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#Erster Blick ins Unbekannte

Man muss die Feste feiern, wie sie fallen. Also begeht die thüringische Stadt Altenburg in dieem Jahr den 175. Gründungstag ihres Lindenau-Museums – 1848 stiftete der sächsische Spitzenbeamte und spätere Namensgeber Bernhard August von Lindenau seinem Heimatort die eigenen Kunstsammlungen. Den im Schlosspark gelegenen hochherrschaft­lichen Neubau von 1876 zur Aufnahme dieser Stiftung hat Lindenau nicht mehr erlebt und auch nicht, dass seine hierzulande einmalige Kollektion an Malerei des italienischen Trecento und der Frührenaissance das Haus weltberühmt gemacht hat.

Ausgerechnet im Jubiläumsjahr jedoch ist das Museum wegen Umbaus geschlossen, und da denkmaltechnisch einiger Streit aufkam, wird es das auch noch ein paar weitere Jahre so sein. Dafür kommen dann die prachtvollen, aber derzeit noch extrem renovierungsbedürftigen Marställe als Ausstellungsflächen dazu, und damit diese attraktiven Raumfluchten auch attraktiv gefüllt werden können, ist das Lindenau-Museum eine Kooperation mit einer Berliner Stiftung eingegangen, die über eine bislang weitgehend unbekannte rheinische Privatsammlung an (zur Mehrzahl deutschen) Bildern aus der ersten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts verfügt, darunter Werke des Expressionismus, der Neuen Sachlichkeit und des Symbolismus.

Einer der Höhepunkte der Sammlung Peltzer: Ernst Ludwig Kirchners „Schlangenmensch“ von 1923


Einer der Höhepunkte der Sammlung Peltzer: Ernst Ludwig Kirchners „Schlangenmensch“ von 1923
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Bild: Punctum/Bertram Kober

Damit wird das Museum nach der Wiedereröffnung an seine Tradition anknüpfen können: Wie Lindenaus Privatsammlung 1848 bedeutet auch die Stiftungskollektion, deren Bestand dem Haus im Gegenzug für konservatorische Betreuung als Dauerleihgabe zur Verfügung stehen wird, eine Neuausrichtung für Altenburg, denn die Moderne war dort bislang nicht prominent vertreten. Drei Dutzend Bilder aus insgesamt mehr als dreihundert sind jetzt bereit als Kostprobe zu sehen: im Prinzenpalais des Residenzschlosses, weil das innerstädtische Lindenau- Interims­quartier auch eine derart konzentrierte Ausstellung nicht aufnehmen kann.

Ein rheinischer Sammler mit eigenem Geschmack

Zusammengetragen hatte die Sammlung seit den Zwanzigerjahren der Unternehmer Felix Peltzer (1896 bis 1983), dessen individueller Geschmack teil­weise quer zum jeweils gängigen Kunst­diskurs lag. Dadurch finden sich nun in der Altenburger Ausstellung Bilder von für lange Zeit vergessenen Malern wie Jankel Adler oder Franz Xaver Fuhr, beide von den Nationalsozialisten als „entartet“ geschmäht, neben zwei Frühwerken von Werner Peiner, der zu Hitlers liebstem Tapisseriekünstler werden sollte. Begonnen aber hatte dieser technisch ausgefuchste Maler in Geist und Gestus der desillusionierten und entsprechend spirituell gestimmten Frontkämpfergeneration des Ersten Weltkriegs. Und wurde dann modisch sachlich, ehe er in den Dreißigern Anschluss ans Völkische suchte, ohne jedoch die Faszination am Exotischen aufzugeben.

Eines der unbekannteren Werke: Heinrich Lauers „Blumenvase auf rundem Tisch“, um 1919


Eines der unbekannteren Werke: Heinrich Lauers „Blumenvase auf rundem Tisch“, um 1919
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Bild: Bertram Kober

An berühmteren Namen ist indes kein Mangel in der ersten Auswahl: Hofer, Rohlfs oder Marianne Werefkin. Dazu doch einiges Ausländische: ein grandioses Montmartre-Bild von Frans Masereel, zwei großformatige Frauenporträts in Tusche und Kreide von Jules Pascin, wichtige Pariser Künstler der zweiten Reihe wie Manguin, Lurçat oder Friesz, mit dem Niederländer Anton Mauve auch der Lehrer Van Goghs. Vor allem aber sind fast alle wichtigen Brücke-Künstler vertreten – für Pechstein hegte Peltzer eine besondere Vorliebe –, und dass dabei Emil Nolde fehlt, ist nur einem früheren Verkauf durch Peltzers Witwe geschuldet, die sich auch von Lovis Corinths Porträt des Berliner Herrenschneiders Walter Silberstein getrennt hat, das während des NS-Zeit unter dubiosen Umständen der jüdischen Familie des Porträtierten verloren ging. Felix Peltzer hatte es 1954 gekauft und sich darum bemüht, die Provenienzgeschichte zu klären. Sein Ver­ständnis von der Verantwortung eines Sammlers gerade der in Deutschland so heftig verfemten Moderne hielt er 1953 in einem Brief fest: „Jedenfalls halte ich es für wichtig genug, bei Kunstwerken, die die Gegenwart überdauern werden, soviel Material zur Klärung herbeizuschaffen, wie irgendwie möglich ist.“

Davon profitiert nun Altenburg, und im ambitionierten Katalog zur Schau kann man bereits sehen, dass mit dem zum Stiftungsbestand zählenden Privatarchiv Peltzers interessantes Arbeiten möglich sein wird. Die Frage, was noch aufgeboten werden kann außer dem schönen ­Brücke-Komplex – etwa die von Peltzer geschätzte rheinische Kunstszene der Nachkriegszeit (aber nicht Ernst Wilhelm Nay!) –, lässt neugierig werden auf den noch unbestimmten Tag der Wiedereröffnung des Lindenau-Museums nach der Sanierung. Wie auch die geschickt formulierten Begleittexte zur aktuellen Ausstellung, die zeigen, dass man einfach sprechen kann, ohne kunsthistorisch flach zu werden.

Kirchner, Pechstein, Werefkin – Meisterwerke aus der Sammlung Peltzer. Im Prinzenpalais des Residenzschlosses Altenburg; bis zum 30. Juli. Der schöne, aber leider nicht alle ausgestellten Objekte kommentierende Katalog kostet 28 Euro.

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