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#Was die Basis unserer Denkfehler ist

Dem englischen Denker Wilhelm von Ockham verdanken wir das Parsimonitätsprinzip: nicht zu viele Annahmen, Hypothesen oder Begriffe einführen, stattdessen einfach bleiben und hiermit sparsam sein. Unnötiges wird abgeschnitten – das Prinzip hat daher auch als Ockhams Rasiermesser Bekanntheit erlangt.

Besonders in der Psychologie würde man sich die Dienstleistung eines Begriffsbarbiers manches Mal wünschen. Die Disziplin quillt über von griffigen Eigennamen für kleinteiligste Phänomene. Der berühmte Psychologe Walter Mischel („Der Marshmallow-Test“) sprach diesbezüglich vom toothbrush problem: In der Psychologie verhalte es sich mit Theorien wie mit Zahnbürsten – man würde niemals die von jemand anderem benutzen.

Unter den Hygieneartikeln ist die eigene Zahnbürste dem Psychologen also näher als das Rasiermesser – umso bereichernder ist da die jüngst in „Perspectives on Psychological Science“ erschienene Studie von Aileen Oeberst und Roland Imhoff von den Universitäten in Hagen und Mainz: In ihr muss die psychologische Forschung zu „Biases“, also Urteilsverzerrungen, unters Messer.

Der Forschungszweig wurde von Daniel Kahneman („Schnelles Denken, langsames Denken“) mitbegründet und bekannt gemacht, der für seine bahnbrechenden Arbeiten auf dem Gebiet 2002 den Wirtschaftsnobelpreis erhielt. Auch die Ratgeber-Bestseller von Rolf Dobelli („Die Kunst des klaren Denkens“) basieren auf der „heuristics and biases“-Forschung.

Unser Denken neigt zur Favorisierung der eigenen Gruppe

Diese Biases bilden mittlerweile einen bunten Strauß – oder besser eine Blumenwiese. Wir überschätzen, wie viel Aufmerksamkeit uns andere schenken („Spotlight-Effekt“), wie gut sie unsere inneren Zustände erkennen („Transparenzillusion“), wie sehr sie unsere Ansichten teilen („Falscher Konsensus“), wie ähnlich sie uns sind („Soziale Projektion“) und wie gut sie verstehen, was wir eigentlich meinen („illusory transparency of intention“).

Der hier zugrunde liegende Egozentrismus in der sozialen Wahrnehmung sorgt auch dafür, dass wir uns schwer in Leute versetzen können, die unser Vorwissen nicht haben („Fluch des Wissens“). Und wenn man nun glaubt, dass andere vielleicht auf diese Urteilsverzerrungen hereinfallen, man selbst aber nicht, dann ist das ein Fall des Blinder-Fleck-Bias.

Jüngst erregten vor allem die gruppenbezogenen Urteilsverzerrungen Aufmerksamkeit, weil sie zur Erklärung gesellschaftlicher Spaltungen geeignet sind. So nehmen wir die Gruppe, der wir angehören, leicht als verantwortungsvoller und moralisch überlegen wahr („In-group bias“). Und wenn Gruppengenossen doch mal Verwerfliches tun, schieben wir das gerne auf externe Gründe, während Mitglieder gegnerischer Gruppen Verwerfliches tun, weil sie nach unserem Urteil nun mal so sind („Ultimativer Attributionsfehler“).

Unsere eigene Gruppe erscheint uns als typischer für die Gesamtgesellschaft („In-group Projektion“), und selbstverständlich nehmen wir Medienberichte meist so wahr, dass sie die andere Seite unfair in besserem Licht erscheinen lassen („Böse-Medien-Bias“). Unser Denken ist also auf die Favorisierung der eigenen Gruppe geeicht, was Verständigung über Gruppengrenzen erschweren kann.

Menschen sehen gerne vorgefertigte Ansichten bestätigt

Wie aus dieser kleinen Auswahl zu erkennen ist, gibt es eine Vielzahl an Theorien kürzester Reichweite, deren enge Verwandtschaft offensichtlich ist. Oeberst und Imhoff bringen all diese Phänomene und einige mehr radikal auf einen Nenner, indem die beiden Forscher sie auf einen grundlegenden Bias reduzieren: den Bestätigungsfehler („confirmation bias“).

Diese Verzerrung erstreckt sich über Aufmerksamkeit, Wahrnehmung, Informationsauswahl, -bewertung und -erinnerung: Immer tendieren wir dazu, unsere vorgefertigten Ansichten zu bestätigen. Unsere Wahrnehmung ist empfänglicher für Informationen, die unsere Hypothesen bestätigen: Wir ziehen eher bestätigende als widersprechende Informationen für unser Urteil heran, wir beurteilen sogar Informationen falsch, wenn dies unsere Vorannahmen schützt.

Und ist der Widerspruch dafür zu krass – dann ist es bestimmt eine Ausnahme. Replikationen gibt es reichlich: Der Bestätigungsfehler ist ein Über-Bias. Kein Wunder, dass Karl Popper, der Verfechter der Falsifikation, in der Menschenwelt graue Haare bekam.

Kognitive Grundlage gesellschaftlicher Spaltung

Diesen Bestätigungsfehler verknüpfen Oeberst und Imhoff nun mit sehr grundlegenden Glaubenswahrheiten. Wie etwa: „Meine eigene Erfahrung ist eine nützliche Informationsquelle“ und „Die Gruppe, der ich angehöre, ist gut.“ So ist es wohl ein Lebenserfordernis, der eigenen Erfahrung zu vertrauen. Im Zusammenspiel mit dem Bestätigungsfehler ergeben sich aus dieser Überzeugung jedoch einige Fehlschlüsse, die wir oben aufgezählt haben: Andere widmen uns nicht so viel Aufmerksamkeit, sind uns nicht so ähnlich, sind mit uns nicht so einig und durchschauen uns nicht so gut, wie wir selbst es tun.

Ebenso fiele uns das Leben schwer, wenn wir von der Güte der eigenen Familie, der Peergroup, der Partei und des Sportvereins nicht überzeugt wären. Gleichzeitig kann diese gesunde Tendenz in Kombination mit dem Bestätigungsfehler so einige oben genannte Biases hervorbringen, welche die kognitive Grundlage gesellschaftlicher Spaltung bilden.

Diese Reduktion der Verzerrungsvielfalt auf ein einfaches Konzept ist nicht nur ein Fest für das Parsimonitätsprinzip, sie hat auch Konsequenzen für unseren Alltag. Will man den gängigsten Denkfehlern entgehen, reicht dafür eine universelle Strategie: Man mache sich die Tendenz zur Bestätigung der eigenen Ansicht bewusst und suche deshalb nach Informationen, die ihr widersprechen.

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