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#Nicht schimpfen, sondern mitentscheiden

Die Demokratie hält sich zugute, dass in ihr das Volk herrsche. Tatsächlich werden in Wahlen Volksvertreter bestimmt, die dann im Parlament auf eigentümliche Weise das Volk repräsentieren sollen: einerseits das ganze Volk, andererseits ihre Wähler im Wahlkreis, außerdem ihre Fraktion und mitunter dann auch noch ihr Gewissen. Es ist also kompliziert mit der Volksvertretung und wird nicht einfacher, wenn Wahlrechtsreformen dafür sorgen, dass womöglich direkt gewählte Abgeordnete nicht mehr in den Bundestag kommen. So oder so sind die Wähler, was inhaltliche Fragen des politischen Entscheidens angeht, auf die Berufspolitiker und ihre Kompromisse verwiesen. Das kann man aus vielen Gründen gut finden, Volksherrschaft ist es nicht.

Wäre sie überhaupt möglich? In der Analyse unserer Staatsform wird zwischen direkter und repräsentativer Demokratie unterschieden. Erstere ist eine punktuelle Form des politischen Entscheidens. Zu einzelnen, besonders kontroversen Sachfragen werden Volksabstimmungen abgehalten. Die Bielefelder Juristin und ehemalige Richterin am Bundesverfassungsgericht Gertrude Lübbe-Wolff geht nun der Frage nach, weshalb wir so viel Volksvertretung und so wenig direkte Demokratie haben. Vor allem auf der Bundesebene ist das so. Weder der Atomausstieg noch die Einwanderungspolitik, weder der Euro noch ein Tempolimit sind in Volksabstimmungen zur Diskussion gestellt worden.

Kommunal und auf Länderebene kennen wir Referenden: Der Oberbürgermeister von Frankfurt wurde in einem solchen Akt (keine Sach-, sondern eine Personalfrage) abgewählt, die schnelle Klimaneutralität drang in Berlin nicht durch, in Hamburg wurde eine Schulreform auf direktdemokratischem Wege zu Fall gebracht, und in Bayern hat ein Volksbegehren („Rettet die Bienen“) für grundlegende Änderungen des Naturschutzgesetzes gesorgt. Doch im Bund gibt es keine verfassungsgemäße Möglichkeit für Volksabstimmungen.

Transparent und argumentativ dicht geschrieben

Und das, obwohl alle Parteien außer der CDU in ihren Programmen lange Zeit die Stärkung direktdemokratischer Verfahren für wünschbar erklärten. Inzwischen sind sie davon abgerückt. Übrig geblieben ist die Absicht, Bürgerräte einzuführen, die aber nur die Menge unverbindlicher Empfehlungen erhöhen würden, was dann als Partizipation verkauft wird. Vor allem die Grünen und die FDP, die aus dem Geist der Bürgerinitiative und des Liberalismus einst für stärkere Bürgerbeteiligung waren, haben sich kleinlaut aus diesem Feld zurückgezogen. Man redet von mehr Dialog mit den Bürgern, traut ihnen aber keine Entscheidungen in Sachfragen zu.

Gertrude Lübbe-Wolff: „Demophobie“. Muss man die direkte Demokratie fürchten?


Gertrude Lübbe-Wolff: „Demophobie“. Muss man die direkte Demokratie fürchten?
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Bild: Klostermann Verlag

Lübbe-Wolff untersucht die Gründe dieser Furcht. Sie reichen von der Sorge, das Volk würde irrational zu Dingen urteilen , von denen es nichts versteht, über die daran anschließende Befürchtung, Volksabstimmungen begünstigten Demagogen, insbesondere solche, die viel Werbung für ihre Sache schalten können, bis zum angeblichen Befund, an Volksentscheiden beteiligten sich nur wenige politisch Interessierte oder Wutbürger und also hätten sie unsoziale Ergebnisse.

Das völlig transparent und argumentativ dicht geschriebene Buch versammelt so ziemlich alles, was es an Forschung zu diesen Behauptungen gibt. Volksabstimmungen in Bolivien, Polen und Kanada werden ebenso herangezogen wie die reiche Literatur zur Schweizer Demokratie, zu den Vereinigten Staaten und zum Brexit. Dessen Schatten liegt über der gegenwärtigen Diskussion, obwohl es sich keinesfalls um ein Volksbegehren, sondern um die „von oben“ aufgeworfene Volksbefragung eines ungeschickten Premierministers handelte, der sich mit dem irrtümlich erwarteten Ergebnis seine Wiederwahl zu sichern hoffte. In der Abstimmungskampagne wurde dann gelogen, dass sich die Balken bogen, was in der Schweiz zum Ungültigwerden eines solchen Referendums geführt hätte.

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