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#Düstere Aussichten für die Krankenkassen

Düstere Aussichten für die Krankenkassen

Die Krankenkassen malen schreckliche Szenarien an die Wand. Allein die AOK-Gruppe rechnet für 2021 mit einem Defizit von mehr als 4 Milliarden Euro. Insgesamt lagen nach F.A.Z.-Informationen die Ausgaben der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) im ersten Halbjahr um 1,9 Milliarden Euro über den Ausgaben. 2020 hatte es zu diesem Zeitpunkt noch ein Plus von 1,3 Milliarden gegeben. Begründet wird der Kostenanstieg mit teuren Gesetzen, höheren Vergütungen und mit Corona: Verschobene Leistungen würden jetzt nachgeholt.

Für 2021 scheint die Finanzierung gerade noch gesichert. Weil die Zusatzbeiträge und der Bundeszuschuss steigen und weil die Kassenreserven angezapft werden, lassen sich die fehlenden 16 Milliarden Euro ausgleichen. Aber für 2022, wenn ein ähnliches Minus ansteht, sehen die Perspektiven düster aus. Denn die Beiträge kann die Bundesregierung nicht weiter anheben, wenn sie ihre „Sozialgarantie“ von maximal 40 Prozent der Versicherungsbeiträge einhalten will.

Woher sollen die fehlenden Milliarden also kommen? Bereits vereinbart haben Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) und Finanzminister Olaf Scholz (SPD), den ohnehin üppigen Bundeszuschuss von 14,5 Milliarden Euro weiter zu erhöhen. Er wurde 2021 bereits um 5 Milliarden aufgestockt, für 2022 sind 7 Milliarden vorgesehen. Allerdings wird auch das nicht ausreichen, Spahn hatte noch 5,5 Milliarden Euro mehr gewünscht.

90 Prozent der Versicherten betroffen

Falls die Vorhersagen der Kassen stimmen, klafft 2022 trotz der Rekordüberweisungen des Bundes eine Lücke von 10 Milliarden Euro. Ein Teil davon könnte wieder aus den Kassenreserven gedeckt werden, die sich noch immer auf 16 Milliarden Euro belaufen. Dennoch wird sich eine noch größere Steuerbeteiligung nicht vermeiden lassen. Genau das ist im Gesetz zur Weiterentwicklung der Gesundheitsversorgung vorgesehen. Bis Jahresende ermächtigt es Spahn, gemeinsam mit Scholz und unter Zustimmung des Bundestags den Zuschuss weiter aufzustocken.

Nach Vorlage der miesen Halbjahreszahlen dringen die Kassen darauf, diesen Hebel noch vor der Wahl zu ziehen. Die Ersatzkassen hoffen auf eine Bundestags-Sondersitzung am 9. September. Der AOK-Bundesverband warnt, ansonsten drohten zum Jahreswechsel „Beitragssatzanhebungen auf breiter Front“.

Im Wahlkampf spielt das Finanzdesaster, das 90 Prozent der Versicherten betrifft, dennoch keine Rolle. Mit der unbequemen Wahrheit, dass das umlagefinanzierte GKV-System nicht mehr tragfähig ist und die Bürger deshalb künftig tiefer in die Tasche greifen müssen – ob als Steuer- oder Beitragszahler –, lässt sich beim Wähler kein Blumentopf gewinnen. Den Ministern Spahn und Scholz dürfte es recht sein, das verminte Terrain ihren Nachfolgern zu überlassen.

Furcht vor der Bürgerversicherung

Zur überfälligen GKV-Reform findet sich in den Programmen wenig. Die Union will im Grunde alles belassen wie bisher. Sie setzt „weiter auf einkommensabhängige paritätische Beiträge, Eigenbeteiligung und einen Steueranteil für versicherungsfremde Leistungen“. Die FDP möchte „das Gesundheitssystem an die demografische Entwicklung . . . anpassen“, sagt aber nicht, wie. Immerhin bekennen sich die Liberalen zu einer „starken“ Privaten Krankenversicherung (PKV). Die Union hingegen, früher ein Anwalt der Privatversicherten, erwähnt sie nicht einmal mehr. Die Vorstellungen der AfD bauen „auf dem bestehenden deutschen Gesundheitssystem auf“. Die Partei wünscht zwar viele Veränderungen, nicht aber in der grundlegenden Finanzierung.

Die linken Parteien sind ambitionierter. SPD, Grüne und Linke wollen den Systemwechsel hin zu einer Bürgerversicherung. Falls sie die nächste Regierung stellen, dürfte sich die Finanzarchitektur grundlegend ändern. Dann würden alle Personen und auch weitere Einkommensarten in die GKV einbezogen. Ökonomen haben ausgerechnet, dass das die Kassen kurzfristig tatsächlich entlastet. Die demographischen Verwerfungen und die langfristige Unterfinanzierung ließen sich so aber nicht kurieren.

Der PKV-Verband, der nichts mehr fürchtet als die Bürgerversicherung, hat das Positionspapier der Grünen dazu untersucht und kommt zu dem Schluss, dass die Einbeziehung von Kapitalerträgen oder Mieten vor allem Rentner beuteln würde, die solche Einkünfte zur Altersvorsorge nutzten. Wer daraus monatlich 625 Euro beziehe und zusätzlich 1640 Euro Rente, müsse mit dem grünen Modell mindestens 68 Prozent mehr GKV-Beitrag zahlen.

Die Parteien drücken sich um eine weitere unpopuläre Frage herum: wie sich die Ausgaben senken lassen, statt die Einnahmen zu erhöhen. Der Bielefelder Gesundheitsökonom Wolfgang Greiner verweist auf die Überkapazitäten im Klinikwesen. Man brauche weniger Krankenhäuser mit höherer Qualität und in diesen mehr ambulante statt teure stationäre Behandlungen. Auch die Digitalisierung könne beim Sparen helfen. Zugleich müsse man „sehr kritisch prüfen, ob etwas in den Leistungskatalog aufgenommen wird“. Es gelte, höhere Anforderungen an die neuen Gesundheits-Apps auf Rezept zu stellen und darüber nachzudenken, ob und wie teure Gentherapien oder die Behandlung seltener Krankheiten erstattet werden.

Und was hält der Ökonom davon, wie geplant einfach die Haushaltsmittel für die GKV zu erhöhen? „Mit höheren Steuerzuschüssen kann man erst einmal unangenehme Beitragssatzsteigerungen vermeiden“, sagt Greiner. „Dass auch bei Steuerzuschüssen nicht das Geld vom Himmel fällt, werden erst nachfolgende Politikergenerationen erfahren.“

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