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#TV-Kritik „Maischberger“: Gefühlsleben der Deutschen

TV-Kritik „Maischberger“: Gefühlsleben der Deutschen

Wir wissen nicht, ob die öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten im Jahr 2034 noch in ihrer heutigen Form existieren. Aber es wird bestimmt jemanden geben, der an ihrem reichhaltigen Filmarchiv Interesse haben könnte. Dort wird ihm vielleicht ein Film in die Hände fallen, der gestern Abend zur Prime Time im Ersten lief. Ob dann noch ein junger Mediennutzer weiß, warum diese in früheren Zeiten von Bedeutung gewesen ist, kann man heute noch nicht beantworten. Immerhin könnten einige rüstige Babyboomer ihren Enkeln davon erzählen. Eine Frage wird sich aber dieser Filmarchivar bestimmt stellen: Warum saßen dort Schauspieler in einem Gerichtssaal, wo die Plätze durch Plexiglasscheiben getrennt wurden? In unserer schnelllebigen Zeit wird die Gegenwart schneller vergessen, als sie als Geschichte in Erinnerung behalten werden kann. Die Hygienemaßnahmen diesen Pandemie-Jahres bestimmten die Dreharbeiten.

Zeugin als Kronzeugin, ohne angeklagt zu sein

Dieser Film hatte nicht das Jahr 2034 zum Thema, sondern den Zeitgeist dieser Tage. Der Titel „Ökozid“ war bombastisch, die Umsetzung eine verfilmte Dissertation über die politischen Entscheidungsprozesse der frühen 2000er Jahre in der Energie- und Verkehrspolitik. So wirkte er auch: Es trat sogar ein sozialdemokratischer Hinterbänkler vor einem Internationalen Gerichtshof auf, zusammen mit dem Geschäftsführer eines deutschen Umweltverbandes, der sich ansonsten mit Recht und Ordnung im Abmahnwesen beschäftigt. Die Krönung war der Auftritt der amtierenden Bundeskanzlerin, die eines schweren Delikts angeklagt war. Das könnte man als „Verbrechen gegen zukünftige Generationen“ definieren. Aber dazu kam es natürlich nicht: Die Bundeskanzlerin war Zeugin vor diesem ARD-Gerichtshof, die in den Schlussminuten zur Zeugin der Anklage wurde, ohne aber als Angeklagte Kronzeugin sein zu dürfen. Dabei war sie in der Klimapolitik seit den 1990er Jahren an allen wesentlichen Entscheidungen beteiligt und maßgeblich für die Konsequenzen verantwortlich. Einen Filmarchivar wird im Jahr 2034 diese peinliche Inszenierung der Bundeskanzlerin wahrscheinlich noch mehr verwundern, als die Plexiglasscheiben im Gerichtssaal. Wie das Angela Merkel beurteilt, ist nicht bekannt.

Nun gehört es zu einer guten Tradition der ARD, Filme mit gesellschaftspolitischer Bedeutung anschließend in einer Talkshow zu diskutieren. Der Mittwoch ist Sandra Maischbergers Sendetermin, so durfte sie sich daran versuchen. Zweifellos wäre es spannend gewesen über die Entscheidungsprozesse in der deutschen Politik zu diskutieren, aber es sollte um den „Ökozid“ gehen. Um das, was die Ökonomin Maja Göpel in dieser Sendung als rechtlich zu sanktionierendes „Verbrechen gegen zukünftige Generationen“ titulierte. Den Anfang machte der frühere Staatspräsident der Malediven, Mohamed Nasheed. Er war vor mehr zehn Jahren mit einer Kabinettssitzung unter Wasser weltweit bekannt geworden, um vor den Gefahren des steigenden Meeresspiegels zu warnen. Frau Göpel machte noch den Hinweis, die Malediven hätten im November vergangenen Jahres das „erste Mal gesagt, dass politische und ökonömische Kalküle nicht mehr ausreichten.“ Der Inselstaat gehe jetzt in die Strafbarkeit, weil „das Land zu sterben drohe.“ Fremd sind diese Kalküle dem Inselstaat mit knapp 500.000 Einwohnern aber wohl noch nicht: Er setzt weiterhin auf eine expandierende Tourismusindustrie, die an Heiligabend 2019 ein Jubiläum feierte. Die Malediven begrüßten den 1,5-millionsten Touristen dieses Jahres. Die von Nasheed angesprochenen Umweltprobleme seines Landes, etwa beim Müll und der Trinkwasserversorgung, könnten vermutlich etwas mit dieser erfolgreichen Industrie zu tun haben.

Wenigstens hätte man das ansprechen können, anstatt nur andächtig Nasheeds Worten zu lauschen. Hätte es doch das konkretisiert, was Luisa Neubauer später so formulierte: Das seien „alles ganz, ganz wichtige und komplexe Themen.“ Sie meinte damit aber nicht den Umgang der Malediven mit ökonomischen und sozialen Fragestellungen in Zeiten des Klimawandels, sondern unsere eigene Klimapolitik. Für diese Form der nationalen Borniertheit gibt es die immer gleiche Begründung. Deutschland gehöre historisch zu den größten Kohlendioxid-Emittenten, daraus resultiere eine historische Verantwortung, so der Star der deutschen Klimaschutzbewegung. Sie erzählte zudem jenes Ammenmärchen über die zwischen den alten Industriestaaten und den früheren Entwicklungsländern in den Klimaabkommen vereinbarte Lastenteilung. Dabei ging es nämlich nicht um eine moralische Verantwortung für frühere Sünden, wie Frau Neubauer meinte: Auch die Malediven wissen den in den westlichen Industriestaaten entwickelten Fortschritt zu schätzen. Der Lastenausgleich war schlicht die Voraussetzung, um sich überhaupt auf eine globale Klimapolitik zu einigen. Ansonsten hätte niemand außerhalb Europas bei einem solchen Abkommen mitgemacht.

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