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#Deutschland nicht ergrünt: Kein grüner Land

Deutschland nicht ergrünt: Kein grüner Land

Die Grünen wollten mehr Wähler bei der Bundestagswahl erreichen. Nicht nur das klimabewusste Bioladenmilieu, streikende Schüler, Politiklehrerinnen oder Gleichstellungsbeauftragte, sondern auch die Bewohner von Dörfern und Vorstädten. Am Ende des Wahlkampfspots, der viele Menschen zeigt, die die Grünen wohl als Zielgruppe begreifen, sieht man vier Mittfünfziger, die in einem kleinen Garten neben einem Grill stehen. Darauf gut sichtbar Koteletts und Würste. „Denn ja, auch du bist hier gemeint“, singen die Babyboomer zur Melodie des Volksliedes „Kein schöner Land“. Wer ins Kanzleramt will, braucht auch die Nackensteakesser.

Als die Grünen in den Umfragen weit zurückfielen, gaben sie ihren Anspruch auf die politische Führung nicht auf, sprachen aber lieber von einer „Klimaregierung“: Für mehr Klimaschutz Grün wählen. Letztlich taten das 14,8 Prozent der Wähler. Das ist mehr denn je, aber nur die Hälfte dessen, was das Institut Allensbach Anfang des Jahres als Potential ermittelt hatte. Ist Deutschland weit weniger grün als gedacht?

Ein verlockendes Versprechen von Union und SPD

Lange war das Umweltbewusstsein in Deutschland höher ausgeprägt als in anderen Ländern. Mit Interesse lud man die Grünen-Mitbegründerin Petra Kelly in den Achtzigern in die USA ein, um mehr zu erfahren über die deutsche Angst vor Waldsterben und saurem Regen. Die Anti-AKW-Bewegung, die weite Teile der Gesellschaft erreichte, wurde in Nachbarländern teils belächelt, der Schritt zum Ausstieg aus der Atomkraft mit Staunen verfolgt. Auch die weltweiten Klimaproteste waren 2019 in Deutschland stark ausgeprägt. Unter dem Eindruck des Dürresommers gingen 1,4 Millionen auf die Straße.

Die „Bewusstmachung“ der Klimakrise, die die Bundesregierung jüngst würdigte, hat es womöglich aus Sicht vieler Bürger längst gegeben. Auch Union und SPD verpflichten sich, die Pariser Klimaziele einzuhalten, also die Erderwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen. Ihre verlockende Botschaft: Es muss sich nicht alles ändern, um das Problem in den Griff zu bekommen. Auch wenn Fachleute die Programme der beiden Parteien für unzureichend hielten, gerieten die Grünen in ein Dilemma. Jede allzu harte Forderung hätte womöglich die Nackensteakesser verprellt. Die eigene Klientel wünschte sich jedoch schärfere Maßnahmen.

Am früheren Ausstieg aus der Kohleverstromung – 2030, nicht erst 2038 – machten die Grünen ihre Entschiedenheit fest. Aber das wirkte auf viele Wähler offenbar wie eine Detaildiskussion. Neben dem Klimaversprechen bot ihnen die SPD mehr Mindestlohn und mehr Wohnungen an, die Union politische Verlässlichkeit. Auch wenn die große Mehrheit die Erderwärmung anerkennt und Klimapolitik gutheißt, ist vielen die Wahrung des eigenen Wohlstands immer noch näher. So gibt zwar jeder zweite Wähler an, Klimaschutz sei das wichtigste Thema, doch nur ein Fünftel machte die Wahlentscheidung auch davon abhängig.

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Die Grünen wuchsen vor allem dort, wo sie schon stark waren. Mit 16 gewonnenen Direktmandaten konnte die Partei ihre Hochburgen weiter ausbauen. In Stadtteilen, die auf ein lastenradfahrendes Akademikermilieu eine magische Anziehungskraft haben, ist Grün zu wählen so selbstverständlich wie den Müll zu trennen. Dort gibt man sich aufgeklärt und veränderungsbereit, auch wenn man selbst gerne in den Urlaub fliegt und das Auto auf der Spielstraße stehen hat, um am Wochenende in die Natur rauszufahren. Das ist eine besserverdienende Mitte, die sich angesichts der bevorstehenden Veränderungen wenig Sorgen um einen Jobverlust macht und nicht fürchtet, die Nebenkosten fürs Häuschen nicht mehr zahlen zu können.

Die Grünen konnten keine echte Breitenwirkung erzielen

Unter Wählern mit geringer Bildung schnitten die Grünen dagegen am schwächsten ab. Auch im ländlichen Raum spielen sie, mit wenigen Ausnahmen, noch immer eine eher unbedeutende Rolle. Selbst unter Erstwählern, die nicht alle in Großstädten aufwachsen, sind sie nicht die stärkste Kraft; das war die FDP. Wo die Menschen mit Gebrauchtwagen in die Stadt pendeln, klingt der Umstieg auf den unzuverlässigen Nahverkehr oder die Anschaffung teurer E-Autos wie bedrohliche Zukunftsmusik, wie Veränderung, die man zumindest nicht freiwillig wählt. Den Grünen ist es nicht gelungen, diesen Wählern ein Angebot zu machen und damit echte Breitenwirkung zu erzielen.

Die Klimabewegung scheint immerhin zu begreifen, dass die Menschen Schritt für Schritt überzeugt werden müssen. Die Aktivistin Luisa Neubauer schrieb jüngst: Politik in Absolutismen sei der Anfang vom Ende, Ökologie ohne Absolutismen sei auch das Ende. „Die ökologische Politik wird folglich lernen müssen. Und die Gesellschaft mit ihr.“ Der Aushandlungsprozess darüber, was die Gesellschaft mitträgt und was nicht mehr, beginnt jetzt. Um nur den deutschen Anteil am 1,5-Grad-Ziel zu erreichen, muss die nächste Bundesregierung ihre Bemühungen im Klimaschutz laut Studien verdreifachen. Das ist Teil des Klimaversprechens aller Parteien, die jetzt über mögliche Koalitionen reden.

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