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#Kann man auf TikTok an die Shoa erinnern?

Kann man auf TikTok an die Shoa erinnern?

Im Jahr 1987 besucht Chaim ­Herzog als erster israelischer Staatspräsident die Bundesrepublik Deutschland. Im ehemaligen Konzentrationslager Bergen-Belsen, an dessen Befreiung er 1945 als Teil der britischen Armee beteiligt war, hält er eine Rede, die die Hoffnung der Deutschen auf einen baldigen Schlussstrich zunichtemacht: „Ich bringe weder Vergebung noch Vergessen. Die einzigen, die vergeben können, sind die Toten; die Lebenden haben kein Recht, zu vergessen.“

Heute, 77 Jahre nach Kriegsende, scheint seine Mahnung so fern wie nie. Denn angesichts schwindender Zeitzeugen gestaltet sich der Kampf gegen das Vergessen immer schwieriger. Obwohl die Verbrechen des NS-Regimes eigentlich Standard in jedem Geschichtsunterricht sind, scheint nicht bei allen Deutschen etwas davon hängengeblieben zu sein. Das belegt eine Studie, die 2018 unter Befragten in ganz Europa durchgeführt wurde. 40 Prozent der deutschen Befragten zwischen 18 und 34 gaben dabei an, nichts oder wenig über den Holocaust zu wissen. Und sie sind damit nicht allein: In den USA konnten 48 Prozent der in einer Studie des Claim Center befragten Millennials kein einziges Konzentrationslager namentlich nennen. Bayern ist bisher das einzige Land, das einen Besuch in einer NS-Gedenkstätte verpflichtend als Teil des Lehrplans vorsieht. Andere Länder „empfehlen“ den Besuch lediglich, mit dem Ergebnis, dass unter befragten Erwachsenen nur gut jeder zweite angab, schon einmal ein ehemaliges Konzentrationslager besucht zu haben. Kein Wunder, dass es gerade bei jungen Menschen solch eklatante Wissenslücken gibt.

Antisemitismus auf Facebook

Wenn aber reguläre Bildungsangebote keine Wirkung entfalten, welche Möglichkeiten gibt es sonst? Können digitale Medien helfen, die Erinnerung wach und lebendig zu halten? Auf den ersten Blick eignen sich soziale Medien denkbar schlecht dazu, um sich ernsthaft mit dem Holocaust auseinanderzusetzen. In den Netzwerken wird der Holocaust ungestört geleugnet und relativiert, die Betreiber der Plattformen reagieren häufig nicht auf antisemitische Inhalte, oft fördern deren Algorithmen sie sogar. Untersuchungen einer britischen Forschungsgruppe ergaben, dass Facebook Nutzern holocaustleugnende Inhalte präsentierte, wenn nach dem Begriff Holocaust gesucht wurde. Wer Zeit auf solchen Seiten verbrachte, dem wurden weitere verwandte Gruppen oder Inhalte angezeigt. Obwohl Facebook im Oktober 2020 seine Richtlinien zu Hate Speech anpasste, um auch Holocaustleugnung und -relativierung einzuschließen, offenbart eine einfache Suche nach den Schlagwörtern „Holocaust“ und „fake“ immer noch Abgründe: „Wenn es Vernichtungslager waren, warum gab es in den Lagern dann so viele Babys?“ und „Rothschild, Rockefeller, Kissinger, Soros – Sie sind das wahre Virus“ sind nur zwei Beispiele für den Antisemitismus, der sich auf Facebook noch immer ungestört austobt. Beide, so ergibt eine Prüfung durch Facebook, verstoßen nicht gegen die Gemeinschaftsrichtlinien.

Selbst wenn antisemitische Inhalte nicht aktiv geteilt werden, führt die Dynamik sozialer Netzwerke oft zu einem respektlosen Umgang mit dem Thema. Besucher balancieren auf den Zugschienen in Auschwitz oder hüpfen auf den Stelen des Holocaust-Denkmals in Berlin herum. Gedenkstätten und Mahnmale verkommen zu Kulissen für Selfies; Menschen lächeln in einem Raum, der bis zur Decke mit Schuhen von Opfern gefüllt ist, fröhlich in ihre Kamera. Hier sind also eine Million Menschen ermordet worden? #sad. Der Comedian Shahak Shapira reagierte darauf mit seinem Projekt #Yolocaust, indem er die Influencer samt Yogaposen in Bilder aus Konzentrationslagern hineinretuschierte.

Selfies aus Auschwitz

Auch die Plattform TikTok erlebte 2020 eine Welle der Empörung, als Nutzer sich in einer „Holocaust Challenge“ als Opfer des Holocausts verkleideten, mit selbst gebasteltem Judenstern und geschminkten Verletzungen. Angeblich zu „Bildungszwecken“, wie eine Nutzerin später behauptete. Die Auschwitz Memorial Foundation schrieb dazu: „Wir sollten das Bewusstsein dafür stärken, dass nicht jede Aktivität in den sozialen Medien geeignet ist, des Holocausts zu gedenken. Sie erfordert immer Respekt gegenüber den Opfern (. . .) und sachliche Richtigkeit.“

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