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#Die Sekundärmigration nimmt weiter zu

Die Sekundärmigration nimmt weiter zu

Mit der Zahl der Migranten ist im vorigen Jahr auch die Zahl der Asylbewerber in der Europäischen Union deutlich gesunken – um ein Drittel, auf den niedrigsten Stand seit 2013. Beide Angaben korrelieren, obwohl sie keineswegs identisch sind. Während die EU-Grenzschutzbehörde Frontex 124.000 illegale Grenzübertritte meldete, verzeichnet die EU-Asylbehörde (EASO) in ihrem neuen Jahresbericht 485.000 Asylanträge.

Thomas Gutschker

Politischer Korrespondent für die Europäische Union, die Nato und die Benelux-Länder mit Sitz in Brüssel.

Zum einen bildet sich darin die Dunkelziffer von Personen ab, die nicht an einer Außengrenze registriert wurden. Zum anderen stellen Migranten nicht nur im Ankunftsland ihren Antrag, wie im EU-Asylrecht vorgesehen, sondern auch im Land ihrer Wahl. Für die meisten Menschen waren das im vergangenen Jahr abermals Deutschland und Frankreich. Dieser Trend zur Sekundärmigration hielt auch unter Corona-Bedingungen an.

Tatsächlich entfielen zwei Drittel aller Anträge auf diese beiden Länder und auf Spanien. Spanien wiederum gehört nicht zur Spitzengruppe, weil es so nah an Nordafrika liegt. Vielmehr reisten, wie schon 2019, die meisten Asylbewerber ganz legal ein, mit dem Flugzeug aus Venezuela und Kolumbien. Sie erhielten in der Regel humanitären Schutz.

Sehr unterschiedliche Anerkennungsquoten

Die Hauptankunftsländer Griechenland und Italien liegen in der Asylstatistik schon mit deutlichem Abstand hinter dem Spitzentrio; ihr Anteil liegt bloß bei acht und knapp sechs Prozent. Das erklärt, warum Berlin und Paris italienische Forderungen nach einer Übernahme von Migranten zurückweisen. Zwar hat der Zustrom nach Lampedusa in den vergangenen Wochen zugenommen, doch spricht die Statistik eine klare Sprache: Italien lässt die meisten Asylbewerber gen Norden weiterziehen.

Dieser Effekt hat sich wegen der Pandemie sogar noch verstärkt, wie die Angaben zur sogenannten Sekundärmigration belegen. Gemäß EU-Asylrecht dürfen die Mitgliedstaaten Antragsteller, die über ein anderes Land eingereist sind, dorthin überstellen – allerdings nur in den ersten sechs Monaten nach der Einreise. Die Zahl solcher Anträge auf Rücküberstellung ist im vorigen Jahr genauso stark gesunken wie die Asylanträge insgesamt. Doch die Zahl der tatsächlichen Rückführungen ging noch weiter zurück, auf die Hälfte des Vorjahres. Oft machten die zuständigen Länder Gesundheitsbeschränkungen geltend. So blieb vor allem Deutschland auf einem größeren Teil von Bewerbern sitzen.

Die meisten Antragsteller kamen wie im Vorjahr aus Syrien, Afghanistan, Venezuela, Kolumbien und dem Irak. Mehr als die Hälfte der Syrer und Iraker zog es nach Deutschland, ebenso die größte Gruppe der Türken, Nigerianer und Somalier. Bemerkenswert ist, wie stark die Anerkennungsquoten in Europa variieren. Während nur ein Prozent der Afghanen in Bulgarien Schutz bekamen, waren es in der Schweiz (die am Schengen-Raum teilnimmt) 98 Prozent. Ähnlich stark schwankten die Werte für Türken und Venezolaner. Darin liegt ein Anreiz für Antragsteller, sich ihr Zielland auszusuchen. Allerdings weist die Asylbehörde zu Recht darauf hin, dass die Schweiz trotz ihrer hohen Anerkennungsquote nur relativ wenige Antragsteller verzeichnete.

Unverändert ist der Trend bei der Schutzquote insgesamt. Nur 31 Prozent aller Antragsteller erhielten einen durch EU-Recht geregelten Schutzstatus, also die Anerkennung als Flüchtling oder subsidiären Schutz. Weitere 11 Prozent bekamen humanitären Schutz gemäß nationaler Bestimmungen. Das bedeutet im Umkehrschluss: 58 Prozent der Bewerber konnten keinerlei Verfolgung geltend machen und kamen in der Regel aus wirtschaftlichen Gründen über das Mittelmeer. Zwei Drittel aller Antragsteller waren Männer, ein Drittel Frauen und zehn Prozent unbegleitete Minderjährige.

Die EU-Asylbehörde hat 2020 mehr als 40 Prozent der Neuankömmlinge registriert; sie unterstützt inzwischen alle fünf Ankunftsländer am Mittelmeer. Die Mitarbeiter führten 18,000 Interviews, wegen der Pandemie immer öfter per Videochat. Künftig wird die Behörde noch gestärkt. Am Dienstag einigten sich der Rat der Mitgliedstaaten und das Europäische Parlament auf ein erweitertes Mandat für die Agentur, die seit zehn Jahren operativ tätig ist. So wird sie über einen Pool von 500 nationalen Beamten verfügen, die bei Bedarf schnell einem Land zur Hilfe eilen können. Bislang geht das nur ad hoc.

Außerdem soll die Behörde den Mitgliedstaaten künftig auf die Finger sehen und darüber berichten, wie sie die EU-Asylbestimmungen umsetzen. Zum Beispiel scheitern Rückführungen nach Griechenland daran, dass das Land Mindeststandards nicht erfüllt. Allerdings haben die fünf Ankunftsländer, „Club Med“ genannt, eine wichtige Einschränkung durchgesetzt: Dieser Kontrollmechanismus tritt erst in Kraft, wenn das gesamte Asylsystem reformiert worden ist.

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