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#Reservefabriken für das nächste Virus

Reservefabriken für das nächste Virus

Als Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) am Donnerstag in ihrer Regierungserklärung auf das Thema Impfstoffe zu sprechen kam, da klang sie ziemlich ernüchtert. Die Vereinigten Staaten exportierten nicht, die Briten fertigten für Großbritannien. „Wir sind auf das angewiesen, was in Europa produziert werden kann“, konstatierte Merkel. Und das ist bekanntlich weitaus weniger, als für eine schnelle Immunisierung der Bürger gegen das Coronavirus nötig wäre. Die Bundesregierung will nun zumindest künftig solche Engpässe vermeiden. Nach dem Willen des Bundeswirtschaftsministeriums sollen die Unternehmen in großem Stil Kapazitäten für die Impfstoffproduktion aufbauen.

Julia Löhr

„Wir brauchen dauerhaft größere Produktionskapazitäten für Impfstoffe“, sagte der Leiter der neuen Taskforce zur Impfstoffproduktion, Christoph Krupp, im Gespräch mit der F.A.Z. Dies sei sowohl wegen der Corona-Auffrischimpfungen nötig als auch für den Fall neuer Pandemien. „Wir reden deshalb mit den Unternehmen auch über den Aufbau einer Reservekapazität.“ Ziel sei es, dass in einem Quartal so viele Dosen zusätzlich produziert werden könnten, um alle Europäer einmal zu impfen. „Das wären 500 Millionen Impfdosen in einem Quartal, 2 Milliarden Impfdosen im Jahr“, rechnet Krupp vor. „Das neue Biontech-Werk in Marburg hat eine Kapazität von etwa 750 Millionen Dosen im Jahr. Rein rechnerisch brauchen wir also ungefähr drei solcher Werke zusätzlich in Europa.“

Deutschland soll den Plänen zufolge „einen überproportionalen Anteil“ dieser Produktionskapazitäten bereitstellen. „Das besprechen wir gerade mit der EU.“ Dass die Pharmaindustrie das nicht auf eigene Kosten tun wird, dessen ist man sich im Wirtschaftsministerium bewusst. „Die Unternehmen, die eine Reservekapazität vorhalten, müssen dafür vergütet werden. Das könnte ähnlich geschehen wie heute schon bei den Reservekapazitäten für Kraftwerke“, skizziert Krupp.

„Es ist mühselig“

Der 61-Jährige ist seit Anfang März im Amt. In der Taskforce arbeiten zehn Mitarbeiter aus den Ministerien für Wirtschaft, Gesundheit und Finanzen. Krupp kam auf Empfehlung von Finanzminister Olaf Scholz (SPD) zu dieser Aufgabe. Die beiden kennen sich aus Scholz’ Zeit als Erster Bürgermeister in Hamburg, Krupp führte damals die Senatskanzlei. Zuletzt hat der gelernte Physiker die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (Bima) geleitet. Zum Vergleich: In den Vereinigten Staaten hat der Vier-Sterne-General Gustave Perna das Regiment über die schon im Mai 2020 eingerichtete Impfstoff-Taskforce „Warp Speed“. In Großbritannien ist die Risikokapitalunternehmerin Kate Bingham dafür verantwortlich, dass dort schon jeder zweite erwachsene Brite geimpft ist. In Deutschland haben erst rund 12 Prozent der Erwachsenen mindestens eine Impfdosis erhalten.

Christoph Krupp, Sonderbeauftragter der Bundesregierung für die Impfstoffproduktion in der Corona-Krise


Christoph Krupp, Sonderbeauftragter der Bundesregierung für die Impfstoffproduktion in der Corona-Krise
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Bild: Andreas Pein

Auf die Frage, was einen Verwaltungsfachmann wie ihn als obersten Impfstoffbeauftragten qualifiziert, antwortet Krupp: genau das. Er wisse, welche Unterstützungsmöglichkeiten der Staat habe. Die tägliche Arbeit der Taskforce beschreibt er so: „Wir helfen zum Beispiel, wenn ein dringend benötigtes Gerät im Zoll feststeckt. Wir stellen Kontakte her. Wir fördern.“ Aktuell zeichneten sich beispielsweise Engpässe bei sogenannten Single-Use-Bioreaktoren ab, die für die Herstellung der Corona-Impfstoffe benötigt werden. Viele dieser Geräte kämen aus den Vereinigten Staaten, dort hätten aber Bestellungen der amerikanischen Regierung Vorrang. „Das heißt nicht, dass wir nichts bekommen. Aber es ist mühselig.“

Von Unternehmern, die in Amerika in die Herstellung der Corona-Impfstoffe involviert sind, gibt es schwärmerische Berichte über den Einsatz der Warp-Speed-Taskforce. Da ist von einer Hotline die Rede, die jedes erdenkliche Problem sogleich löst. Und notfalls auch mal einen Militärtransporter losschickt, um eine dringend benötige Maschine aus dem Ausland einzufliegen. Dass die deutsche Taskforce dagegen nicht ganz so schlagkräftig wirkt, um es vorsichtig auszudrücken, will Krupp so nicht gelten lassen. Die Aufgaben der Warp Speed seien in Europa auf viele Schultern verteilt. Außerdem sei die Kultur hierzulande eine andere. „Ich kann mir schwer vorstellen, dass in Deutschland ein Vier-Sterne-General den Unternehmen sagt, was sie zu tun haben. Das wissen die Unternehmen schon selbst.“

Unternehmen zeigen sich kooperativ

Im Moment gehe es vor allem um Umverteilung. Produktionslinien würden freigeräumt, um Corona-Impfstoffe zu produzieren, andere Hersteller verzichteten auf schon gebuchte Zeitfenster. „Die Unternehmen sind in der aktuellen Lage grundsätzlich kooperativ. Aber es hilft, wenn die Bundesregierung darum bittet“, sagt Krupp. Ein Beispiel für solche Umverteilung findet sich bei IDT Biologika in Dessau.

Dort wartet der japanische Pharmakonzern Takeda mit der Abfüllung seines Dengue-Vakzins, damit der Corona-Impfstoff von Johnson & Johnson vorgezogen werden kann. Nicht ganz so reibungslos laufen dagegen dem Vernehmen nach die Gespräche zwischen der Bundesregierung und dem Impfstoffhersteller Moderna. Dieser will ein Werk in Ostdeutschland aufbauen. Der Bund knüpft seine Unterstützung dafür offenbar an eine Ausweitung der aktuellen Liefermengen, worauf Moderna sich wohl nicht einlassen will. Krupp will sich zu dieser Angelegenheit nicht äußern.

Anders als die amerikanische Warp Speed, die der frühere amerikanische Präsident Donald Trump mit 20 Milliarden Dollar ausgestattet hat, verfügt Krupp über keinerlei Budget. Damit die geplante Reservekapazität von 2 Milliarden Impfdosen im Jahr nicht an einem Mangel an Glasfläschchen scheitert, will das Ministerium dafür ein Investitionsförderprogramm auflegen. Über Größenordnungen will Krupp noch nicht sprechen, nur so viel: „Wer besonders schnell eine neue Produktionsanlage aufbauen kann, wird einen höheren Fördersatz bekommen.“ Üblicherweise können Unternehmen bei solchen Projekten mit einem Drittel der Investitionssumme als Förderung rechnen. In diesem Fall könnte es laut Krupp aber auch deutlich mehr sein.

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