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#Vergrößerung oder Entmachtung?

Vergrößerung oder Entmachtung?

Was passiert, wenn der Sieg von Joe Biden so überzeugend ausfällt, dass kein einziger Republikaner einen Versuch des abgewählten Präsidenten unterstützen wird, durch eine Klage vor dem Obersten Gerichtshof das Resultat noch umzudrehen? In diesem Fall wird sich das Gericht ohne Ablenkung durch Wahlprüfungsbeschwerden seiner eigentlichen Agenda zuwenden. Für den Dienstag nach der Wahl ist die Verhandlung über die Gesundheitsreform der Obama-Regierung angesetzt. Zwar hatte das Gericht vor acht Jahren entschieden, dass das „Gesetz über bezahlbare Gesundheitsvorsorge“ verfassungsgemäß ist. Aber seitdem hat sich die Zusammensetzung der Richterbank geändert.

Patrick Bahners

Patrick Bahners

Feuilletonkorrespondent in Köln und zuständig für „Geisteswissenschaften“.

Die entscheidende Stimme gab 2012 der Gerichtsvorsitzende John Roberts ab. Am Montag dieser Woche ist für die verstorbene liberale Richterin Ruth Bader Ginsburg die Konservative Amy Coney Barrett nachgerückt. 2017 hatte Barrett in einem Aufsatz behauptet, dass Roberts in seiner Begründung für die Rettung des Gesetzes den Spielraum juristischer Spitzfindigkeit überstrapaziert habe.

Der Kern des Gesetzes ist die jedem einzelnen Bürger auferlegte Verpflichtung, eine Krankenversicherung abzuschließen. Roberts stimmte mit seinen vier konservativen Kollegen darin überein, dass die gewöhnlich zur Rechtfertigung wohlfahrtsstaatlicher Programme des Bundes herangezogene Befugnis, den Handel zwischen den Bundesstaaten zu regulieren, die Versicherungspflicht nicht begründen könne. Wer keinen Versicherungsvertrag abschließt, nimmt nicht am Handel mit Gesundheitsdienstleistungen teil und ist für den Bundesgesetzgeber nicht erreichbar – so die Logik der Konservativen, die dem Einzelnen eine Art vorstaatlicher Urfreiheit zuschreiben. Obamas Gesetz erlegte den Unversicherten eine Strafgebühr auf. Hier hatte Roberts seinen rettenden Einfall: Die Zwangsgebühr konnte als Steuer betrachtet werden – das Besteuerungsrecht steht dem Bund unbestritten zu.

Trump konnte drei von neun Sitzen besetzen

Weithin wurde angenommen, dass der Gerichtsvorsitzende aus Sorge um die Institution aus der konservativen Phalanx ausscherte: Roberts habe einen Konflikt zwischen dem Gericht und den anderen Gewalten über das große Gesetzgebungsprojekt Obamas vermeiden wollen. Donald Trump bekam die Gelegenheit, drei der neun Richterstellen am Obersten Gerichtshof zu besetzen, so viele wie zuletzt Ronald Reagan. Schon 2012 gab es aber eine latente Mehrheit, welche die normative Grundlage der gesamten seit Franklin Roosevelts New Deal vom Bund betriebenen Wirtschafts- und Sozialpolitik ablehnt, die weite Auslegung des Begriffs des Handels zwischen den Staaten. Die Zwangsgebühr für Versicherungsverweigerer ist inzwischen gestrichen worden. Sollte Roberts das Gesetz trotzdem weiter für verfassungsgemäß halten, könnte Barretts Stimme genügen, um es zu Fall zu bringen.

In dieser Lage sähe sich ein Präsident Biden, der den Ausbau von „Obamacare“ zu „Bidencare“ versprochen hat, mit der Forderung konfrontiert, das Urteil nicht hinzunehmen und den Kampf mit dem Obersten Gerichtshof aufzunehmen. Biden sähe sich sozusagen dorthin zurückgeworfen, wo sich Franklin Roosevelt einmal befand, und schon heute wird ihm angesonnen, dass er dann handeln solle wie Roosevelt damals. In Roosevelts erster Amtszeit hatte der Oberste Gerichtshof mehrere von dessen Gesetzen zur Eindämmung der Folgen der Depression verworfen. Nach seiner Wiederwahl 1936 ließ Roosevelt ein Gesetz ausarbeiten, das ihm die Möglichkeit gegeben hätte, die Zahl der obersten Richter zu erhöhen. Es wurde nicht verabschiedet, nachdem das Gericht mit der Billigung eines Mindestlohngesetzes eine Kehrtwende vollzogen hatte.

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