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#Schweizer Föderalismus versagt in der Corona-Pandemie-Bekämpfung

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Schweizer Föderalismus versagt in der Corona-Pandemie-Bekämpfung

Auf ihren Föderalismus sind die Schweizer zu Recht stolz. Er sorgt für Bürgernähe der Politik. Der mit ihm verbundene Standortwettbewerb unter den 26 Kantonen hat viel dazu beigetragen, dass die Schweiz wirtschaftlich liberal blieb und so ihren Wohlstand mehren konnte. Doch in der Corona-Pandemie hat der Schweizer Föderalismus versagt.

Die Virusattacke erfordert schnelle, beherzte Gegenwehr – statt endloser Diskussionen des Bundes mit den Kantonsregierungen, die wirtschaftlich schmerzhafte Maßnahmen nach dem Sankt-Florians-Prinzip gern dem Nachbarn überlassen. Und auf Bundesebene braucht es eine Regierung, die wohlinformiert, überlegt und geschlossen handelt. Doch im Bundesrat, wie die Regierung in der Schweiz heißt, sitzen sieben Vertreter von vier Parteien, die ausgeprägt gegensätzliche Strategien zur Krisenbewältigung verfolgen.

Das Ergebnis ist eine einzige Peinlichkeit. Mit ihren allzu lockeren Maßnahmen lief die Schweiz in der zweiten Welle im Herbst der Pandemieentwicklung hinterher. Auf den Ranglisten der Infektions- und Todeszahlen gehörte das Land mit dem zweitteuersten Gesundheitswesen der Welt zeitweilig zum Kreis der traurigen Spitzenreiter.

Das Drama nahm seinen Lauf

Dabei hatte die Schweiz in der ersten Welle im Frühjahr vieles richtig gemacht. Auf Basis der „außerordentlichen Lage“, die der Bundesrat ausgerufen hatte, zog er die Regie an sich und fuhr im ganzen Land das öffentliche Leben herunter. Zugleich griff man den Unternehmen mit Kurzarbeitergeld und Kreditbürgschaften zügig, unbürokratisch und effektiv unter die Arme. Das Lamento über die angebliche Gefahr einer Aushöhlung des Föderalismus führte dazu, dass der Bundesrat im Juni die „Befehlsgewalt“ wieder an die Kantone zurückgab.

Danach nahm das Drama seinen Lauf. In einer Fixierung auf die kurzfristigen ökonomischen Kosten der Maßnahmen überboten die Kantone einander in Lockerungen und machten die Wirksamkeit der gesundheitspolitischen Maßnahmen ihrer Nachbarn zunichte. Als in Genf die Diskotheken geschlossen wurden, zog der benachbarte Kanton Waadt die Genfer Partygänger an. Außerdem versäumten es die Kantone, in die Nachverfolgung von Kontakten und den Ausbau der völlig unzureichenden Testkapazitäten zu investieren. Man scheute die Ausgaben.

Auch der Bundesrat ging mit schlechtem Beispiel voran, indem er zum Beispiel Großveranstaltungen mit mehr als tausend Teilnehmern wieder erlaubte – und damit die dringenden Warnungen der ihn beratenden wissenschaftlichen Task-Force in den Wind schlug. Der Berner Epidemiologe Christian Althaus sprach von „politischem Totalversagen der Schweiz“. Kürzlich zog er sich gar aus der Task-Force zurück, in der auch etliche Ökonomen vertreten sind. Diese haben wiederholt erklärt, dass nur eine konsequente Eindämmung des Virus den Weg zur nachhaltigen Wirtschaftserholung ebnen kann. Aber die nationalkonservative Schweizerische Volkspartei (SVP) und die liberale FDP, die im Bundesrat zusammen die bürgerliche Mehrheit stellen und im Parlament zum Teil als verlängerter Arm der Wirtschaftslobby agieren, dachten weiter kurzfristig und beharrten auf Lockerungen.

Als größter Bremser im Kampf gegen das Virus hat sich der Finanzminister Ueli Maurer (SVP) erwiesen. Ihm graut vor dem Anstieg der Staatsschulden, der infolge von Hilfsmaßnahmen für Unternehmen zu erwarten ist. Doch was in normalen Zeiten von Verantwortung zeugt, ist in einer Jahrhundertkrise unverantwortlich. Die Schweiz verfügt dank jahrelanger Finanzdisziplin über viel größeren Verschuldungsspielraum als alle anderen bedeutenden Industrieländer. Obendrein kann sie sich heute zu einem negativen Zins verschulden, bekommt also noch Geld dazu.

Erst jüngst, unter dem Druck der inzwischen auch in der Schweiz grassierenden, hochansteckenden neuen Virusvariante musste Maurer im Bundesrat klein beigeben, den Geiz zurückstellen und weiteren Eindämmungs- und Hilfsmaßnahmen zustimmen. Das war ein Sieg für den sozialdemokratischen Gesundheitsminister Alain Berset. Zugleich führt es vor Augen, in welchem Ausmaß die bürgerlichen Parteien mit ihrem kleinlichen Krämergeist dem eigenen Anspruch nicht mehr gerecht werden, ökonomische Kompetenz und Unternehmensfreundlichkeit zu verkörpern. Nun sind es die Sozialdemokraten, die sich in dieser Rolle neu erfunden haben.

Der Sparfimmel vor allem der SVP schadet der Wirtschaft auf die längere Sicht ebenso wie der „Kantönligeist“, wie die Schweizer selbstkritisch sagen, ein von kurzsichtigem ökonomischem Egoismus durchzogener Föderalismus. Das hat tödliche Folgen. Wenn die Krise überwunden ist, wird man sich daran erinnern müssen.

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