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#Harte Worte, keine Konsequenzen

Harte Worte, keine Konsequenzen

Am Tag, nach dem das polnische Parlament ein umstrittenes Rundfunkgesetz unter nicht minder streitbaren Umständen verabschiedet hat, melden sich die EU und die Vereinigten Staaten zu Wort. „Starke Demokratien heißen Medienpluralismus und Meinungsvielfalt willkommen, kämpfen nicht dagegen“, schrieb Věra Jourová, Vizepräsidentin der EU-Kommission, auf Twitter. Der Präsident des Europaparlaments, David Sassoli, hat das verabschiedete Gesetz als ernst zu nehmende Gefahr für das unabhängige Fernsehen in Polen bezeichnet.

So scharf die Brüsseler Reaktionen im Ton waren, so unbestimmt waren sie in der Sache. Ein Sprecher verwies darauf, dass die Kommission schon im Juli in ihrem Bericht zur Rechtsstaatlichkeit auch ihre Sorgen über die zunehmende Gefährdung der Pressefreiheit in Polen zum Ausdruck gebracht habe. Er erinnerte aber auch daran, dass das Gesetz erst in erster Lesung beschlossen worden sei. Deshalb sei an weitere Schritte – etwa ein weiteres Vertragsverletzungsverfahren – derzeit nicht zu denken.

Blinken fordert von Warschau mehr als nur Bekenntnisse

Erst im Juli hatte die Kommission damit gedroht, von Polen Strafzahlungen zu verlangen, falls das Land die von Brüssel beanstandeten Verstöße gegen die Rechtsstaatlichkeit nicht behebe. Die Kommission hatte Warschau ein Ultimatum bis zur kommenden Woche gestellt und gefordert, dass Polen bis dahin die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zur Disziplinarkammer des obersten polnischen Gerichts respektiert. Das Rundfunkgesetz will die Kommission mit dem laufenden Verfahren offenbar (noch) nicht verknüpfen.

Besonders scharfe Worte richtete der amerikanische Außenminister Antony Blinken an Warschau. Er hatte bereits am Mittwochabend erklärt, die Vereinigten Staaten seien „zutiefst beunruhigt“ über die verabschiedete Gesetzesnovelle. „Dieser Gesetzesentwurf würde das mediale Umfeld, an dem die Polen so lange gearbeitet haben, signifikant schwächen. Freie und unabhängige Medien machen unsere Demokratien stärker, das transatlantische Bündnis widerstandsfähiger und sind für die bilateralen Beziehungen von grundlegender Bedeutung.“

Weil das in Polen auch „Lex TVN“ genannte Gesetz sich gegen einen Fernsehsender richtet, der vom amerikanischen Medienkonzern Discovery kontrolliert wird, vergaß Blinken nicht zu erwähnen, dass große US-Investitionen in Polen zu Wohlstand und kollektiver Sicherheit beitrügen. Der Gesetzesentwurf bedrohe nicht nur die freien Medien, sondern könnte auch „Polens starkes Investitionsklima unterminieren“. Er widerspreche den Prinzipien und Werten, für die moderne, demokratische Nationen stünden. „Wir fordern die polnische Regierung auf, ihr Engagement für diese gemeinsamen Prinzipien nicht nur in Worten, sondern auch in Taten zu demonstrieren“, schloss Blinken sein Statement, das als deutliche Ermahnung verstanden werden muss.

Opposition will Parlamentspräsidentin verklagen

Polens Ministerpräsident Mateusz Morawiecki von der nationalkonservativen Regierungspartei PiS hat die entsprechende Kritik aus den Vereinigten Staaten, die traditionell ein enger Verbündeter Warschaus sind, zurückgewiesen. Er fordere dazu auf, genau zu analysieren, worum es gehe, sagte Morawiecki am Donnerstag. „Es gibt hier keine Absichten in Bezug auf konkrete Fernsehsender.“ Mit dem novellierten Gesetz sollen Rundfunklizenzen zukünftig nur noch dann an Ausländer vergeben werden, wenn sie „ihre Zentrale oder ihren Wohnsitz im Bereich des Europäischen Wirtschaftsraums haben“. Polnische Lizenznehmer dürfen auch nicht abhängig sein von jemandem, der seinen Sitz außerhalb hat.

Nicht nur Washington und Brüssel kritisieren die am Mittwochabend verabschiedete Gesetzesnovelle scharf. Auch in Polen gingen unmittelbar nach der Parlamentsabstimmung Tausende Gegner der „Lex TVN“ auf die Straße. Proteste gab es nicht nur vor dem Sejm in Warschau, sondern auch in zahlreichen anderen Städten des Landes. „Freie Medien, freie Menschen, freies Polen“, skandierten etwa Demonstranten in Lublin. In der südostpolnischen Metropole wurde auch der Eingang eines Büros der PiS beschmiert und mit Eiern und Tomaten beworfen.

Hat eine verlorene Abstimmung wiederholen lassen: Polens Regierungspartei PiS (hier Parteichef Jaroslaw Kaczynski am Mittwochabend im Sejm)


Hat eine verlorene Abstimmung wiederholen lassen: Polens Regierungspartei PiS (hier Parteichef Jaroslaw Kaczynski am Mittwochabend im Sejm)
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Bild: EPA

Der Zorn richtet sich nicht bloß gegen das Rundfunkgesetz selbst, sondern mindestens ebenso stark gegen die Art und Weise, wie es vom Sejm verabschiedet wurde. Zuerst gelang der Opposition ein Coup, als die erste Parlamentskammer mit 229 zu 227 Stimmen beschloss, über das Gesetz erst im September abzustimmen. Doch nachdem Sejmmarschall Elzbieta Witek erklärte, sie habe es versäumt, ein Datum für die neue Abstimmung zu nennen, wurde die Abstimmung mit den Stimmen der PiS und der eigentlich oppositionellen rechten Protestpartei Kukiz’15 wiederholt. Die Gruppierung um den Rockmusiker Pawel Kukiz wechselte innerhalb nur weniger Stunden die Seiten und trug am Ende entscheidend dazu bei, dass die Regierung das Gesetz verabschieden konnte. Vorwürfe stehen im Raum, dass für den Schwenk eine Gegenleistung versprochen wurde, was Kukiz entschieden bestreitet.

Noch stärker den Unmut der demokratischen Opposition um die Bürgerplattform (PO) zieht aber Sejmmarschall Witek auf sich. Ihre Zerknirschtheit über ihren angeblichen Formfehler nehmen ihr die Regierungsgegner nicht ab. PO-Abgeordnete haben angekündigt, gegen die PiS-Parlamentspräsidentin Strafanzeige einzureichen. Ansonsten bleibt den polnischen Gegnern des novellierten Gesetzes die Hoffnung, dass der Senat, in dem die Opposition eine knappe Mehrheit hat, das Gesetz zurückweist. Dessen Votum kann aber wiederum der Sejm als erste Parlamentskammer mit einfacher Mehrheit überstimmen. Dass die PiS auch nach dem Bruch des Regierungsbündnisses mit der konservativ-liberalen Partei Porozumienie des bisherigen Entwicklungsministers Jaroslaw Gowin sich Mehrheiten beschaffen kann, hat sie am Mittwochabend eindrucksvoll bewiesen.

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