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#Was treibt Kurz bei der Impfstoff-Debatte an?

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Was treibt Kurz bei der Impfstoff-Debatte an?

Sebastian Kurz präsentierte sich am Donnerstagabend nach dem Videogipfel der EU-Staats- und Regierungschefs als Gewinner. „Froh, erleichtert und zufrieden“ sei er, sagte Österreichs Bundeskanzler nach den Beratungen. Er habe sich „intensiv für eine gerechtere Auslieferung der Impfstoffe in der EU eingesetzt“. Diese sei für das zweite Quartal dann auch beschlossen worden.

Stephan Löwenstein

Werner Mussler

Angela Merkel bewertete das Ergebnis anders. Die EU-Botschafter, die sich nun mit der Impfstoffverteilung beschäftigen müssten, stünden „vor der Quadratur des Kreises“, sagte die Bundeskanzlerin. Fest steht: Der von Kurz initiierte Streit über eine partielle Neuverteilung von Impfstoff in der EU ist auf dem Gipfel nicht gelöst worden.

In die Schlusserklärung des Gipfels wurden zwei Sätze eingefügt. Von einem „Ausgleichsmechanismus“, wie ihn Kurz zusammen mit den Ministerpräsidenten Kroatiens, Sloweniens, der Tschechischen Republik, Bulgariens und Lettlands gefordert hatte, ist darin nicht die Rede. Ausdrücklich heißt es: „Wir bestätigen, dass die Zuteilung der Impfstoffe anteilig anhand der Bevölkerungszahl erfolgt.“ Zugleich beauftragten die Staats- und Regierungschefs ihre EU-Botschafter, die Frage, wie schnell 10 Millionen Impfstoffe des Herstellers Pfizer-Biontech im zweiten Quartal zugeteilt werden können, „im Geiste der Solidarität zu behandeln“.

Drei Gründe für sein Engagement

Kurz nannte am Freitag drei Gründe für sein Engagement. Erstens sei es europapolitisch ein wichtiges Zeichen, wenn alle EU-Staaten ihre Bürger bis zum Sommer in etwa gleichem Maße durchimpfen könnten. Zweitens lägen die meisten der besonders betroffenen Staaten mehr oder weniger in der Nachbarschaft Österreichs. Kurz nannte Kroatien, Slowenien, die Tschechische Republik und die Slowakei; im weiteren Sinne auch Bulgarien. Es sei zudem auch im europäischen Interesse, dass in jenen Ländern die Pandemie im Sommer nicht weiter grassiere. Drittens, fügte Kurz in Wien hinzu, wäre es natürlich auch schön, wenn Österreich von der Umverteilung profitierte.

In Brüssel blieb am Freitag der Unmut über Kurz bestehen. Der Kanzler habe auf dem Gipfel die Aufmerksamkeit von der wichtigeren Debatte weggelenkt, wie sich die EU insgesamt mehr Impfstoff sichern könnte, beklagten Diplomaten. In der Sache bewegt habe sich, anders als von Kurz dargestellt, nichts. Wenn sich die Botschafter kommende Woche damit beschäftigten, liege genau jener Kompromissvorschlag der EU-Kommission auf dem Tisch, den Österreich bisher abgelehnt habe.

Der besteht darin, ein Zusatzkontingent des Biontech-Pfizer-Impfstoffs von 10 Millionen Dosen, das die EU fürs zweite Quartal sichern konnte, nach einem speziellen Schlüssel aufzuteilen. 7 Millionen Dosen sollten nach Bevölkerungszahl, der Rest nach einem anderen Schlüssel an jene Länder verteilt werden, die von der augenblicklichen Ungleichverteilung am stärksten betroffen sind. Österreich zählt nicht dazu.

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In Brüssel war der Vorwurf zu hören, Kurz betreibe wohlfeiles „EU-Bashing“, und es gehe ihm ausschließlich um mehr Impfstoff für sein Land. Merkel und andere „Chefs“ hätten sich bereiterklärt, den schlecht versorgten Staaten zu helfen – aber eben nicht Österreich. Zu solchen Vorwürfen passt allerdings nicht die Rhetorik, mit der Kurz seine Position innenpolitisch begründet hat. Sie klang nicht nach „Österreich first“, und die ihm vom deutschen Boulevard zugeschriebene Zeile „Kurz bricht mit EU-Versagern“ hat er so auch nicht geliefert.

Zudem ist die Menge, die Österreich bei einer Umverteilung allenfalls gewinnen könnte – die Rede ist von maximal 400.000 statt 200.000 Dosen – im Verhältnis zu den im zweiten Quartal erwarteten Lieferungen auch nicht so groß, dass sie den Konflikt mit so vielen Beteiligten (in Brüssel, in etlichen EU-Hauptstädten, aber auch beim grünen Koalitionspartner und in der eigenen Partei) gelohnt hätten.

Seitdem er Anfang März mit der dänischen Ministerpräsidentin Mette Frederiksen nach Israel flog, führt Kurz den ungleichen Impffortschritt auf ein Defizit bei der Verteilung des Impfstoffs zurück. Seither erhebt er zudem den Vorwurf, über die Verteilung habe nicht die Politik, sondern ein EU-Bürokratenausschuss entschieden. Der Vorwurf traf ausdrücklich auch den österreichischen Beamten in diesem Ausschuss, einen Mann aus den eigenen politischen Reihen.

Jedenfalls liegt es nicht in Kurz’ Naturell, ein solches Thema diskret abzuhandeln. Kontroversen auf offener Bühne haben ihm bislang nie geschadet, sondern genützt. Lieber steht er als Treiber einer Debatte über ungleichen Impf-Fortschritt in der EU da, denn als Getriebener einer Debatte darüber, was in Österreich gerade alles schiefläuft.

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