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#Tschechiens verschmähte Generation

Tschechiens verschmähte Generation

Überraschungen unterliegen immer auch einer subjektiven Betrachtungsweise. Was für den Großteil der sportbegeisterten europäischen Öffentlichkeit unerwartet daherkam, war für Pavel Kuka wenig verwunderlich. Gemeint ist der Sieg der tschechischen Nationalmannschaft im Achtelfinale gegen die Niederlande (2:0). „Ich habe damit gerechnet“, sagt der heute 52 Jahre alte Angreifer, der einst in der Bundesliga für den 1. FC Kaiserslautern, Nürnberg und den VfB Stuttgart stürmte.

Seinen Optimismus zog Kuka aus der Kraft der Geschichte, Tschechien hatte in der Vergangenheit bei großen Turnieren immer wieder gegen die Niederlande gewonnen. „Die liegen uns. Das hat was mit Charakter zu tun. Die Holländer spielen immer sehr gut, das sind feine Fußballer. Aber bei einer Europameisterschaft reicht das allein nicht aus, da muss man mehr geben und auch kämpfen, wenn es notwendig ist“, sagt Kuka.

Was das angeht, ist Tschechien für das Viertelfinale gegen Dänemark an diesem Samstag bestens gerüstet. Die aktuelle Mannschaft ist in allem stark, was in Fußballerkreisen als Sekundärtugend gilt. Kämpfen, Laufen, Wille, Einsatz. „In diesen Bereichen gehören wir sicherlich zur Spitze“, sagt Kuka. „Das ist unser Trumpf und könnte die anderen Mannschaften vor die gleichen Probleme stellen wie Holland.“

Als Beispiel für das ausgeprägte Arbeitsethos führt er Patrik Schick an, der als Mittelstürmer nicht nur vier der fünf tschechischen Tore erzielt hat, sondern viel für die Mannschaft arbeitet. „Er macht Laufwege, die man so von ihm nicht kannte. Das sagt viel über eine Mannschaft aus, wenn ihr feinster Fußballer sich nicht zu schade ist, für ihn unangenehme Aufgaben zu übernehmen.“

Kein Nedved, kein Rosicky, kein Koller

Tschechien steht zum ersten Mal seit 2004 wieder im Viertelfinale einer Europameisterschaft. Damals in Portugal kam das Aus erst im Halbfinale gegen den späteren Überraschungssieger Griechenland. Anders als vor siebzehn Jahren verfügt Tschechien aber nicht mehr über die großen Solisten von einst. In der Mannschaft dieses Sommers gibt es niemanden mit den Fähigkeiten eines Pavel Nedved, Jan Koller oder Tomas Rosicky.

Vladimir Coufal läuft nach dem Sieg jubelnd mit einer riesigen Fahne seines Landes über das Spielfeld.


Vladimir Coufal läuft nach dem Sieg jubelnd mit einer riesigen Fahne seines Landes über das Spielfeld.
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Bild: dpa

In der Historie des tschechischen Fußballs ist das eine Neuheit, war sie doch immer dann erfolgreich, wenn sie große Einzelkönner hervorbrachte. Die Nationalmannschaft galt über Jahrzehnte als ein Hort der Boheme, der Künstler, die gern glänzten und dem Publikum unvergessliche Momente schenkten. So wie Antonin Panenka, der den entscheidenden Elfmeter 1976 gegen die Bundesrepublik verschmitzt in die Mitte lupfte.

Dieser Jahrgang hatte Panenka oder den Stürmer Zdenek Nehoda, die EM-Zweiten von 1996 hatten den Virtuosen Karel Poborsky, Nedved, Vladimir Smicer oder auch Kuka, der als Stürmer gesetzt war. Nach der Generation von 2004, die als eine der talentiertesten der tschechischen Geschichte gilt, riss diese Tradition ab. Das hing zu Teilen auch mit veränderten Prämissen bei der Nachwuchsförderung zusammen. Taktik und Systeme rückten in den Vordergrund, das Individuelle nach hinten.

Die Generation der Arbeiter

Die Konsequenz: Tschechien bringt seit einiger Zeit viele fleißige Arbeiter hervor, die einzeln nicht an das Können ihrer Vorgänger heranreichen, als Mannschaft aber funktionieren. Spieler wie der fleißige Rechtsverteidiger Vladimir Coufal von West Ham United oder Kapitän Vladimir Darida, der im Achtelfinale verletzt passen musste, gegen Dänemark aber wieder fit ist. „Er ist im Mittelfeld ganz wichtig für uns. Darida gehört neben Soucek und Holes, der eine ganz starke EM spielt, zu den Stützen“, sagt Kuka.

Darida ging es in der vergangenen Saison wie einigen seiner Mitspieler. Bei seinem Klub Hertha BSC gehörte er nicht immer zum Stammpersonal. Torwart Tomas Vaclik ist beim FC Sevilla nur die Nummer zwei, Verteidiger Tomas Kalas spielte in England bei Bristol nur in der zweiten Liga, selbst Schick war bei Bayer Leverkusen nicht immer gesetzt.

Dazu kommen verhältnismäßig viele Spieler, die in der international höchstens zweitklassigen tschechischen Liga spielen. Auch das war einmal anders, um die Jahrtausendwende spielten viele Tschechen in den bedeutendsten Klubs Europas. Die jetzige Generation zählt nicht zu den Exportschlagern. So ging die tschechische Auswahl bei der EM als Mannschaft der Verschmähten an den Start, ihr ausgeprägtes Zusammengehörigkeitsgefühl hat sie bis in Viertelfinale gebracht.

Zum Ärger vieler Fans wird das Spiel (18.00 Uhr im F.A.Z.-Liveticker zur Fußball-EM, in der ARD und bei MagentaTV) in Baku angepfiffen, im fernen Aserbaidschan. Tschechiens Hauptstadt Prag und Baku trennen um die 3000 Kilometer. Nur wenige Fans dürften diese weite Reise auf sich nehmen. Mittelfeldspieler Michal Sadilek ärgerte sich ebenfalls über den Austragungsort, er sagte: „Ich denke, dass es unglücklich ist, ein Viertelfinale zwischen Dänemark und Tschechien in einem asiatischen Land auszutragen. Das erscheint mir nicht sinnvoll.“ Im Achtelfinale gegen die Niederlande hatte die Mannschaft in Budapest auf die Unterstützung Tausender Fans bauen können.

Gegen Dänemark werden sich die Tschechen wieder stärker auf sich verlassen müssen. Auf ihren Teamgeist und die Kraft des Zusammenhalts. Pavel Kuka erwartet ein sehr enges Spiel. Als Favorit, wie einige Zeitungen in den vergangenen Tagen meinten, sieht er Tschechien nicht. „Die Dänen sind uns sehr ähnlich. Sie verfügen auch über viel Charakter und eine gute Mentalität. Sie laufen viel und geben für den Erfolg alles. Das ist ein sehr schwerer Gegner“, sagt Kuka. Ob diese eingeschworenen Tschechen auch Europameister werden können? „Ich würde es ihnen wünschen. Uns war es leider nicht vergönnt“, sagt Kuka.

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