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#Er verkörpert die Einheit des Staates

Er verkörpert die Einheit des Staates

Haben wir eine Wahl? Nein, haben wir nicht. Das Staatsoberhaupt wird am Sonntag nicht von den Staatsbürgern direkt gekürt – obwohl das immer wieder einmal gefordert wurde, auch von Bundespräsidenten selbst. Es tritt vielmehr die Bundesversammlung zusammen, ein Kreationsorgan, das nur einen Zweck hat: die Wahl des Präsidenten.

Reinhard Müller

Verantwortlicher Redakteur für „Zeitgeschehen“ und F.A.Z. Einspruch, zuständig für „Staat und Recht“.

Die Wahl und das Amt entstanden aufgrund der Weimarer Erfahrungen. Es war gerade der unmittelbar vom Volk gewählte und mit umfangreichen Befugnissen ausgestattete Reichspräsident, den man nach dem Krieg so nicht wieder wollte. Man wollte keinen Gegenspieler zum Parlament, der es auflösen und mit Notverordnungen regieren konnte und auch noch den Oberbefehl über die Streitkräfte innehatte. Ein Ersatzkaiser war nicht mehr erwünscht, der Bedarf an Hindenburgs war gedeckt.

Der Präsident aber sollte erhalten bleiben. Es ist nicht so, dass das Amt „auf vor allem geistig-moralische Wirkung angelegt“ wäre. Natürlich kann das Staatsoberhaupt durch Reden und Strippenziehen einiges bewirken, je nach Persönlichkeit und Umständen. Doch sind seine ausdrücklichen, ihm vom Grundgesetz zugewiesenen Befugnisse auch nicht gering.

Mehr als ein bloßes Vollzugsorgan

Der Bundespräsident ist Verfassungsorgan. Er verkörpert die Einheit des Staates und vertritt Deutschland völkerrechtlich nach außen. Damit ist zwar keine außenpolitische Gestaltungsmacht gemeint. Immerhin hat aber etwa Joachim Gauck einst harsche Kritik an der türkischen Regierung geäußert und persönlich die Olympischen Spiele in Sotschi „boykottiert“.

Wie bei der Ernennung von Beamten, Offizieren und Ministern – bis hin zum Bundeskanzler, den der Bundespräsident auch vorschlägt, ist das immerhin eine Mitwirkung. Der Präsident ist nun nicht zur Personalpolitik berufen, er ist aber auch kein bloßes Vollzugsorgan.

Er könnte auch eine Ernennung ablehnen. Jedenfalls dann, wenn er die gesetzlichen Voraussetzungen als nicht gegeben ansieht. Wie bei den Gesetzen, die der Bundespräsident ausfertigt, könnte man fragen, ob es einem der Hüter der Verfassung zuzumuten ist, an einem ihm evident verfassungswidrig erscheinenden Vorgang mitzuwirken.

Immerhin ließ das Bundespräsidialamt unter Horst Köhler 2005 der designierten Bundeskanzlerin Merkel mitteilen, sie möge bitte ihre Ankündigung revidieren, sie werde einen verfassungswidrigen Haushalt vorlegen; der Bundespräsident können niemanden zur Wahl vorschlagen, der einen Verfassungsbruch beabsichtige. Merkel folgte.

Klagen in Karlsruhe gegen den Bundespräsidenten

Immer wieder haben Bundespräsidenten auch Gesetze nicht ausgefertigt, weil sie sie für verfassungswidrig hielten (was manche Parteifreunde in Regierung und Parlament in Wallung brachte), oder sie meldeten Bedenken an und sie gingen vor das Bundesverfassungsgericht. Auch Amtsinhaber Frank-Walter Steinmeier meldete mehrfach verfassungsrechtliche Zweifel an.

Aber auch der Bundespräsident selbst war schon mehrfach Gegenstand von Verfahren in Karlsruhe. Denn natürlich steht auch der Bundespräsident im Gefüge des Grundgesetzes, nicht über ihm. Karl Carstens und Horst Köhler etwa hatten nach „Vertrauensfragen“, die angezweifelt wurden, den Bundestag aufgelöst – das Bundesverfassungsgericht sah aber keinen Verfassungsverstoß. Der Präsident, so die Karlsruher Richter 2005, treffe die Entscheidung, den Bundestag aufzulösen, „als politische Leitentscheidung in eigener Verantwortung nach pflichtgemäßem Ermessen“. Eine solche Entscheidung, der immerhin auch die des Bundeskanzlers und des Bundestages vorausgegangen waren, sei nur eingeschränkt überprüfbar.

Das Verfassungsgericht achtet auch sonst – auf Antrag – auf die Grenzen des Amts auch des Staatsoberhaupts. Als Bundespräsident Joachim Gauck vor Berufsschülern mit Blick auf die NPD davon sprach, den „Spinnern“ ihre Grenzen aufzuweisen, wirkte er, so die Bundesverfassungsrichter „im Sinne der Integration des Gemeinwesens“. Er entscheide autonom, wie er seine Rolle ausfülle. Der Bundespräsident sei kein politisch indifferenter „Amtswalter“, sondern repräsentiere „Staat und Volk“. Damit sei er bei der Wahl seiner Themen ebenso frei wie in der Art der Kommunikation. Nur wenn der Präsident „unter evidenter Vernachlässigung seiner Integrationsaufgabe und damit willkürlich Partei ergreift“, seien seine Äußerungen vom Bundesverfassungsgericht zu beanstanden.

Populär durch Abgrenzung von den Parteien

Der Präsident kann also vom Bundesverfassungsgericht grundsätzlich in die Schranken verwiesen werden; verlieren kann er sein Amt nur im Wege der mit hohen Hürden verbundenen Präsidentenanklage. Abwählen kann man ihn nicht.

Der Bundespräsident hat also durchaus Mittel und Wege, eine eigene Agenda zu verfolgen. Populär wird er meist gerade durch die Abgrenzung von politischen Parteien, denen er entsprungen ist. So entspricht seine Wahl durch die Bundesversammlung, also durch die Bundestagsabgeordneten und eine gleich Zahl von Vertretern der Länder, ganz gut seiner Stellung. Er ist Teil des Systems. Eine Direktwahl würde das tatsächliche Machtgefüge zugunsten des Präsidenten verschieben. Er könnte dann unter Berufung aus seine unmittelbare demokratische Legitimation (wieder) zum Gegenspieler des Parlaments werden.

In seinem Amt als die Verkörperung der Einheit des Staates wie in seiner Kür am Sonntag schwingt freilich immer noch etwas Vordemokratisches. Eine Debatte ist nicht vorgesehen.

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