschek, die sich auf ihrem Rittergut gegenseitig siezen, ist ebenso Teil der politischen Botschaft wie die „Edda“ im Bücherregal.

Die Erfolgsbilanz Kubitscheks fällt zwanzig Jahre nach seinem Umzug auf sein Rittergut gemischt aus. Mit Blick auf die AfD hat Kubitschek gegenüber Karlheinz Weißmann recht behalten: Höckes „Flügel“ mag sich offiziell aufgelöst haben, die neurechte Ideologie hat sich innerhalb der Partei jedoch auf breiter Front durchgesetzt. Auch Alice Weidel, Alexander Gauland oder der ehemalige AfD-Politiker Jörg Meuthen machten dem Schnellrodaer Institut bereits ihre Aufwartung. Die hohen Umfragewerte der AfD sprechen dagegen, dass diese Radikalisierung der Partei in der Wählerschaft nachhaltig schadet.

Kubitschek strebte allerdings auch nach Anerkennung seines Gedankenguts in den bürgerlichen Institutionen. Dort hat er allerdings bisher fast nirgends Fuß gefasst. Auch seine Versuche, neben der AfD in den Parlamenten eine neurechte Bewegung auf der Straße zu formieren, schlugen weitgehend fehl.

Um die Initiative „Ein Prozent“ ist es recht still geworden. Das Hausprojekt der eng mit Schnellroda verwobenen „Identitären Bewegung“ im Herzen der nahe gelegenen Universitätsstadt Halle wurde 2019 mangels Resonanz aufgegeben. Angesichts der Energiekrise setzte Kubitschek vor Beginn des diesjährigen Winters auf „Demonstrationen ernsten Zuschnitts“ in ganz Deutschland und erkannte seine Aufgabe darin, dass die Proteste „nachhaltig, unversöhnlich und grundsätzlich“ werden.

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