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#Rummelplatz der Umstürzler

„Rummelplatz der Umstürzler“

„Freies Vaterland oder für Brasilien sterben!“, wiederholen sie, wie ein Stoßgebet, minutenlang. Ihre Blicke sind nach vorn gerichtet. Doch dort steht kein Al­tar, sondern das Militärkommando des Südostens in der brasilianischen Metropole São Paulo. Der Vers, den sie im Sprechchor rezitieren, stammt aus der ersten Hymne der brasilianischen Mo­nar­chie nach der Unabhängigkeit von Portugal 1822. Gut 200 Jahre, ein Kaiserreich, eine Republik und eine Militärdiktatur später stehen nun Hunderte freie Bra­silianer auf der Straße, ausgerüstet mit den neusten Trikots der Nationalelf, Mo­biltelefonen in den Händen, um einen Staatsstreich zu fordern.

Seit der Wahl demonstrieren radika­lisierte Anhänger des abgewählten Präsidenten Jair Bolsonaro gegen das Ergebnis der Stichwahl vom 30. Oktober, in der Bolsonaro mit knapp zwei Prozentpunkten Rückstand dem früheren Präsidenten Luiz Inácio Lula da Silva von der linken Arbeiterpartei unterlag. Nach der Wahl kam es zunächst zu Hunderten von Straßenblockaden, die die Polizei tagelang duldete. Vielerorts schauten die Be­amten komplizenhaft zu.

Gerade in abgelegenen Regionen bestehen die Blockaden bis heute und behindern beispielsweise den Transport von Agrargütern. Spä­ter begannen die Demonstranten, sich vor den Militäreinrichtungen des Landes zu versammeln. Die Belagerungen haben sich in regelrechte Camps mit Zelten, Toiletten, Feldküchen und Ge­sundheitsposten verwandelt. Die Armee schaut zu.

Militärkommando des Südostens: Kaserne in der brasilianischen Metropole São Paulo


Militärkommando des Südostens: Kaserne in der brasilianischen Metropole São Paulo
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Bild: Tjerk Brühwiller

Die 41 Jahre alte Mara ist seit dem ersten Tag nach der Wahl vor dem Militärkommando in São Paulo. Hier hat die Fitnesstrainerin, die ihren vollen Namen nicht preisgeben will, mit einer Freundin ihr Zelt aufgebaut. Man wechsle sich ab, sagt sie. Jeden Tag nach der Arbeit kehre sie zurück. „Der Wahlbetrug war der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen gebracht hat.“ Doch es habe schon viel früher mit der Verfolgung durch das Verfassungsgericht und der Zensur begonnen. Die Ordnung müsse wiederhergestellt, und die Verantwortlichen für diese „Diktatur“ der Justiz müssten bestraft werden. „Nur die Armee kann das lösen“, sagt sie. Es ist ein Aufruf zum Putsch.

Auf dem Camp vor dem Militärkommando in São Paulo herrscht eine Mi­schung aus Festivalstimmung und Militärnostalgie. Unter Zeltdächern vor dem Wetter geschützt, sitzen Grüppchen auf Campingstühlen, trinken, essen, diskutieren und bestätigen sich gegenseitig. Immer wieder starren sie auf ihre Telefone, die über die sozialen Netzwerke allerlei wahre und falsche Informationen an sie herantragen. Aus einem Tarnzelt klingt Marschmusik. Auf dem Dach prangt ein Schild in englischer Sprache: „Brazil was stolen“.

Alle hier glauben an die gestohlene Wahl. Beweise brauchen sie dafür keine. Auf einer anderen Tafel ist der Hilferuf „SOS Streitkräfte“ zu le­sen. Nebenan steht an einem Zelt „Ziviler Widerstand“. Zwischendrin bieten Verkäufer Esswaren und Getränke sowie Na­tionalflaggen und Kleidung in den gelb-grünen Nationalfarben an, die hier alle tragen. In diversen Zelten gibt es kostenlose Mahlzeiten. „Alles ist gespendet“, sagt einer der Helfer. Von wem, das weiß er nicht. Die Justiz und Untersuchungsbehörden ermitteln. Es gibt Hinweise auf die finanzkräftige Unterstützung durch einige Unternehmer.

„Die Armee ist unsere einzige Hoffnung“

Mara glaubt, dass die Proteste wachsen. Es kämen immer wieder neue „Pa­trioten“ hinzu. „Wir müssen jetzt kämpfen, solange es noch nicht zu spät ist.“ Dass die Forderung nach einer Militärintervention, sprich nach einem Staatsstreich, gegen das Gesetz verstößt, lässt sie nicht gelten. „Wir haben das Recht, darum zu bitten. Es gibt keinen Staatsstreich, wenn er vom Volk ausgeht“, meint sie. Wenn es einen Staatsstreich ge­geben habe, dann sei das die Wahl ge­wesen. Ihre Forderung sei deshalb legitim. „Die Armee ist unsere einzige Hoffnung.“ Man werde weitermachen und schauen, was sich daraus ergebe.

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