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#Vor der Bundestagswahl: Kein intaktes Einwanderungsland

Vor der Bundestagswahl: Kein intaktes Einwanderungsland

Nur kurz flackerte zuletzt ein Thema wieder auf, das – je nach Umfrageinstitut – den Deutschen fast so wichtig ist wie der Klimaschutz oder der Arbeitsplatz: die Migration. Anlass war der Truppenabzug aus Afghanistan, der wenig geeignet ist, dem Land eine friedliche Zukunft oder gar Wohlstand zu bringen. Wahrscheinlicher ist, dass die ohnehin kontinuierliche Fluchtbewegung zunehmen wird, je mehr Macht die Taliban gewinnen.

Afghanistan ist aber nur ein Konfliktherd unter vielen. Die meisten Asylanträge werden von syrischen Staatsbürgern gestellt. Die größte Aufmerksamkeit richtet sich aber nach wie vor auf das Mittelmeer und die von Schleppern betriebene Migrationsroute über Afrika nach Norden ins Ungewisse. Auch die Balkan-Route ist wieder das, was sie war.

Zwar liegen die Zahlen der Asylanträge und der Eingewanderten weit unter denen der Krisenjahre von 2014 bis 2017. Seither ist aber zu wenig geschehen, um darauf vertrauen zu können, dass eine solche Situation sich nicht wiederholen werde. Das aber wurde seither immer wieder beteuert.

Auf die Türkei ist kein Verlass – und auf die EU auch nicht

Litauen erlebt gerade, wie schnell sich das ändern kann; auf die Türkei ist kein Verlass; und in Nordafrika, besonders in Libyen, ist nie eine Ordnung eingekehrt, die den Geist internationaler Konventionen atmen würde. Der ist nicht einmal innerhalb Europas gegeben. Die Osteuropäer stehen seit 2015 am Pranger, aber mittlerweile gilt auch Italien als Kandidat, der sich nicht an europäisches Recht hält. Es wächst die Zahl der EU-Staaten, in denen Zustände herrschen, die deutsche Verwaltungsgerichte veranlassen, Asylbewerber nicht dorthin zurückzuschicken, wo sie laut EU-Recht untergebracht werden müssten.

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Das alles beruht auf Missständen, die nun schon seit Jahrzehnten bekannt sind, aber nicht behoben wurden. Auch der jüngste Versuch aus Deutschland als dem Wanderungsmagneten in der Mitte Europas, die EU-Staaten zu einem neuen, gemeinsamen Anlauf in der Asylpolitik zu bringen, ist fehlgeschlagen. Die Vorschläge Horst Seehofers für ein europäisches Asylregime finden sich im Wahlprogramm der Union nicht als Erfolgsmeldung, sondern als Absichtserklärung wieder.

Allzu viel Neues ist auch den anderen Parteien nicht eingefallen. Ein Migrationsministerium, das die Grünen einrichten wollen, setzte nur die altbekannte „Arbeitsteilung“ fort: Grüne, Linkspartei und SPD dringen – wie jetzt im Ruf nach einem Abschiebestopp nach Afghanistan – auf eine möglichst liberale Einwanderungspolitik; CDU, CSU und FDP spielen dagegen die Bedenkenträger, die moralisch leicht zu diskreditieren sind.

Unkontrollierte Migration als Urknall

Eine zukunftsträchtige Linie kommt dabei nicht heraus. Vielmehr wirken alle sechs Parteien so, dass sie ganz froh sind, das Thema meiden zu können. Da die hohen Erwartungen in der Bevölkerung – die einen wollen Willkommenskultur in jeder Beziehung, die anderen mehr Kontrolle bis hin zur Abschottung – gegenläufig sind, gilt die Migrationspolitik seit Jahren nicht als „Gewinnerthema“, jedenfalls nicht unter diesen Parteien. Das gibt der AfD, so radikal-abgedreht bis extremistisch sie mittlerweile sein mag, auch in dieser Bundestagswahl die Möglichkeit, ein achtbares Ergebnis zu erzielen.

Die staatstragenden Parteien zahlen dafür einen hohen Preis. Indem die brachliegende Migrationspolitik von zwei Enden her anbrennt – auf der einen Seite das europäische Zerwürfnis, auf der anderen Seite nationalistische Radikalität –, nehmen sie in Kauf, dass die politische Landschaft immer komplizierter wird.

Nicht der Klimaschutz oder die Pandemie sind schließlich die Gründe dafür, dass nur mehr in Dreier- und Viererbündnissen oder großen Koalitionen gerechnet wird und ein Land wie Thüringen nahezu unregierbar geworden ist. Urknall dieser Entwicklung war und ist die unkontrollierte Migration mit allem, was dazugehört, was aber gerne, wenn es nicht gerade um die Clan-Kriminalität geht, als aufgebauscht bezeichnet wird.

Ein großer Irrtum und ein schweres Versäumnis

Zu den Erblasten der Merkel-Ära gehören deshalb ein großer Irrtum und ein schweres Versäumnis. Der fatale Irrtum bestand darin, Grenzen und damit Einwanderung nicht lückenlos kontrollieren zu können (das klingt in der Corona-Krise plötzlich ganz anders). Das Versäumnis besteht darin, dass die Einwanderung, die Deutschland dringend braucht, trotz verbesserter Bedingungen nie so forciert werden konnte, dass von einem intakten Einwanderungsland gesprochen werden könnte.

Es gibt keine „richtige“ oder „falsche“ Einwanderung. Aber es gibt eine richtige und eine falsche Migrationspolitik. Die falsche hat das Land (nicht nur, aber vor allem in West und Ost) entlang einer einfachen Haltung gespalten: Einwanderung ja – aber nicht so.

Bundeskanzlerin Merkel hatte nach 2015 nicht mehr die Kraft und nicht mehr die Autorität in Europa, um im Interesse Deutschlands daran etwas zu ändern. Im Wahlkampf gibt es derzeit aber auch keinen Kanzlerkandidaten, der die Kraft oder die Autorität hätte, dieses Interesse für eine breite Mehrheit der Wähler akzeptabel zu artikulieren. Für den gesellschaftlichen Frieden in Deutschland ist das eine bleibende Hypothek.

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