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#Nordrhein-Westfalen hat Schulden, die es offiziell nicht hat

Nordrhein-Westfalen hat Schulden, die es offiziell nicht hat

In ihrer Oppositionszeit zwischen 2010 und 2017 trieben CDU und FDP in Nordrhein-Westfalen die rot-grüne Regierung mit dem Thema Schulden unerbittlich vor sich her. Das war eine leichte Übung, schließlich war die Haushaltspolitik das größte Problemfeld der Regierung von Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD). Auf mehr als 140 Milliarden Euro wuchs der in den vergangenen Jahrzehnten aufgehäufte Schuldenberg in ihrer Zeit an, wofür CDU und FDP Kraft den Titel „Schuldenkönigin“ verpassten. Die Landtagswahl 2017 gewannen die beiden Parteien auch mit dem Versprechen, es besser zu machen, den Haushalt im Geist der Generationengerechtigkeit zu konsolidieren.

Finanzminister Lutz Lienenkämper tilgte dann im Etatjahr 2018 immerhin 542 Millionen Euro. Zudem legt der CDU-Politiker regelmäßig Haushaltsentwürfe ohne neue Schulden vor. Der am Mittwoch verabschiedete Haushalt 2022 mit einem Rekordvolumen von 87,5 Milliarden Euro (das sind trotz coronabedingter Steuerausfälle von 3,65 Milliarden rund 3,4 Milliarden Euro mehr als im Vorjahr) sieht wieder keine Kreditaufnahme vor. Zumindest formal betrachtet.

Denn Lienenkämper begleicht die Mindereinnahmen wie schon im vergangenen Jahr aus dem sogenannten Corona-Rettungsschirm. Dabei handelt es sich um ein im vergangenen Jahr geschaffenes Sondervermögen zur Abfederung der enormen Pandemiekosten. Es hat ein Volumen von bis zu 25 Milliarden Euro und wurde 2020 zunächst mit 11,22 Milliarden befüllt – ausschließlich kreditfinanziert. Brigitte Mandt, die Präsidentin des Landesrechnungshofs, geht scharf mit Lienenkämpers Methode ins Gericht. Die Aussage, der „allgemeine Haushalt“ schließe ohne neue Schulden ab, sei „zumindest irreführend“.

Tatsächlich handelt es sich bei den 11,22 Milliarden um die höchste Einzelkreditsumme in der Geschichte des Landes. Auf einen Schlag hat Nordrhein-Westfalen damit so viele Schulden gemacht wie in den ersten 32 Jahren seit seiner Gründung im August 1946. Der Schuldenstand hat so ein neues, schwindelerregendes Niveau erreicht: 155 Milliarden Euro. Noch ist die Opposition nicht auf die Idee gekommen, Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) als neuen nordrhein-westfälischen „Schuldenkönig“ auszurufen. Harsch gehen SPD und Grüne gleichwohl mit Schwarz-Gelb ins Gericht. Die Grünen werfen der Regierung „Mitnahmeeffekte“ vor, Oppositionsführer Thomas Kutschaty (SPD) spricht von einem „finanzpolitischen Taschenspielertrick“. Beim Rettungsschirm handle es sich in großen Teilen um „eine Nebenkasse zur Entlastung der Buchhaltung“ des Finanzministers.

Schon vor der Pandemie hat der Rechnungshof Schwarz-Gelb keine guten Haushaltszeugnisse ausgestellt. In seinem Jahresbericht monierte er, trotz hoher Steuereinnahmen und niedriger Zinsausgaben habe die Regierung die Chance für eine spürbare Konsolidierung nicht ergriffen. Anfang der Woche erinnerte Rechnungshof-Präsidentin Mandt daran, dass Lienenkämper 2018 und 2019 Etatüberschüsse in Höhe von 2,8 Milliarden Euro statt zur Tilgung weitgehend zur Bildung von finanziellen Reserven in der allgemeinen Rücklage genutzt hat. Auch deshalb habe Nordrhein-Westfalen nun einen Schuldenstand, „der höher ist, als er sein müsste“. Die Haushaltslage habe sich dramatisch verschlechtert. Es sei überfällig und zwingend erforderlich, sämtliche Ausgaben des Landes zu überprüfen. Bisher ist das Gegenteil geschehen. Obwohl Schwarz-Gelb 2017 versprochen hatte, den Staatsapparat nicht weiter aufzublähen, wurden Hunderte neue Stellen geschaffen.

Nach Einschätzung des Rechnungshofs sind CDU und FDP mit dem Corona-Rettungsschirm drauf und dran, die Regeln der von ihnen sonst so hoch gehaltenen Schuldenbremse zu brechen. Zwar sei die Aufnahme neuer Kredite grundsätzlich zulässig, weil mit dem Ausbruch der Corona-Pandemie eine Ausnahmesituation bestanden habe. Doch müssten bestimmte Voraussetzungen erfüllt werden. Dazu zählt im konkreten Fall: Der Rückgriff auf den kreditfinanzierten Corona-Rettungsschirm kommt wegen des verfassungsrechtlichen Wirtschaftlichkeitsgebots nur dann in Frage, wenn nicht noch andere Mittel vorhanden sind. Anders als von Finanzminister Lienenkämper geplant „ist die allgemeine Rücklage daher sofort und vollumfänglich aufzulösen“, so Mandt.

Tilgungslasten von einer halben Milliarde Euro im Jahr

Keinesfalls dürften Regierung und Parlament zudem der Versuchung erliegen, wünschenswerte und vielleicht auch ansonsten notwendige, aber nicht coronabedingte Maßnahmen aus dem Rettungsschirm zu bezahlen. Alles müsse dafür getan werden, dass das kreditfinanzierte Sondervermögen tatsächlich bis zum Ende der Ausnahmesituation ausreiche, bestenfalls aber gar nicht komplett in Anspruch genommen werde. Werden es doch 25 Milliarden, dann entfallen bei einer linearen Verteilung im von der Landesregierung vorgesehenen Tilgungszeitraum von 50 Jahren laut Rechnungshof Tilgungslasten von mehr als einer halben Milliarde Euro im Jahr an. Es handelt sich also in etwa um die Summe, die Nordrhein-Westfalen zuletzt 2018 tilgen konnte. „Diese Zielmarke ist also nicht zu erreichen“, so Mandt.

„Es gilt zu verhindern, dass die Corona-Pandemie überwiegend zulasten künftiger Generationen bekämpft wird und dadurch ihre finanzpolitischen Handlungsspielräume gravierend eingeschränkt werden“, warnte Mandt. Der jetzt schon erreichte Rekordschuldenstand dürfe nicht zum „Spaltpilz der Generationen“ werden. Nur mit einer nachhaltigen Finanzpolitik bleibe das Land dauerhaft und auch in künftigen Krisen handlungs- und leistungsfähig, heißt es im aktuellen Bericht des Rechnungshofs. „Der Weg zurück in die Normalität nach der Pandemie heißt konkret für NRW, dass die seit Jahren für dringend notwendig erachtete Konsolidierung des Haushalts alternativlos und unaufschiebbar ist.“

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