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#Eine Art Alltag für ukrainische Flüchtlingskinder

„Eine Art Alltag für ukrainische Flüchtlingskinder“

Kurz nach Unterrichtsbeginn um halb zehn fliegt die Tür des Klassenzimmers auf, und Andrej tritt ein. Der zehn Jahre alte Junge stürmt in die Mittelreihe, setzt sich in die zweite Bank. Seine 18 Mitschüler sind bereits da, sie sind zwischen zehn und 16 Jahre alt, sitzen mit geradem Rücken und haben ihre Arme parallel vor sich auf dem Tisch. An der Tafel ist mit Kreide eine große ukrainische Flagge gemalt, an der Wand hängen Tafeldreieck, Lineal sowie drei große Landkarten von Europa, Deutschland und Sachsen.

Stefan Locke

Korrespondent für Sachsen und Thüringen mit Sitz in Dresden.

An diesem Montag ist für sie alle hier der erste Unterrichtstag, und Olena Fedorets, die Lehrerin, will wissen, woher die Kinder kommen. Sofort fliegen die Hände nach oben, nacheinander hallen Städtenamen wie Dnipro, Kiew, Charkiw, Lemberg und Schytomyr durch den Raum. Seit drei, maximal vier Wochen sind die Kinder in Dresden. Drei von ihnen sind gemeinsam mit ihrem Müttern bei Verwandten untergekommen, zwei bei Bekannten. Die anderen erzählen von langen Zug- und Busfahrten und dass sie bereits eine Wohnung oder ein Zimmer in einer Pension bezogen haben.

„Wir sind in Deutschland“, sagt Fedorets. „Welche deutschsprachigen Länder kennt ihr?“, fragt sie. Sofort sind die Hände wieder oben. Österreich und die Schweiz, rufen die Kinder auf Russisch. Das ist die Unterrichtssprache, darauf haben sie sich beim Kennenlernen ein paar Tage zuvor gemeinsam mit den Eltern verständigt.

„Hauptstadt: Berlin“: Die ukrainische Lehrerin Olena Fedorets bringt geflüchteten Kindern Deutsch bei.


„Hauptstadt: Berlin“: Die ukrainische Lehrerin Olena Fedorets bringt geflüchteten Kindern Deutsch bei.
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Bild: Stefan Locke

„Russisch ist Alltagssprache in der Ukraine“, sagt Fedorets. „Das ist für alle am einfachsten.“ Auch untereinander sprechen die Kinder Russisch. Fedorets ist Deutschlehrerin und stammt aus dem ukrainischen Saporischschja. Sie ist 48 Jahre alt, hat einen deutschen Mann geheiratet und kam vor drei Jahren nach Dresden.

Bisher hat sie Menschen aus verschiedensten Ländern Deutsch als Zweitsprache beigebracht, doch als sie sah, wie viele ihrer Landsleute in den vergangenen Wochen als Flüchtlinge ankamen, bewarb sie sich auf eine Stelle im sächsischen Schuldienst und wurde prompt eingestellt. Jetzt ist sie Lehrerin an der 55. Oberschule im Dresdner Süden, einem mächtigen, klassizistischen Bau in der Nähe der Universität. 200 Stellen hat das Land vorerst für ukrainische Lehrer geschaffen, um vor allem den vielen vertriebenen Kindern schnell wieder Unterricht und eine Art Alltag zu bieten.

Am Tag des Angriffs aufgebrochen

Bis zum 11. April seien bereits 89 Ukrainer eingestellt worden, heißt es aus Sachsens Kultusministerium, sowohl geflüchtete Lehrerinnen als auch Ukrainer, die schon länger in Deutschland leben. Deren Abschlüsse waren bisher nicht anerkannt worden, was auch in anderen Berufen immer wieder ein Problem ist. „Wir müssen schneller werden bei der Anerkennung der Abschlüsse“, sagt Sachsens Kultusminister Christian Piwarz (CDU).

Knapp 2800 aus der Ukraine geflüchtete Schüler besuchen bereits eine sächsische Schule, die meisten davon eine öffentliche. Noch viel mehr ukrainische Schulkinder lernen von zu Hause aus mit Materialien, die von ihren ukrainischen Schulen im Netz zur Verfügung gestellt werden. Bisher sind 25.000 Kriegsflüchtlinge in Sachsen angekommen, mehr als 80 Prozent davon Frauen und Kinder. Platz ist vor allem in den Schulen auf dem Land, doch viele wollen gerne in den Städten bleiben.

Erste Schritte: Selbst gefertigtes Unterrichtsmaterial liegt für Schulkinder aus der Ukraine in einer Willkommensklasse des Gymnasium Trudering auf einem Tisch


Erste Schritte: Selbst gefertigtes Unterrichtsmaterial liegt für Schulkinder aus der Ukraine in einer Willkommensklasse des Gymnasium Trudering auf einem Tisch
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Bild: dpa

Die Kinder in Fedorets’ Klasse haben den Krieg nicht selbst gesehen. „Viele sind noch am Tag des Angriffs nach Westen und dann ins Ausland gefahren“, berichtet die Lehrerin. Den Krieg will sie im Unterricht nicht thematisieren, gleichwohl wissen die Kinder Bescheid. Auf die Frage, was sie einmal werden wollen, antworten gleich fünf der vor ihr sitzenden Jungen mit „in die Armee gehen“.

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