#Droht der nächste Machtkampf in der CDU?
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„Droht der nächste Machtkampf in der CDU?“
So oder so war klar, dass die nordrhein-westfälische CDU nach der Bundestagswahl eine neue Führung wählen muss. Ministerpräsident Armin Laschet hatte kurz nach seiner Kür zum Unionskanzlerkandidaten im Frühjahr im Interview mit der F.A.Z. betont, dass er keine Rückfahrkarte nach Düsseldorf beanspruche. Dass die Bundestagswahl nun für die CDU so desaströs ausgefallen ist, scheint ihr die Neuaufstellung in Nordrhein-Westfalen noch schwerer als ohnehin zu machen. Im bevölkerungsreichsten Bundesland blieb die Union zwar mit 26 Prozent über ihrem Bundesdurchschnitt, doch stärkste Kraft wurden mit drei Punkten Vorsprung die Sozialdemokraten – die noch vor Kurzem auch in Umfragen hinter den Grünen auf Platz drei lagen. Nun machen sich die Genossen Hoffnungen, bei der Landtagswahl am 15. Mai nach nur einer Legislaturperiode wieder an die Macht zu kommen.
Acht Monate hat Laschets CDU noch Zeit, gegen ihr aktuelles Verlierer-Image anzukämpfen. So gesehen schien es konsequent, dass Generalsekretär Josef Hovenjürgen am Sonntagabend – die ersten niederschmetternden Prognosen waren kaum über die Bildschirme geflimmert – den Beginn des Landtagswahlkampfs seiner Partei ausrief. 230 Tage blieben noch, rechnete Hovenjürgen vor.
Allerdings ist die nordrhein-westfälische CDU aktuell noch nicht einmal bedingt kampfbereit. Obwohl Laschets Abschied schon seit Monaten feststeht, ließ sich auch am Montag nicht absehen, wann sein Landesverband in der Lage ist, seine Führungsfrage zu klären, und ob es eine Lösung aus einem Guss oder zunächst erst einmal eine Übergangslösung geben wird.
Landesvorsitz und Ministerpräsidentenamt in einer Hand
Eine Reihe einflussreicher Leute in der CDU wie der Essener Oberbürgermeister Thomas Kufen dringen seit Wochen darauf, nun Nägel mit Köpfen zu machen. Diese Gruppe spricht sich für den 46 Jahre alten Verkehrsminister Hendrik Wüst als Laschet-Nachfolger aus. Der Vorsitzende der nordrhein-westfälischen CDU-Landesgruppe im Bundestag, Günter Krings, empfahl am Sonntagabend Landesvorsitz und Ministerpräsidentenamt wie bisher in einer Hand zu lassen. Schon vor einigen Tagen hatte sich der aus dem Münsterland stammende Bundesgesundheitsminister Jens Spahn gleichlautend geäußert, was wie nun bei Krings sowohl von den Medien als auch von Parteifreunden als Empfehlung für Wüst interpretiert wurde. Zumal der Verkehrsminister die entscheidende, NRW-spezifische verfassungsrechtliche Voraussetzung für die Wahl zum Ministerpräsidenten erfüllt: Er ist Mitglied des Landtags.
Der erfahrene Machtstratege Herbert Reul, der in seiner Funktion als Innenminister weit über CDU-Kreise hinaus Ansehen genießt, glaubt dagegen, dass es „überhaupt keinen Zeitdruck“ gebe. Er sei 2017 nicht als Innenminister angetreten, um nach fünf Jahren schon wieder abgewählt zu werden. An die Spitze müsse derjenige oder diejenige mit den besten Wahlaussichten gestellt werden. Die sicherste Gewähr, vom Wähler abgestraft zu werden, sei, sich zu streiten, betont Reul ein ums andere Mal in Anspielung auf den zermürbenden Machtkampf, den sich Laschet und CSU-Chef Markus Söder im Frühjahr um die Kanzlerkandidatur lieferten.
Allerdings geht es Reul und anderen in der Partei gar nicht in erster Linie um Konfliktvermeidung, sondern gerade darum, eine Option jenseits von Hendrik Wüst offenzuhalten. Sie favorisieren für die Laschet-Nachfolge in beiden Ämtern die 44 Jahre alte Bauministerin Ina Scharrenbach, die aber kein Landtagsmandat hat. Mit dem Amtsbonus einer Ministerpräsidentin kann sie also nicht in den Wahlkampf ziehen. Ihre Unterstützer halten sie gleichwohl so deutlich besser für die Spitzenkandidatur geeignet als Wüst, dass sie bereit sind, ein bisher nie gewagtes Experiment zu starten: Ein Übergangsministerpräsident soll für Scharrenbach bis nach der Landtagswahl den Stuhl frei halten. Infrage kämen dafür der CDU-Fraktionsvorsitzende Bodo Löttgen oder Finanzminister Lutz Lienenkämper.
Die Opposition erhöht den Druck auf die CDU
In der CDU-Fraktion bezweifeln freilich viele Abgeordnete, ob die Wähler solche machttaktischen Erwägungen goutieren würden. Hinzu kommt: Anders als vom Scharrenbach-Lager behauptet, gibt es sehr wohl Zeitdruck. Wenn sich der Bundestag spätestens in vier Wochen konstituiert, muss Laschet mitteilen, ob er sein Listenmandat in Berlin annimmt. Tut er das, muss er sein Amt als Ministerpräsident umgehend abgeben. Hintergrund ist eine in der aktuellen Lage entscheidende Regelung in der Landesverfassung. Dort heißt es in Artikel 64: „Ein Mitglied der Landesregierung kann nicht gleichzeitig Mitglied des Bundestags oder der Bundesregierung sein.“
Vermutlich wird sich die Sache in den kommenden Tagen beschleunigen. Am Montagabend analysierte zunächst der Landesvorstand der CDU die Lage, an diesem Dienstag steht eine Aussprache auf der Tagesordnung der Landtagsfraktion. Bis zum 18. Oktober können die CDU-Kreisverbände Kandidatenvorschläge für den Landesvorsitz machen. Am 23. Oktober will die CDU dann auf einem Parteitag in Bielefeld einen neuen Landesvorsitzenden oder eine neue Landesvorsitzende wählen. Derweil erhöht die Opposition lustvoll den Druck auf die Union. Josefine Paul, die Ko-Vorsitzende der Grünen-Fraktion, mahnt, Nordrhein-Westfalen brauche eine handlungsfähige Regierung, und verweist auf die vielen Herausforderungen im Land, von der Corona-Pandemie über die Bildungspolitik bis zum Klimaschutz. Oppositionsführer Thomas Kutschaty – der längst als Spitzenkandidat der SPD feststeht – warnt, Armin Laschet dürfe „die Hängepartie jetzt nicht noch länger fortsetzen“. Nordrhein-Westfalen habe schon in den vergangenen Monaten nur noch einen Teilzeitministerpräsidenten gehabt.
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