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#Lebervirus am Haken

Lebervirus am Haken

Bluttransfusionen sind eigentlich dazu da, Leben zu retten. Allerdings gab es eine Zeit, in der jede dritte Blutkonserve Viren enthielt, die später zu einer Leberentzündung und nicht selten auch zu Leberkrebs führten. Transfusionen waren also jahrzehntelang ein gefährliches Vabanquespiel. Der diesjährige Nobelpreis für Physiologie oder Medizin ehrt mit Harvey J. Alter, Michael Houghton und Charles M. Rice drei Wissenschaftler, die dieses Risiko ausgeräumt haben, indem sie das Hepatitis-C-Virus entdeckt haben. Heute werden alle Blutprodukte auf dieses Virus getestet.

Hepatitis C – die durch das Virus ausgelöste chronische Leberentzündung – ist eine heimtückische Erkrankung, die erst Jahrzehnte später auftritt und dann nicht mehr mit der Bluttransfusion in Zusammenhang gebracht wird. Es dauerte eine Weile, bis man das Risiko zuordnen konnte. Dann wurde in den 1960 Jahren das Hepatitis-B-Virus entdeckt. Das Problem schien gelöst zu sein. Harvey Alter konnte allerdings zeigen, dass das Hepatitis B-Virus nur für zwanzig Prozent der Leberentzündungen verantwortlich war. Der größte Teil musste auf ein zweites durch Blutprodukte übertragenes Virus zurückgehen, dass er Nicht-A- und Nicht-B-Virus nannte.

Harvey J. Alter


Harvey J. Alter
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Bild: AFP

Damit war klar, dass die Suche nach den Ursachen der transfusionsbedingten Leberentzündungen mit der Entdeckung der Hepatitis B-Viren nicht zu Ende war. Michael Houghton, der damals für das Unternehmen Chiron Corporation arbeitete, schaffte es, das neue Virus zu isolieren. Er gab ihm den Namen Hepatitis-C-Virus. Rice konnte schließlich zeigen, dass dieses Virus tatsächlich für den noch verbleibenden Anteil an übertragbaren Leberentzündungen verantwortlich war.

Der einzige, aber richtige Treffer

Damit ließ sich ein entsprechender Test zur Untersuchung der Blutkonserven entwickeln. Die drei Preisträger haben durch ihre Forschung auch die Grundlage für die Entwicklung der Medikamente gelegt, mit denen Hepatitis C heute behandelt wird. Die Krankheit ist in vielen Fällen heilbar. Trotzdem leiden weltweit noch 70 Millionen Menschen, darunter 400.000 sterben noch jährlich an einer Hepatitis C.

In den 1970 Jahren war die Identifizierung eines neuen Virus schwierig. Harvey Alter hatte Schimpansen mit dem Serum von Patienten mit einer Nicht-A-Nicht B-Hepatitis infiziert und gezeigt, dass es dieses Virus tatsächlich gibt, aber alle klassischen Versuche, es zu identifizieren, waren gescheitert. Michael Houghton nahm deshalb einen ganz anderen Weg.

Michael Houghton ist Virologe an der  University of Alberta und Direktor des dort ansässigen Li Ka Shing Applied Virology Institute.


Michael Houghton ist Virologe an der University of Alberta und Direktor des dort ansässigen Li Ka Shing Applied Virology Institute.
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Bild: University of Alberta

Er isolierte DNA-Fragmente aus dem Blut der infizierten Tiere mit der Idee im Kopf, dass einige dieser Erbgutschnipsel von dem neuen Virus stammen mussten. Er ließ dann Bakterien die in den Schnipseln hinterlegten Proteine bilden und verwendete das Serum von Patienten zum Durchsuchen dieser Proteinbanken.

Es hegte die Hoffnung, dass die Seren Antikörper gegen das neue Virus enthalten würden, die einige der Proteine erkennen würden. Es war die Suche nach der Nadel im Heuhaufen, bei der nicht einmal klar war, was der Angelhaken war und was der Köder und ob es beides überhaupt gab. Houghton hatte Glück. Ihm gelang nur ein einziger Treffer. Aber das war genau der Richtige. Er fand ein Proteinfragment, das ganz offensichtlich zu dem neuen Virus gehörte. Damit hatte er einen richtigen Angelhaken in der Hand, mit dem er das komplette Virus isolieren konnte.

Das war ein entscheidender Schritt, allerdings fehlte noch ein Puzzlestein. War das isolierte Virus tatsächlich allein für die Leberentzündungen verantwortlich? Diese Fragen wurden von Charles Rice gelöst.

Charles M. Rice ist Professor für Virologie an der Rockefeller University in New York.


Charles M. Rice ist Professor für Virologie an der Rockefeller University in New York.
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Bild: AFP

Er hatte entdeckt, dass das Virus äußerst unterschiedlich sein konnte und dass es in dem Virus-Genom offensichtlich eine Stelle gab, die kritisch für die Vermehrung war. Rice schuf mit dieser Information im Labor ein Hepatitis-C-Virus, das genauso infektiös war wie die natürlichen Isolate. Damit konnte erstmals der gesamte Infektionsprozess im Reagenzglas nachvollzogen und manipuliert werden. Später zeigte Rice, dass sich das Hepatitis-C-Virus über den Rezeptor CD 81 Zugang zu den Leberzellen verschafft.

Was man heute über den Erreger weiß

Heute weiß man, dass das Hepatitis-C-Virus die befallenen Leberzellen nicht tötet. Es nistet sich auch nicht in deren Erbgut ein. Es vermehrt sich lediglich in den Zellen und verlässt diese dann wieder ohne ihnen einen Todesstoß zu versetzen. Die Leberentzündung, die eine Hepatitis C irgendwann zu einer tödlichen Erkrankung macht, entsteht durch die Immunreaktionen. Der Körper wehrt sich mit allen Mitteln gegen das Virus, aber durch die ständige Anwesenheit der Immunzellen kommt es irgendwann zu einer chronischen Entzündung der Leber, das Organ vernarbt und versagt schließlich seinen Dienst. Die Leberentzündung, die eigentliche Hepatitis, ist dem Virus also nur indirekt zuzuschreiben. Die letztliche Ursache ist das anhaltende und ergebnislose Wirken der Abwehrzellen.





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Im Überblick
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Nobelpreisträger von 1901 bis 2020

Harvey Alter wurde 1935 in New York geboren und ist Mediziner. Ab 1969 hat er bis zu seinem altersbedingten Ausscheiden an den National Institutes of Health gearbeitet. Michael Houghton kam in Großbritannien zur Welt und ist Naturwissenschaftler. Er hat lange für die Chiron Corporation gearbeitet, bevor er an die Universität Alberta nach Kanada gewechselte. Dort ist er Direktor der Virologie. Charles Rice wurde 1952 in Sacramento geboren und ist ebenfalls Naturwissenschaftler. Er ist seit 2001 Professor an der Rockefeller Universität in New York.

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