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#Die AfD und das Wutwinter-Paradoxon

Es ist Frühling, und die AfD muss wieder einmal ihre Sprüche mit der Realität abgleichen. Als der von der Partei erfolglos herbeigeredete „heiße Herbst“ ohne große Protestwelle zu Ende gegangen war, passt sie ihre Formel noch an den Wechsel der Jahreszeiten an und sprach fortan von einem „Wutwinter“. Nun, da sich die Wut gegen die Russland- und Energiepolitik der Bundesregierung auch in den Wintermonaten nicht in dem Maß Bahn gebrochen hat, wie von der AfD erhofft, unterlässt sie solche jahreszeitlichen Anpassungen. Von einem „Frustfrühling“ hat in der Partei noch keiner gesprochen.

Die Prophezeiungen, die man in der AfD angestellt hatte, waren düster. Den Eindruck, dass sie sich verrechnet hat, will die Partei nun natürlich nicht bestätigen. Die Frage, ob man die Protestkampagne, die offiziell den Titel „Unser Land zuerst!“ trug, insgesamt als Erfolg betrachte, lässt die Pressestelle unbeantwortet. Nur so viel: Auf rund 100 Veranstaltungen hätten „mehrere zehntausend“ Demonstranten teilgenommen. Etwa 10.000 waren es allein bei der Auftaktkundgebung am 8. Oktober in Berlin; eine vergleichbare Menschenmenge konnte die Partei danach nicht mehr versammeln.

Das Potential für Protest ist da

Zahlen, die dabei helfen, die Wirkung der AfD-Kampagne einzuordnen, liefert das Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB). Anhand von Zeitungsberichten verschaffen sich Forscher dort ein Bild des Protestgeschehens in Deutschland. Laut dem Protest-Monitoring für 2022, das im März vorgestellt wurde, hat sich die Lage im vergangenen Jahr normalisiert. Es gab demnach wieder weniger Demonstrationen als während der Corona-Pandemie mit ihren sogenannten „Spaziergängen“; zugleich kam es auch wieder zu mehr teilnehmerstarken Protesten.

, Umfrage zur Bundestagswahl vom , Angaben in Prozent

Institut: Allensbach

  • Allensbach
  • Forsa
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  • Infratestdimap
  • Insa

Zeitraum: gesamt

  • gesamt
  • 12 Monate
  • 6 Monate
  • 3 Monate

Bundesland:

  • Deutschland
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Deutschland

Quelle: wahlrecht.de


Vier Prozent aller Ereignisse hatten einen Bezug zu den Themen Inflation und Energie, fünf Prozent waren prorussisch. „Das war viel weniger Resonanz als erwartet“, sagt WZB-Forscherin Sophia Hunger. „Der ‚heiße Herbst‘ hat nicht stattgefunden.“ Gleichzeitig kam das WZB zu dem Ergebnis, dass das Potential für Proteste gegen die Energie- und Russlandpolitik ziemlich groß war. Das Verständnis sei in der Bevölkerung „viel, viel größer“ gewesen als für Corona-Proteste, sagt Politologin Hunger. Mehr als jeder vierte Befragte konnte sich vorstellen, an einer Demon­stration gegen die steigenden Energie- und Lebenshaltungskosten teilzunehmen. Stellt sich die Frage: Warum konnte die AfD das Potential nicht nutzen?

Zwei Gründe liegen auf der Hand: Die Bundesregierung dämpfte mit diversen Entlastungspaketen soziale Härten ab und machte das Land zugleich unabhängig von russischem Gas (wobei ihr der milde Winter die Arbeit zumindest erleichterte). Die WZB-Forscher fanden aber noch einen dritten Grund heraus, und der hat mit der AfD selbst zu tun. Dafür unternahmen die Forscher ein Experiment. Den rund 2800 Befragten legten sie Aufrufe zu fiktiven Demonstrationsszenarien vor und fragten, zu welcher Veranstaltung sie eher gehen würden. Dabei variierten sie Positionen und Organisatoren von links und rechts des politischen Spektrums. Am wenigsten Unterstützung fanden die Aufrufe von politischen Parteien, namentlich der Linken und – noch ausgeprägter – der AfD. Tauchte die Partei als Organisatorin auf, nahm die Teilnahmebereitschaft im Schnitt um fünf Prozent ab. Hunger sagt: „Die AfD hat einen stark demobilisierenden Effekt.“

Erfolgreich – aber nicht auf der Straße

Der Befund rührt an einen grundsätzlichen Streit in der AfD über die richtige Strategie. Es geht um die Frage, ob man Opposition vor allem über Sacharbeit im Parlament oder als Teil einer Bewegung betreiben will. Die verbliebenen Funktionäre, deren Ziel noch immer die An­schlussfähigkeit an bürgerliche Milieus ist, würden sich gerne auf Debatten und An­fragen in den Parlamenten konzentrieren.

Vor allem im Osten dagegen begreifen sich Teile der Partei als parlamentarischen Arm von Protestlern – und machen dabei schon mal gemeinsame Sache mit rechtsextremen Gruppierungen wie den „Freien Sachsen“. Ob es dabei gerade gegen Flüchtlinge, Corona-Bestimmungen oder Energiepreise geht, ist nebensächlich. Auch im Bundesvorstand setzt man weiter auf Protest. Erst vor wenigen Tagen verschickte die AfD wieder Einladungen: Mitte April will sie in Nürnberg, Cottbus und Magdeburg demonstrieren. Nicht „Frühlingsfrust“ lautet das Motto, sondern: „Dem Frieden eine Chance.“ Dass sich die Parteiführung nicht entmutigen ließ, hat vermutlich einen einfachen Grund: Die AfD ist mit ihrer Kampagne durchaus erfolgreich, nur eben auf der Straße nicht.

Es ist ein umgekehrtes Phänomen wie während den Corona-Protesten zu beobachten: Damals konnte die AfD im Vergleich zu jetzt gut mobilisieren, in den Umfragen brachte ihr das aber rein gar nichts. Nun klappt es mit der Mobilisierung nicht, aber in den Umfragen steht man gut da. Rangierte die Partei vor Russlands Überfall auf die Ukraine im Februar vor einem Jahr noch bei rund zehn Prozent, liegt sie seit Herbst konstant bei 14, 15 Prozent.

Verfassungsschützer weisen zudem da­rauf hin, dass ein ruhiger Winter nicht bedeuten muss, dass es ruhig bleibt. So lassen sich auch die großen Protestpotentiale in der WZB-Studie verstehen. Was ist zum Beispiel, wenn nächsten Winter tatsächlich das Gas knapp wird? In einer aktuellen Umfrage des Instituts Forsa äußern 38 Prozent der Befragten, nicht die Bundesregierung, sondern das gute Wetter habe im Winter dafür gesorgt, dass das Gas nicht ausging. Und 62 Prozent sind der Meinung: Der Ampelkoalition fehlt ein durchdachtes Konzept, um die Energieversorgung dauerhaft zu sichern. Die Unsicherheit ist immer noch groß. Das weiß auch die AfD.

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