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#Wie schnell muss ein Richter arbeiten?

Wie schnell muss ein Richter arbeiten?

Das Bundesverfassungsgericht hat am Dienstag einen Beschluss veröffentlicht, mit dem ein fast zehn Jahre dauernder Rechtsstreit vorläufig zu Ende gegangen ist. Es ging darin um Grundfragen der richterlichen Unabhängigkeit – über die das Gericht allerdings nicht entschieden hat. Zum zweiten Mal nahmen die Richter eine Beschwerde des betroffenen Richters Thomas Schulte-Kellinghaus vielmehr nicht zur Entscheidung an. Dieser habe die Verletzung seiner richterlichen Unabhängigkeit nicht ausführlich genug dargelegt, so die dritte Kammer des Zweiten Senats. Die Verfassungsbeschwerde sei deshalb unzulässig.

Schulte-Kellinghaus ist Zivilrichter am Freiburger Außensenat des Oberlandesgerichts (OLG) Karlsruhe. Vor dem Verfassungsgericht wehrte er sich gegen das Vorgehen seiner ehemaligen Gerichtspräsidentin. Sie hatte ihn im Jahr 2011 dafür kritisiert, zu wenige Fälle zu erledigen. In den Jahren 2008 bis 2010 habe seine Erledigungsleistung nur etwa 68 Prozent der Leistung von anderen OLG-Richtern entsprochen. 2011 habe er weniger Verfahren erledigt als ein Halbstagsrichter.

Zuspruch von namhaften Juristen

Anfang 2012 forderte die damalige Gerichtspräsidentin Schulte-Kellinghaus dann förmlich dazu auf, ein durchschnittliches Pensum zu erreichen. Seit Jahren unterschreite er das Durchschnittspensum „ganz erheblich und jenseits aller großzügig zu bemessenden Toleranzbereiche“. Schulte-Kellinghaus, dem einige namhafte Juristen beigesprungen sind und der als besonders sorgfältig gilt, sieht sich durch diese Aufforderung in seiner richterlichen Unabhängigkeit verletzt. Bisher entschieden die Gerichte aber, dass die damalige Gerichtspräsidentin ihn zu „ordnungsgemäßer, unverzögerter Erledigung“ ermahnen durfte.

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Richter sind laut dem Grundgesetz unabhängig, nicht weisungsgebunden und allein dem Gesetz unterworfen. Es handelt sich um ein Grundprinzip der deutschen Justiz, doch in der Praxis spielen sogenannte Erledigungsquoten eine entscheidende Rolle. Auch wer befördert werden will, muss gute Zahlen liefern. Auf die Rechtsanwendung wirkt sich das ganz konkret aus, denn es geht darum, wie viel Zeit ein Richter etwa für das Aktenstudium und die Beweisaufnahme aufwendet.

Gibt auch Anspruch auf zügiges Verfahren

Das Bundesverfassungsgericht stellt deshalb in seinem Beschluss klar: Auch die „Formulierung von Maßstäben für die (quantitative) Erledigungsleistung“ habe die Unabhängigkeit des Richters umfassend zu respektieren. Sie sei dann verletzt, wenn solche Maßstäbe auf „eine direkte oder indirekte Weisung hinauslaufen, wie der Richter künftig verfahren oder entscheiden soll“. Der Verfassungsbeschwerde sei das aber „nicht mit hinreichender Deutlichkeit“ zu entnehmen. Ob die Aufforderung und die Ermahnung den Anforderungen an die richterliche Unabhängigkeit genügten, müsse deshalb offenbleiben.

Dem Grundsatz richterlicher Unabhängigkeit steht im Übrigen der Anspruch auf ein zügiges Verfahren gegenüber. Er ist Ausdruck des Gebots effektiven Rechtsschutzes. Schon mehrmals hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte Deutschland wegen „überlanger“ Verfahren gerügt. Hinter dem Anspruch stünden schließlich Bürger, die auf ihr Recht warteten. Wie sich ein „zügiges Verfahren“ definieren lässt, ist jedoch umstritten. Das Gebot effektiven Rechtsschutzes richtet sich außerdem nicht nur an einzelne Richter, sondern auch an den Staat, also etwa an den Landesgesetzgeber, genügend Ressourcen zur Verfügung zu stellen.

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