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#Erdogans Veto in der NATO: Ein Geschenk für Putin

„Erdogans Veto in der NATO: Ein Geschenk für Putin“

Auf eines konnte sich Putin immer verlassen: dass der Westen sich in entscheidenden Momenten selbst schwächt. Nicht einmal der Überfall auf die Ukraine, die größte Erschütterung der europäischen Sicherheitsordnung seit Jahrzehnten, ändert daran etwas. Bis vergangene Woche glaubte offenbar jeder in der NATO, die Aufnahme von Finnland und Schweden könne im Schnellverfahren durchgezogen werden. Die Vorteile für beide Seiten liegen ja auf der Hand: mehr Sicherheit für die beiden Länder, mehr strategische Tiefe für das Bündnis. Die allgemeine Sorge galt nur möglichen russischen Reaktionen.

Nun aber erledigt ein NATO-Mitglied Putins Geschäft. Die Türkei hat nicht einmal den Beginn der Beitrittsverhandlungen zugelassen, die Norderweiterung der Allianz wird zu einer Hängepartie.

Soweit bekannt ist, hat Erdogan die anderen Verbündeten überrumpelt. Das ist nicht der Stil, der in einem Bündnis vorherrschen sollte. Aber der türkische Präsident war noch nie für diplomatische Umgangsformen bekannt. Dass ihm manche nun eine „Basar“-Mentalität unterstellen, ist allerdings auch nicht feiner. Diese Beschreibung unterschätzt vor allem die strategischen Differenzen, die zwischen Ankara und vielen anderen Verbündeten bestehen.

Erdogan muss keine Kompromisse machen

Die Türkei blickt viel stärker auf den Nahen Osten als die Europäer. Gerade in Syrien ist Russland da ein entscheidender Akteur. Nicht ohne Grund hat sich Erdogan in der Ukraine-Krise in der Mitte positioniert. Die Kurdenfrage wiederum ist das überragende sicherheitspolitische Thema der Türkei, auch wenn man die im Westen anders gelöst sehen will als in Ankara. Und als Kampf zwischen Autoritarismus und Demokratie wird einer wie Erdogan den Ukraine-Krieg sicher nicht verstehen, er ist ja selbst alles andere als ein Liberaler. Mit Putin pflegt er wechselvolle, aber oft auf Ausgleich bedachte Beziehungen.

Das macht es nicht unmöglich, die Forderungen zu erfüllen, die Erdogan nun in Washington, Stockholm und Helsinki erhebt. Aber seine geopolitischen Interessen zwingen ihn nicht zu Kompromissen. Er kann hier mehr gewinnen als verlieren, deshalb ist es unwahrscheinlich, dass die „Korrektur von Missverständnissen“ ausreichen wird, welche die finnische Ministerpräsidentin in Aussicht gestellt hat. In der NATO sollte man sich darauf einstellen, dass der Beitritt der beiden nordischen Nationen ohne substanzielle Zugeständnisse an die Türkei nicht vollzogen werden kann.

Für die strategische Lage in Nordeuropa ist das im Augenblick weniger gravierend, als es die Dringlichkeit der beiden Beitrittsgesuche erscheinen lässt. Große Teile der russischen Streitkräfte sind auf absehbare Zeit in der Ukraine gebunden. Eine Ausweitung des Krieges nach Finnland oder in die Ostsee würde Putins ohnehin schon schwierige Aussichten auf seinem primären Schauplatz weiter verschlechtern. Die abschreckende Wirkung, die sich Finnland und Schweden vom Beitritt zur Allianz erhoffen, lässt sich zur Not auch durch bilaterale Beistandserklärungen erzielen. Da kommt es vor allem auf die Vereinigten Staaten an. Präsident Bidens öffentliche Äußerungen gehen schon in diese Richtung. Atomwaffen und NATO-Stützpunkte wollen die beiden Länder ohnehin nicht auf ihrem Staatsgebiet haben.

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Je länger die NATO Erdogans Spiel spielen muss, desto schwieriger könnte es allerdings werden, noch zu einem guten Abschluss zu kommen. Die öffentliche Meinung in Schweden und Finnland kann sich wieder ändern. Und im Laufe der Zeit könnten bei manchen Verbündeten Sorgen entstehen, dass die Verlängerung der NATO-Außengrenze zu Russland um 1300 Kilometer vielleicht doch zu konfrontativ wäre. Der Kreml wird jedenfalls nichts unversucht lassen, solche Zweifel zu schüren.

Erdogan ist nicht der Einzige, der die Geschlossenheit des Westens gegenüber Putin auf die Probe stellt. Ungarn stellt sich noch beim geplanten Ölembargo der EU quer. Auch andere Länder, unter ihnen Deutschland, haben das Tempo und den Umfang der westlichen Sanktionen immer wieder verringert. In einer Welt von unabhängigen Staaten, deren Interessen nicht identisch sind, ist das nicht zu vermeiden.

Das Besondere am Fall der Türkei ist, dass nicht einmal eine ernste Veränderung der Bedrohungslage ein Ausscheren aus dem Bündniskonsens verhindern konnte. Hier geht es nicht um die schwierigen und oft erfolglosen Auslandseinsätze der vergangenen Jahre, von denen viele westliche Regierungen nichts mehr wissen wollen. Es geht um das, wofür die NATO gegründet wurde: kollektiver Schutz, früher vor der Sowjetunion, heute vor Russland. Dass das alleine im Jahr 2022 nicht mehr ausreicht, um eine Entscheidung zu treffen, die das Bündnis politisch und militärisch stärken würde, wird man nicht nur in Moskau mit Interesse verfolgen.

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