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#Übers Gendern in Medien freut sich nur die AfD

Friedrich Merz hat es wieder getan. Er kritisiert das Gendern im öffentlich-rechtlichen Rundfunk. „Mit jeder gegenderten Nachrichtensendung gehen ein paar Hundert Stimmen mehr zur AfD“, schreibt er in seinem wöchentlichen Newsletter „Merzmail“ und findet damit eine Antwort auf die Frage, die alle demokratischen Parteien umtreibt: warum die Rechtspopulisten und Putin-Freunde bei Wahlumfragen inzwischen die SPD eingeholt haben.

Michael Hanfeld

verantwortlicher Redakteur für Feuilleton Online und „Medien“.

Weil die Ampelkoalition die Menschen mit dem Heizungsgesetz auf die Barrikaden und in die Verunsicherung treibe, sagen Merz und Reiner Haseloff. „In der Ukraine herrscht Krieg, und wir kümmern uns um Nebensächlichkeiten wie gendergerechte Sprache. Das ist doch absurd“, gibt der Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt in der „Bild am Sonntag“ zu Protokoll. Die AfD erstarke, weil die Union sich nicht darüber im Klaren sei, „dass das Kopieren der menschenverachtenden Positionen der AfD auf das Konto des Originals einzahlt“, keilt die Erste Parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen-Fraktion, Irene Mihalic, zurück.

Selbstreflektion mit mangelhaften Schlussfolgerungen

Dass ausgerechnet die Gendersprache im öffentlich-rechtlichen Rundfunk der AfD Flügel verleiht, mag man für überspitzt halten. Dass sie gut daran tun, die massive Ablehnung der Gendersprache nicht zu ignorieren, haben die Anstalten inzwischen aber selbst erkannt, sie scheinen sich nur nicht im Klaren zu sein, welche Schlüsse sie daraus ziehen sollen. Intern gibt es bei ARD-Sendern und im ZDF Leitfäden, die wie Dienstanweisungen formuliert sind und zum angeblich inklusiven, diskriminierungsfreien Sprechen anleiten – also zum Gendern mit Sternchen oder Binnen-I, zumindest aber zur konsequenten Nennung beider Geschlechter in jedem Satz.

Im Programm wird das spürbar, drückt sich aus in Schrift und Ton und ist inzwischen auch für Hörer des Deutschlandradios zum tagesbegleitenden Tinnitus geworden. Der eine Sprecher gendert, die andere Sprecherin gendert nicht. Die Tendenz zum Neusprech freilich ist unverkennbar. Und die Kritik daran, wie sie etwa eine an dieser Stelle vorgestellte Initiative von Sprachexperten übt, wird geflissentlich überhört.

Die Gendersprache lehnt, wie Umfragen der letzten Jahre zeigen, eine Mehrheit der Menschen in diesem Land ab. Sollte es einen Zuspruch mit Majorität gegeben haben, hat er sich, den Umfragen zufolge, ins Gegenteil verkehrt. Das zeigte sich zuletzt bei einer Umfrage von Infratest dimap, die der Westdeutsche Rundfunk in Auftrag gegeben hatte. Veröffentlicht wurde die Umfrage im vergangenen Februar, befragt worden waren mehr als tausend Menschen allerdings schon im September 2022. Ergebnis: Eine Mehrheit von 52 Prozent lehnt Gendersprache in Medien ab, 41 Prozent befürworten sie, der Rest sagt „weiß nicht“ oder macht keine Angabe.

WDR-Umfragen besonders Gender-freundlich

Zwei Jahre zuvor, 2020, hatten – so der WDR – noch 54 Prozent es für gut befunden, dass in den Medien Gendersprache herrscht. Stutzig machen kann einen an dieser Stelle, dass die „Welt am Sonntag“ im Mai 2021 eine Umfrage desselben Instituts Infratest dimap vorstellte, in der es hieß, 65 Prozent der Bevölkerung lehnten das Gendern ab. Eine deutliche Mehrheit gegen das Gendern in den Medien stellte auch Forsa im Juli 2021 fest.

Bei der Interpretation der vom Sender selbst in Auftrag gegebenen Studie kaprizierte sich der WDR auf die Frage, ob die Bürger das Gendern wichtig oder unwichtig finden. 62 Prozent fänden es weniger bis gar nicht wichtig, 16 Prozent „sehr wichtig“. Der WDR-Programmdirektor Jörg Schönenborn zog daraus den Schluss, dass es, da man im Programm so sprechen wolle „wie unser Publikum“, ratsam sei, auf die mehrheitlich abgelehnte „Sprechlücke“ – den mitgesagten „Gender-Gap“ – zu verzichten. Freilich seien die Redaktionen in ihrer Entscheidung frei und befinde sich die Sprache im Wandel: „Das ist nichts für die Ewigkeit, und deshalb gucken wir auch immer neu drauf.“

Der WDR-Chefredakteur Stefan Brandenburg tat sich selbst ein wenig leid („Lasse ich’s bleiben, bin ich reaktionär und rückständig. Mache ich’s, darf ich mich als Volkserzieher beschimpfen lassen“), plädierte für einen „unverkrampften Mittelweg“ und stellte mit Erleichterung fest, dass zwar 69 Prozent der Menschen die gesprochene Lücke ablehnten, sich aber ebenfalls 69 Prozent mit der dauernden Doppelnennung – Bürgerinnen und Bürger – anfreunden könnten.

DJV-Vorsitzender bezichtigt Merz des Populismus

Ob die AfD auch von der Verständigung auf einen vermeintlich sprachlich vergoldeten Mittelweg profitiert? Einer ragt in der Debatte wie immer heraus: der Bundesvorsitzende des Deutschen Journalisten-Verbands (DJV). Mit der Genderkritik betreibe Friedrich Merz „blanken Populismus auf Kosten Tausender Journalistinnen und Journalisten“, teilte Frank Überall mit (mit Doppelnennung der Geschlechter, aber ohne Gender-Gap). „Das Gendern“, so Überall, „ist Ausdruck einer zutiefst demokratischen Grundhaltung, Menschen unabhängig von Geschlecht, Identität, Herkunft und Einstellungen gleich zu behandeln. Darin ein Stimmenbeschaffungsprojekt für die Demokratiefeinde der AfD zu sehen, ist politisch wirr.“ So poltert der DJV-Chef. Das gesellschaftliche Spaltungspotenzial des Genderns und was für die Glaubwürdigkeit der Medien davon abhängt, scheint ihm, um es zurückhaltend zu sagen, nicht wirklich bewusst zu sein.

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