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#Paris wird aus Deutschland nicht schlau

„Paris wird aus Deutschland nicht schlau“

Das militärische Erwachen in Berlin hat in Paris große Hoffnungen für die gemeinsamen Rüstungsprojekte in der EU geweckt. Doch inzwischen blickt die Re­gierung unter Präsident Emmanuel Macron mit Argwohn auf die deutsche Wiederbewaffnung, die mit einem Schuldenfonds („Sondervermögen“) über 100 Milliarden Euro finanziert wird.

In Paris herrscht der Eindruck vor, dass die Bundesregierung das Ziel einer Europäisierung des Rüstungssektors aufgegeben hat – ohne ihren wichtigsten europäischen Partner offen darüber zu informieren.

Als jüngstes Zeichen für die Berliner Kehrtwende wird in Paris das Projekt European Sky Shield gewertet. Die Bundesregierung hat 13 europäische NATO-Partner, darunter Großbritannien, sowie den Beitrittskandidaten Finnland für die Initiative zur Stärkung der Luftverteidigung gewonnen. Eine entsprechende Ab­sichtserklärung wurde am Rande des jüngsten NATO-Verteidigungsministertreffens unterzeichnet.

Geplant ist die gemeinsame Beschaffung und Nutzung von Luftverteidigungssystemen aus Israel (Arrow 3) und Amerika (Patriot). Für Frankreich kommt die Entscheidung einer Absage an den Rüstungsstandort Europa gleich. Denn Berlin hätte auch das von den Rüstungskonzernen MBDA und Thales im Rahmen der französisch-italienischen Zu­sammenarbeit entwickelte Luftverteidigungssystem SAMP/T (in Frankreich: Mamba) sowie Aster-Raketen in Betracht ziehen können.

Das Projekt European Sky Shield brachte das Fass zum Überlaufen

Noch stärker als der Wettbewerbsnachteil hat Frankreich das Berliner Vorgehen entrüstet. Im Aachener Vertrag haben sich Deutschland und Frankreich Anfang 2019 verpflichtet, ihre „gemeinsamen Verteidigungsprogramme“ zu intensivieren. Auch deshalb hat Frankreich nicht damit ge­rechnet, dass es von der Bundesregierung ausgegrenzt und einem Zusammenschluss mit den EU-Partnern im Norden und Osten der Vorrang gegeben wird.

Das European Sky Shield ist aus Sicht französischer Diplomaten der Tropfen gewesen, der das Fass in Paris zum Überlaufen brachte. Die kurzfristige Absage des deutsch-französischen Ministerrats in Fontainebleau war die Folge.

Das Luftverteidigungssystem ist mitnichten das einzige Rüstungsprojekt, zu dem es Streit zwischen Berlin und Paris gibt. Bei seinem Krisengespräch mit Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) an diesem Mittwoch im Élysée-Palast will Präsident Macron die acht deutsch-französischen Kooperationsprojekte zur Sprache bringen, die allesamt ins Stocken geraten sind.

Sie waren am 13. Juli 2017 im Festsaal des Élysée-Palast unterzeichnet worden, wenige Stunden, bevor der damalige amerikanische Präsident Donald Trump in dem Saal empfangen wurde. Das deutsch-französische Einverständnis fußte seinerzeit auf der von Angela Merkel formulierten Erkenntnis: „Die Zeiten, in denen wir uns auf andere völlig verlassen konnten, sind ein Stück vorbei.“

Doch seit dem Amtsantritt Präsident Joe Bidens, dem laut Macron „europäischsten amerikanischen Präsidenten seit langer Zeit“, gilt diese Erkenntnis in Berlin nicht länger, so der französische Eindruck. Man vermisst von der Bundesregierung Hinweise darauf, dass die Idee europäischer Souveränität und eigenständiger Verteidigungskapazitäten das deutsche Rüstungsprogramm leitet.

Europäische Souveränität? Dazu steht nichts im Rüstungsprogramm

Verunsichert hat man zur Kenntnis genommen, dass in der Prager Europarede des Bundeskanzlers jeglicher Verweis auf das größte europäische Rüstungsprojekt FCAS fehlte. Tatsächlich treten die Verhandlungen zum deutsch-französisch-spanischen Kampfflugzeugsystem FCAS auf der Stelle. In Militärkreisen wird ein Scheitern nicht länger ausgeschlossen.

Die sperrige Abkürzung FCAS um­schreibt ein fliegendes Verbundsystem mit Kampfflugzeugen, Drohnen und Waffen. Es könnte weit über den Luftfahrtbereich hinaus die Grundlage für einen europäischen Rüstungssektor bilden. In Paris hat man aufmerksam verfolgt, wie Generalinspekteur Eberhard Zorn bei der Vorstellung der Nationalen Sicherheitsstrategie durch Verteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD) im September in Berlin europäischen Zu­kunftsprojekten eine Absage erteilte.

Zorn sagte bei der DGAP-Podiumsdiskussion anlässlich der Grundsatzrede Lambrechts: „Jetzt keine Experimente mit Entwicklungslösungen in der EU.“ Der Generalinspekteur führte aus, wie die 100 Milliarden ausgegeben werden sollen: „Wir wollen Sachen haben, die fliegen, die fahren und die auf dem Markt da sind. Keine europäische Entwicklungslösung, die hinterher nicht läuft. (. . .) Es gibt auf dem Markt alles, was wir brauchen“.

In Paris wurde das als Alarmsignal gewertet. Denn auch bei anderen ge­meinsamen Rüstungsprojekten, beim Kampfpanzersystem oder den Aufklärungsflugzeugen gibt es keine Fortschritte. Aus dem gemeinsamen Seefernaufklärungsflugzeug Maritim Airborne Warfare System ist die Bundeswehr bereits ausgestiegen und hat in den USA Boeing P-8 Poseidon bestellt. Bei der Modernisierung des Kampfhubschraubers Tiger ist die Bundeswehr ebenfalls nicht dabei. Geplante gemeinsame Artilleriesysteme wurden auf 2045 hinausgeschoben. Im­mer deutlicher nimmt Präsident Macron wahr, wie wenig der Bundeskanzler seine Pläne hin zu europäischer Souveränität teilt. Macron ist es nicht gewohnt, dass Frankreichs verteidigungspolitische Rolle herausgefordert wird.

Scholz’ Ausführungen zur Bundeswehr als „erster Armee Europas“ wie auch der „Führungsanspruch“ bei der Luftverteidigung rütteln am französischen Selbstverständnis. Deutschland und Frankreich vereinen etwa 40 Prozent der Verteidigungsindustrie in Europa auf sich. Zusammen könnten sie Strukturen verändern, aber das setzt einen gemeinsamen politischen Willen voraus.

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