Nachrichten

#Viktor Orbán und seine Gegner

Viktor Orbán und seine Gegner

Es ist ein äußerst heterogenes Gebilde, das da entstanden ist. Sechs Oppositionsparteien haben sich in Ungarn zusammengeschlossen, um der Regierungspartei Fidesz von Ministerpräsident Viktor Orbán bei der Parlamentswahl 2022 die Stirn zu bieten. Das Spektrum reicht von der sozialistischen Partei MSZP, die nach 1990 aus der kommunistischen Staatspartei hervorgegangen ist, bis zur rechten Jobbik („Bewegung für ein besseres Ungarn“). Dazu gehört auch die linksliberale Demokratische Koalition (DK) des einstigen Ministerpräsidenten Ferenc Gyurcsány, der mit einigen Getreuen die MSZP verlassen hatte; die urban-grüne LMP („Politik kann besser sein“), die sozialdemokratisch-grün verortete Párbeszéd („Dialog für Ungarn“) mit dem in der Kommunalwahl 2019 erfolgreichen Budapester Bürgermeister Gergely Karácsony sowie die bürgerlich-liberale Partei Momentum.

Stephan Löwenstein

Im Grunde war es Orbán selbst, der diese Parteien zusammengezwungen hat: indem er das ohnehin im ungarischen Wahlrecht vorhandene Mehrheitselement nach 2010 immer weiter verstärkte. Von den 199 Abgeordneten des Parlaments werden 106 direkt in den Wahlkreisen mit einfacher Mehrheit in einem Wahlgang bestimmt. Das begünstigt die stärkste Einzelpartei – das ist seit zehn Jahren klar der Fidesz. Auch der Zuschnitt der Wahlkreise, auf den die Mehrheitspartei den stärksten Einfluss hat, wirkt sich in diesem System besonders deutlich aus.

Ein gemeinsamer Kandidat für das Ministerpräsidentenamt

Die Antwort der Opposition besteht nun eben in der Kooperation. Im Sommer einigten sich die sechs Parteien bereits darauf, einen gemeinsamen Kandidaten für das Amt des Ministerpräsidenten aufzustellen. Er soll in Vorwahlen bestimmt werden. Außerdem will man sich in den einzelnen Wahlkreisen auf den jeweils aussichtsreichsten Kandidaten einigen und nicht gegeneinander antreten. Dieses Prinzip hat der Opposition schon 2019 manchen Erfolg eingetragen, nicht zuletzt in Budapest.

Ideologisch sticht zweifellos am stärksten die Partei Jobbik aus diesem Zusammenschluss hervor. Die Partei kommt ursprünglich aus dem klar rechtsextremen Spektrum, das auch die ungarische Neonazi-Szene einschließt. Weil der Ministerpräsident seinen Kurs und damit seine Partei Fidesz zunehmend nach rechts führte, besonders prononciert in der Migrationskrise seit 2015 und mit den Kampagnen gegen den Finanzinvestor George Soros, wurde die Luft für Jobbik – sicher nicht unbeabsichtigt – zunehmend dünn.

Der damalige Parteichef Gábor Vona reagierte darauf mit einer Gegenbewegung Richtung Mitte, finanziell unterstützt durch einen Orbán-Abtrünnigen, den Bauunternehmer und Medieninhaber Lajos Simicska. Als das bei der Wahl 2018 keinen Durchbruch brachte, zogen sich Vona und Simicska zurück. Die Parteiführung besteht jetzt aus dem Vorsitzenden Péter Jakab und Fraktionschef Márton Gyöngyösi. Koloman Brenner, vormals stellvertretender Fraktionsvorsitzender, ist seit Juli 2020 als stellvertretender Parlamentspräsident ranghöchster Jobbik-Vertreter im Staat.

Eine Nacht-und-Nebel-Aktion des Fidesz

Jobbik wäre es nach Brenners Worten lieber gewesen, könnte die Opposition mit zwei Listen antreten, einer Mitte-rechts- und einer Mitte-links orientierten – damit die Bürger „die Möglichkeit haben, nach ihrer Weltanschauung die Richtung auszuwählen“, wie er der F.A.Z. sagt. So könnte man die meisten Wähler erreichen. „Aber dann hat der Fidesz wieder einmal in einer Nacht-und-Nebel-Aktion das Wahlrecht so geändert, dass eine Partei nur dann mit einer eigenen Liste antreten darf, wenn sie in 71 von 106 Wahlkreisen einen eigenen Kandidaten aufstellt. Zwei Listen, aber keinen konkurrierenden Kandidaten im Wahlkreis, das geht sich jetzt rein rechnerisch nicht mehr aus.“

Nunmehr habe man sich nicht nur darauf geeinigt, dass man mit einer gemeinsamen Liste antritt, sondern auch auf 13 Punkte, „mit denen wir sicherstellen wollen, dass das nicht ein einfacher Regierungswechsel wird. Wir wollen nicht nur mit den letzten zehn Jahren Orbán abschließen, sondern mit der gesamten Phase der vergangenen dreißig Jahre. Korruption hat ja auch schon in den sozialistisch geführten Regierungen stattgefunden.“ Die Überschrift laute: „Garantien für einen Epochenwandel.“

Peter Jakab, der Fraktionsvorsitzende der rechten Partei Jobbik, im März 2020 im ungarischen Parlament


Peter Jakab, der Fraktionsvorsitzende der rechten Partei Jobbik, im März 2020 im ungarischen Parlament
:


Bild: AP

Brenner ist Germanist und Universitätsdozent, der aus Ödenburg (Sopron) stammt und sich nach 1990 im Verband der Ungarndeutschen erstmals politisch betätigte. Unter dem Eindruck der Fidesz-Übermacht schloss er sich dem Jobbik an, als der sich in die Mitte orientierte. „Meine Wahl zum Vizepräsidenten des Parlaments war ein klares Zeichen für die christlich-soziale Ausrichtung der Partei. Wir haben uns im Laufe der letzten Jahre von Personen getrennt, die extremistische Positionen vertreten haben.“ Brenner hebt unter den 13 Punkten hervor, dass die Stasi-Akten vollständig für die Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden sollen – ein Ansinnen, das bislang im Parlament ausgerechnet am Fidesz gescheitert sei.




F+ FAZ.NET komplett

Vertrauen Sie auf unsere fundierte Corona-Berichterstattung und sichern Sie sich 30 Tage freien Zugriff auf FAZ.NET.



Jetzt F+ kostenlos sichern

Bei der Kandidatenfindung für die Liste solle eine „Lustration“ stattfinden: „Es dürfen keine Kandidaten sein, die früher einmal Äußerungen getan haben, die gegen die Menschenwürde verstoßen. Damit haben auch wir als Jobbik natürlich kein Problem. Aber es dürfen auch keine Kandidaten sein, die einmal nachweislich Fidesz unterstützt haben. Aus dem Punkt mit den Stasi-Akten folgt meiner Ansicht nach auch, dass die Kandidaten nicht früher mit der Stasi zusammengearbeitet haben dürfen.“

Mit den 13 Punkten hätten die sechs Parteien zunächst einmal ihre jeweiligen Schmerzgrenzen aufgezeigt. „Das heißt nicht, dass nicht später noch einmal Konflikte entstehen können, wenn es um konkrete Punkte geht. In der Wirtschafts- und Steuerpolitik haben wir als Jobbik zum Beispiel einen ganz anderen Ansatz als die linken Parteien.“ Doch werde man als Regierung, so erwartet Brenner, „sicher finanziellen Spielraum haben, wenn zum Beispiel EU-Gelder nicht wie jetzt zweckentfremdet werden, sondern für die Bildung oder das Gesundheitswesen zur Verfügung stehen.“

Wenn Ihnen der Artikel gefallen hat, vergessen Sie nicht, ihn mit Ihren Freunden zu teilen. Folgen Sie uns auch in Google News, klicken Sie auf den Stern und wählen Sie uns aus Ihren Favoriten aus.

Wenn Sie an Foren interessiert sind, können Sie Forum.BuradaBiliyorum.Com besuchen.

Wenn Sie weitere Nachrichten lesen möchten, können Sie unsere Nachrichten kategorie besuchen.

Quelle

Ähnliche Artikel

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Schaltfläche "Zurück zum Anfang"
Schließen

Please allow ads on our site

Please consider supporting us by disabling your ad blocker!