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#Hat sich der Brexit gelohnt?

Hat sich der Brexit gelohnt?

Als Brexiteers und Remainers am 23. Juni 2016 ihre Stimme im EU-Referendum abgaben, prallten extreme Prognosen aufeinander. Während die Freunde der Europäischen Union vor einer „Katastrophe“ für das Vereinigte Königreich warnten, verhießen die Gegner des Integrationsprojekts ein „globales Britannien“, das sich, „befreit von den Fesseln der EU“, noch viel prächtiger entwickeln werde.

Eine Zwischenbilanz nach den ersten fünf Jahren dürfte wohl zum Ergebnis gelangen, dass beide Seiten ein bisschen dick aufgetragen haben.

Chaotisch war vor allem die Phase bis zur Einigung auf ein Austrittsabkommen. Dreieinhalb Jahre stürzte der Streit über die Umsetzung des Referendums die tief zerrissene britische Gesellschaft von einer Krise in die nächste, fegte Regierungen hinweg und brachte das ehrwürdige Westminster-System bis an den Rand der Funktionsfähigkeit.

Brexit- und Coronafolgen vermengten sich

Seit Johnsons Wahlsieg im Dezember 2019 hat sich das Land politisch wieder beruhigt, geriet aber in die Fänge der Corona-Pandemie. Diese macht es schwer, insbesondere die wirtschaftlichen Folgen des Brexits gesondert zu betrachten, weil sich beide Phänomene miteinander vermengen.

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Unbestritten ist, dass der Brexit der britischen Exportwirtschaft geschadet hat. Allein in Deutschland ist das Vereinigte Königreich vom dritten auf den sechsten Platz der wichtigsten Handelspartner gefallen. Ob die Einbrüche dauerhaft sind oder vom Effekt neuer Freihandelsabkommen kompensiert werden können (das erste mit Australien wurde gerade abgeschlossen), ist unklar.

Weiter Europas zweitgrößte Volkswirtschaft

Von einer Katastrophe lässt sich aber nicht sprechen. Die Wachstumsprognosen sind gut, die Währung ist stabil, die Londoner City blieb der mit Abstand größte Finanzplatz Europas, und das nunmehr „souveräne“ Königreich behauptete seinen Rang als zweitgrößte europäische Volkswirtschaft.

Etwas schwerer trägt die britische Regierung am politischen Fallout. Auf dem G-7-Gipfel präsentierte sich Boris Johnson als Gastgeber, der in engem Schulterschluss mit dem amerikanischen Präsidenten Joe Biden neue Initiativen auf den Weg bringen kann. Die beträchtlichen Investitionen in den nationalen Militärapparat und das strategische Anlehnen an die Vereinigten Staaten lassen die Nuklearmacht und das UN-Sicherheitsratsmitglied Großbritannien weiter als führendes Land auf der Bühne der internationalen Sicherheitspolitik auftreten. Zugleich ist aber deutlich geworden, wie sehr der Brexit die Beziehungen zur EU, insbesondere zu Frankreich belastet, ja vergiftet hat.

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Die unerquickliche Lage in Nordirland, wo sich London seit Monaten weigert, seine Verpflichtungen aus dem Austrittsabkommen zu erfüllen, verstärkt dabei nicht nur das Misstrauen auf dem Kontinent. Sie strahlt auch negativ nach innen aus. Die Fliehkräfte an den Rändern des Königreichs sind bedrohlich gewachsen.

Legalistische Haltung in Brüssel

Dafür sind zuallererst die Haltung Londons und der Brexit selbst verantwortlich. Allerdings weisen selbst britische EU-Freunde bekümmert darauf hin, dass Brüssel und andere europäische Hauptstädte mit ihrer starren, legalistischen Haltung in den Post-Brexit-Verhandlungen die Probleme nicht gerade entschärfen helfen.

Johnsons Versprechen, mit dem EU-Austritt gleichsam in die Morgensonne zu reiten, ist von vielen Schatten begleitet. Das Auseinanderstreben der britischen Union, vor allem der Separatismus Schottlands, wird die Regierung noch Jahre beschäftigen und viel politische Energie binden. Die Friktionen in den Handelsbeziehungen zum großen Nachbarn wären mit einem anderen Austrittsvertrag vermeidbar gewesen.

Auch die kulturelle Abkoppelung vom Kontinent, die sich keinesfalls in der Aufkündigung des Erasmus-Programms erschöpft, ist mittlerweile spürbar. Das Königreich fühlt sich weniger europäisch an und wieder mehr als Teil der „Anglosphere“. Das könnten irgendwann auch jene Brexiteers bedauern, die einen Sinn für historische Bindungen haben und Amerika keinesfalls in all seinen Dimensionen umarmen.

Auf der Habenseite verbuchen die Briten mehr Handlungsfreiheit. Die erfolgreiche Impfkampagne der Regierung Johnson wurde sogar von der EU-Kommissionspräsidentin damit erklärt, dass ein „Schnellboot“ manchmal Vorteile gegenüber einem „Tanker“ habe. Auch darf die Regierung Johnson jetzt mit (auf britische Interessen zurechtgeschnittenen) Hilfspaketen, Investitionsoffensiven und Freihäfen experimentieren, ohne dabei mit einem Brüsseler Wettbewerbskommissar in Konflikt zu geraten.

Gebrauch gemacht hat London nicht zuletzt von seiner neuen Möglichkeit, die Einwanderung nach eigenen Bedürfnissen zu gestalten. „Global Britain“ steht jetzt – von (kleinen) Ausnahmen für Flüchtlinge abgesehen – nur noch Neuankömmlingen offen, die nachweislich zur Volkswirtschaft beitragen.

Wie sich all das Für und Wider des Alleingangs auf Dauer entwickelt, wird man wohl erst in einigen Jahren sehen. Bislang lässt sich festhalten, dass der Brexit die Briten nicht in den Abgrund gezogen hat. Er führte aber auch nicht dazu, dass in der EU Nachahmer Schlange stehen würden.

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