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#Über den „Stimmungsfahrstuhl“ in der Politik

Über den „Stimmungsfahrstuhl“ in der Politik

Bei den Grünen geht es gerade besonders schnell. Nach der Kür zur Kanzlerkandidatin lachte Annalena Baerbock von den Deckblättern zahlreicher Magazine. „An ihr kommt keiner mehr vorbei“ titelte der Spiegel, „Endlich anders“ der Stern. In Umfragen hatten die Grünen nochmals zugelegt, manche Institute sahen sie gar vor der Union. Es wurde in Podcasts und Talkshows so oft von der ersten grünen Kanzlerin gesprochen, dass man den Eindruck bekommen konnte, die Wahl sei schon gelaufen.

Dann drehte sich der Wind. Fortan wurde über Baerbocks Probleme berichtet, mal mit der Basis, die einen radikaleren Kurs fordere, mal mit Nebeneinkünften, zuletzt mit Robert Habeck und seinen Äußerungen zu „Defensivwaffen“ für die Ukraine. „Willkommen in der Wirklichkeit“ lautet nun der Titel des Spiegels, dazu eine Zeichnung von Baerbock mit hängenden Mundwinkeln und eine Sonnenblume, der die Blätter wegfliegen. Parallel dazu pendeln sich die Umfragewerte der Partei eher in den niedrigeren Zwanzigern ein.

Wenn einmal etwas hängen bleibt…

Die zwei Seiten des Hypes hat jüngst auch Gesundheitsminister Jens Spahn erfahren. Noch vor ein paar Monaten war er der Mann der Stunde, der Manager der Krise. Im Januar noch ging es in Berlin um die Frage, ob Spahn sich aus dem Team mit Armin Laschet löst und doch für den Parteivorsitz der CDU kandidiert. Wenn man sich anschaut, wie Spahn heute dasteht, scheint das ewig zurückzuliegen. In Wahrheit waren es wenige Wochen, in denen der Unmut über die Corona-Politik und die anfänglichen Schwächen der Impfkampagne vor allem bei Spahn hängen blieben.

Dazu kamen kritische Fragen über ein Immobiliengeschäft und ein Spendendinner. Ein anderes Beispiel ist der frühere SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz. Der sogenannte „Schulz-Zug“ kam ins Stocken, nachdem die SPD im Saarland schlechter abgeschnitten hatte als erhofft.

Höhenflüge, so viel ist klar, bergen Gefahren. Steht ein Kandidat oder eine Partei besonders gut da, wird die politische Konkurrenz aggressiver. Journalisten graben besonders akribisch, sprechen mit Weggefährten, die es nicht unbedingt nur gut meinen mit dem neuen Star, durchleuchten den beruflichen Werdegang oder verlieren einfach die Lust am „Hochschreiben“. Jedes Wort wird dann auf die Goldwaage gelegt, selbst der Gesichtsausdruck eines Politikers im Fernsehen kommentiert, aus Fettnäpfchen werden Pannen, aus Pannen wird Versagen (gemacht).

Öffentlicher Druck als Tauglichkeitsprobe für hohe Ämter

Dabei spielen berechtigte Fragen eine Rolle, etwa die, ob jemand, der dem Berliner Druck der Medien, Talkshows und Stimmungen nicht standhalten kann, künftig gegenüber den Diktatoren dieser Welt bestehen kann. Oder die Frage, ob Anspruch und Wirklichkeit übereinstimmen. Für die Grünen war es deshalb besonders peinlich, dass ihre Kanzlerkandidatin „vergessen“ hatte, ihre Nebeneinkünfte zu melden, nachdem die Partei so laut wie keine andere gegen den angeblichen „schwarzen Filz“ der CDU gewettert und auf schärfere Regeln gedrungen hatte.

Ein Problem gibt es dann, wenn die gute Geschichte über den Fakten steht, wenn nur das erzählt wird, was ins Konzept passt. Das gilt sowohl für die Berichte über den Aufstieg wie den Absturz. Beispiel Baerbock und die radikalen Forderungen der Basis, die ihr nun angeblich das Leben schwer machen: Diesen Konflikt zwischen der Parteispitze, die in der Mitte der Gesellschaft auf Stimmenfang geht, und Parteimitgliedern, die nach wie vor überzeugte Pazifisten sind, den Verfassungsschutz abschaffen wollen oder Wohnungsgesellschaften enteignen wollen, gibt es natürlich nicht erst seit vier Wochen, sondern seit Jahren.

Heldin oder Versagerin? Die Wahrnehmung wechselt schnell: Annalena Baerbock im Wahlkampf in Sachsen-Anhalt


Heldin oder Versagerin? Die Wahrnehmung wechselt schnell: Annalena Baerbock im Wahlkampf in Sachsen-Anhalt
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Bild: EPA

Der linke Kreisverband Friedrichshain-Kreuzberg stellt auf jedem Parteitag besonders viele Änderungsanträge, nicht nur jetzt. Doch jetzt passt die Sache ins Bild, wenn Risse in der noch vor wenigen Wochen bewunderten Harmonie der Grünen zutage gefördert werden sollen.

Zum Mechanismus der von einem „Spin“ getriebenen Berichte gehört: Stimmungen erzeugen Stimmungen, und Umfragen erzeugen Umfrageergebnisse. Gute Kompetenzwerte eines Kandidaten lassen dabei längst nicht immer auf die inhaltliche Sattelfestigkeit schließen, sondern vielleicht nur auf die Kampagnenfähigkeit. Und umgekehrt: Wird der Öffentlichkeit ein negatives Bild von einem Politiker präsentiert, heißt das nicht unbedingt, dass ihm tatsächlich die Eignung fehlt.

Wer Meister der Inszenierung ist, kann nicht schon deshalb auch das Land gut und verantwortungsvoll regieren. Das klingt wie eine Binse und scheint doch keine Selbstverständlichkeit mehr zu sein. Die Personalisierung der Politik ist so weit fortgeschritten, dass man glauben könnte, zur Wahl stünden nicht Parteien und ihre Programme, sondern tatsächlich die Kanzlerkandidaten – die es rein rechtlich gesehen ja gar nicht gibt. Auch die Parteien richten sich nach den Umfragen – selbst wenn sie das öffentlich häufig abstreiten. Das betrifft sowohl inhaltliche Schwerpunkte als auch Personalfragen.

Wenn Politiker lamentieren, es werde zu wenig über Inhalte berichtet, zu viel über Polit-Folklore, ist das daher nur die halbe Wahrheit. Schließlich erzählt Armin Laschet gerne über seinen Vater und dessen Arbeit als Bergmann genauso freiwillig wie Annalena Baebock über ihre Erfahrungen und Schwierigkeiten als junge Mutter in der Politik oder ihre Grill-Gewohnheiten. Die Menschen, so sagen Kommunikationsberater, wollten Politiker aus Fleisch und Blut, die Emotionen zeigen und dabei ganz authentisch wirken. Wem auch noch gelingt, dafür den richtigen Moment abzupassen, hat tatsächlich die Chance, in der Stimmungsdemokratie zu obsiegen. Ein FDP-Politiker hat es kürzlich auf den Punkt gebracht: Bis zur Bundestagswahl seien es noch vier Monate, das Problem seiner Partei sei, dass sie in Umfragen jetzt so gut dastehe.

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