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#Kiews Hilferuf und die Vorsicht der Nato

Kiews Hilferuf und die Vorsicht der Nato

Als 2014 plötzlich „grüne Männchen“ auf der Krim auftauchten und Russland die Halbinsel im Handstreich eroberte, schaute die Nato ebenso ungläubig wie ohnmächtig zu. Der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba spielte darauf am Dienstag an. „Unvorstellbar“ sei es damals gewesen, dass Russland die Krim und die Ostukraine besetzen würde. Droht nun der nächste Schlag, nachdem Russland kampfbereite Truppen an die Grenzen der Ukraine verlegt hat? Kuleba war ins Hauptquartier der Allianz gekommen, um davor zu warnen.

Thomas Gutschker

Thomas Gutschker

Politischer Korrespondent für die Europäische Union, die Nato und die Benelux-Länder mit Sitz in Brüssel.

Zu einer Sondersitzung kam die Nato-Ukraine-Kommission zusammen. Kiew hatte sie gemäß Artikel 15 des Partnerschaftsvertrags von 1997 einberufen. Der sieht einen Konsultationsmechanismus für Krisenfälle vor, „wenn die Ukraine eine direkte Bedrohung ihrer territorialen Unversehrtheit, ihrer politischen Unabhängigkeit oder ihrer Sicherheit feststellt“. „Dieser Augenblick ist gekommen“, stellte Außenminister Kuleba fest. Den Botschaftern trug er vor, wie Kiew die Lage einschätzt. So soll Moskau seit Ende März jeweils etwa 40000 Soldaten auf der Krim und an den Landgrenzen zur Ukraine zusammengezogen haben – ohne plausible Begründung. An der sogenannten Waffenstillstandslinie kam es schon vermehrt zu Angriffen prorussischer Separatisten. Russland soll etwa 250 Kämpfer und 2000 Tonnen Treibstoff in die von den Separatisten kontrollierten „Volksrepubliken“ gebracht haben. „Russland arbeitet mit ganzer Kraft darauf hin, unsere Verteidigungsfähigkeit zu untergraben“, so Kuleba.

„Russlands aggressive Absichten eindämmen“

Er bat deshalb nicht nur um politische Rückendeckung und weitere Sanktionen gegen Moskau. Der Minister forderte operative Maßnahmen, „die Russland abschrecken und seine aggressiven Absichten eindämmen“. „Dies könnte eine direkte Unterstützung der ukrainischen Verteidigungsfähigkeiten sein“, sagte er, ohne ins Detail zu gehen. Das Thema ist heikel. Solange Barack Obama im Weißen Haus saß, gab es einen festen Konsens unter den Verbündeten: Die Ukraine sollte nur nichtletale Ausrüstung bekommen. Man fürchtete eine weitere Eskalation im Konflikt mit Russland.

Doch unter Donald Trump änderte sich das. Anfang 2018 bewilligte die amerikanische Regierung Kiew die Lieferung langersehnter panzerbrechender Waffen vom Typ Javelin. Der erste Vertrag sah 210 Panzerabwehrraketen und 37 mobile Abschussgeräte vor. Ende 2019 wurde ein weiterer Vertrag über 150 Raketen und zehn Abschussgeräte geschlossen. Im Gegenzug soll sich Kiew verpflichtet haben, diese Waffen nur in einer schweren Krise einzusetzen. Bisher war das nicht der Fall, sie wurden gut gesichert in der Westukraine gelagert. Nun wird in Kiew aber neu darüber nachgedacht. Auch die Türkei hat schon Waffen geliefert. Anfang 2019 kaufte die Ukraine zwölf Aufklärungs- und Kampfdrohnen des Typs Bayraktar TB2. Insgesamt will Kiew fünfzig Drohnen erwerben.

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Nach dem Treffen der Nato-Ukraine-Kommission versicherten die Verbündeten den Partner ihrer „unerschütterlichen Unterstützung für die Souveränität und territoriale Eigenständigkeit der Ukraine“. In einer Erklärung riefen sie Russland auf, sich an das Minsker Abkommen zu halten, die Unterstützung der Separatisten in der besetzten Ostukraine zu beenden und „seine Truppen vom ukrainischen Boden abzuziehen“. Auf die Bitte des ukrainischen Außenministers um weitere militärische Unterstützung gingen sie nicht ein. Stattdessen eine Mahnung zur Vorsicht: Die Verbündeten „loben die Ukraine für die Zurückhaltung, die sie angesichts von Russlands Provokationen zeigt“. So hatte sich am Montag schon ein ranghoher Vertreter des amerikanischen Außenministeriums geäußert.

Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg verwies auf die Unterstützung, welche die Nato dem Land schon zukommen lässt. Verbündete würden der Ukraine helfen, dass sie sich selbst besser verteidigen könne – eine Anspielung auf die Waffenlieferungen, auf die Ausbildung der Truppe und gemeinsame Übungen. Außerdem habe man die Präsenz im Schwarzen Meer erhöht. Noch in dieser Woche sollen dort zwei amerikanische Kriegsschiffe einfahren. Darüber hinaus „prüft“ man ständig, wie man der Ukraine mehr praktische Unterstützung zukommen lassen könne, damit sie sich selbst verteidigen könne. Diese allgemeine Formulierung verwendet der Norweger immer dann, wenn sich die Verbündeten untereinander nicht einig sind.

In einem Telefonat mit Stoltenberg hatte sich der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj vorige Woche dafür starkgemacht, dass sein Land nun eine konkrete Perspektive auf den Beitritt zur Nato bekomme. Das wäre ein „echtes Signal“ an Moskau. Stoltenberg wiederholte dazu am Dienstag freilich nur die altbekannte Position der Allianz. Es sei das souveräne Recht jedes Landes, einen Antrag zu stellen – was die Ukraine 2008 getan hat. Ob ein Land die Voraussetzungen erfülle, müssten dann aber die dreißig Mitgliedstaaten entscheiden.

Die lehnen einen Beitritt Kiews ab, solange der Territorialkonflikt mit Russland nicht gelöst ist. Dass die Nato der Ukraine militärisch direkt beisteht, wenn sie angegriffen wird, ist ausgeschlossen. Artikel 5 des Nato-Vertrags gilt nur für Mitglieder. So bleiben der Allianz einstweilen nur die politische Unterstützung Kiews und das Signal, dass man Russland genau auf die Finger sieht.

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