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#Ende einer Hoffnung

Zu sehen gibt es nicht viel an dem Tag, an dem alles zu Ende geht. Es ist nicht so, dass irgendjemand am kommenden Sonnabend einfach nur einen großen Knopf betätigt. „Den Knopfdruck gibt es zwar, den wendet man aber nur im Notfall an“, sagt der zuständige Abteilungsleiter im Umweltministerium. Das Ganze sei „ein gesteuerter, sehr komplizierter Prozess“, der unter anderem das Herausziehen der Brennelemente umfasst.

Ralph Bollmann

Korrespondent für Wirtschaftspolitik und stellvertretender Leiter Wirtschaft und „Geld & Mehr“ der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung in Berlin.

Weitgehend unsichtbar endet also am 15. April 2023 nach rund 60 Jahren in Deutschland die Ära der Elektrizität, die aus der Spaltung des Atoms gewonnen wird. Es war eine Technologie, die wie kaum eine andere übersteigerte Hoffnungen ebenso weckte wie apokalyptische Ängste. Als sie den meisten Strom lieferte, war sie in der Bevölkerung am wenigsten beliebt. Heute, wo die endgültige Abschaltung bevorsteht und Putins hybride Kriegsführung die Risiken größer denn je erscheinen lässt, ruft eine Umfragemehrheit nach längeren Laufzeiten. Einige wollen sogar neue Kraftwerke – ohne freilich zu sagen, ob sie die Meiler auch im eigenen Vorgarten wünschen.

Am Anfang, im fernen Jahr 1955, stand die Gründung eines eigenen Bundesministeriums für Atomfragen, aus dem sich später das Forschungsministerium entwickelte. Als erster Ressortchef amtierte im ehemaligen Hotel Godesberger Hof ein äußerst selbstbewusster Jungpolitiker aus Oberbayern, der gerade 41 Jahre alte Franz Josef Strauß. In seinen Augen war die Atomfrage für den Status der Bundesrepublik zentral. „Wenn wir unseren 10- bis 15-jährigen Rückstand nicht sehr rasch aufholen, werden wir wahrscheinlich darauf verzichten müssen, in Zukunft zu den führenden Nationen gezählt zu werden“, äußerte er damals. Was er weniger laut sagte: Es ging auch um das Aufschließen Bayerns an industrielle Zentren wie das Ruhrgebiet, das über fossile Energie im Überfluss verfügte.

Atomkraft im Wettlauf der politischen Systeme

Aus der Perspektive des CSU-Politikers galt das allerdings auch für die militärische Nutzung der Atomtechnik. Mit dem Verzicht auf eine eigene Bombe sei „eine politische und militärische Deklassierung verbunden, die uns auf den Stand eines militärischen Hilfsvolks herabdrückt“, klagte er über die Politik seines Regierungschefs Konrad Adenauer, die Deutschen drohten „das Fußvolk der amerikanischen Atomritter“ zu werden. Das implizierte eine gedankliche Verbindung zwischen Atombombe und Atomkraftwerk, die später die Debatte noch sehr belasten sollte.

Die Spaltung des Atoms zu friedlichen Zwecken blieb freilich am Anfang ziemlich unumstritten. Allenfalls der argumentative Überschwang mochte für einen Konservativen ungewöhnlich erscheinen. Es waren die Sozialdemokraten, die von der Kernkraft den größten Fortschritt ersehnten. „Das ist auch die Hoffnung dieser Zeit, dass der Mensch im atomaren Zeitalter sein Leben erleichtern, von Sorgen befreien und Wohlstand für alle schaffen kann, wenn er seine täglich wachsende Macht über die Naturkräfte nur für friedliche Zwecke einsetzt“, hieß es im Godesberger Programm von 1959. Das war die Überzeugung einer Partei, die auch den Abriss dunkler und feuchter Altbauten vorantrieb, weil Stadtautobahnen und Großsiedlungen eine lichtere und luftigere Zukunft versprachen.

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